Einmal nach links gucken und dann ein kurzer Sprint bis zur Mittelinsel. Ein Blick nach rechts und dann der nächste Sprint – ich bin auf der anderen Straßenseite, kurz bevor die nächsten Autos dicht hinter mir vorbeirauschen. Die Überquerung der Michael-Brückner-Straße (Niederschöneweide) an dieser Kreuzung ist ein Abenteuer. Kein ungefährliches. Eine ältere Dame wartet vier Minuten, bevor sie sich über die Straße traut. Problem: Hier gibt es zwar eine Lichtsignalanlage für Autos, aber eine für querende Fußgänger und Radfahrer fehlt. Schuld daran soll eine Ampel aus DDR-Zeiten sein.
Auch Anita Thiemann (74) wartet lange, bevor sie sich einen Ruck gibt und über die Straße radelt. „Es ist erschreckend hier“, sagt sie. „Von allen Seiten kommen schnell heranfahrende Autos. Das macht mir Angst. Zum Glück habe ich ein E-Bike, damit bin ich ein bisschen rascher auf der anderen Seite.“
Michael-Brückner-Straße: 40.000 Fahrzeuge werden hier täglich gezählt
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegen ein Schnellrestaurant und Kleingärten. Auch Radfahrer nutzen den Übergang, um den Radweg auf der anderen Straßenseite zu erreichen. Denn an der unübersichtlichen Kreuzung ist das Abbiegen aus der Britzer und der Fennstraße nach links auf die Michael-Brückner-Straße (B96a) verboten.
Auf den ersten Blick sieht an der Kreuzung Michael-Brückner-/Fenn- und Britzer Straße alles wie ein ganz normaler, gesicherter Fußgängerüberweg aus. Abgesenkte Bürgersteige, eine Mittelinsel, eine Ampel. Doch dann steht man wie doof da und merkt, dass es hier zwar eine Ampel für die Autos gibt, aber keine für Fußgänger und Fahrradfahrer. Für die ist hier eigentlich Dauer-Rot – überqueren der Straße auf eigene Gefahr. 40.000 Fahrzeuge werden hier tagtäglich gezählt.
Fußgänger schmulen auf die Autoampel, um zu erkennen, wann die Autos halten müssen. Doch auf der Fahrbahn stadtauswärts funktioniert das nicht. Da ist die Ampel um einige Meter versetzt. Fußgänger können nur schwer abschätzen, wie lange die Rotphase für die wartenden Autos andauert – und ob die Zeit zum Überqueren der Straße überhaupt noch ausreicht. Gerade für Ältere ist das schwierig.
Der Lokalpolitiker Joachim Schmidt kämpft schon seit Jahrzehnten für eine Fußgängerampel an dieser Stelle. 2004 stellte er den ersten Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Treptow-Köpenick, weitere Anträge anderer Parteien folgten. Damals war der heute 56-Jährige noch Mitglied der CDU. Jetzt, 21 Jahre später, steht die Ampel für die Einrichtung einer Fußgängerampel immer noch auf Rot – und Schmidt ist inzwischen Mitglied der FDP.
FDP-Politiker Joachim Schmidt: „Viele Fußgänger haben hier Angst“
Das Problem soll eine Ampel aus DDR-Produktion sein, sagt Joachim Schmidt. Denn die Lichtsignalanlage für die Autos wurde an dieser Stelle schon vor der Wende aufgestellt. „Uns Verordneten wird von Bezirksamt und Senat immer gesagt, dass man die DDR-Ampeln nicht mit der neueren Technik von Siemens kombinieren könne.“ Schmidt zweifelt an der Argumentation. Komme doch die ganze Signaltechnik vor und nach der Wende aus dem gleichen Werk – ehemals VEB Werk für Signal- und Sicherungstechnik Berlin, heute Siemens in der Kiefholzstraße in Treptow.
Es sei frustrierend, dass jahrelang keine Entscheidung getroffen wurde, sagt der FDP-Politiker. „In der BVV empfahl die zuständige Stadträtin, einfach aufzupassen, wann die Auto-Ampel Rot anzeigt und dann die Straße zu überqueren. Doch viele Fußgänger haben Angst.“

Aber vielleicht tut sich jetzt etwas – nach langen 21 Jahren. Auch das Bezirksamt halte die Situation für verbesserungswürdig, erfährt der KURIER von Stadträtin Claudia Leistner (Grüne). „Das Bezirksamt hat sich bereits an die zuständige Senatsverwaltung gewandt und die kurzfristige Errichtung einer Fußgängerampel an dieser Stelle eingefordert.“ Kurzfristig passiert wohl nichts. Aber: „Im Zusammenhang mit der Erneuerung der Ampeln an der Bundesstraße wird auch diese Ampel erneuert“, teilt eine Sprecherin der Verwaltung dem KURIER mit. Einen konkreten Zeitplan aber könne man derzeit leider noch nicht sagen.