Neue Pläne des Vermieters

Watt 'ne Schande: Berliner Kultkneipe soll Edel-Restaurant weichen!

Das Watt ist eine der letzten Kulturkneipen in Prenzlauer Berg. Ein Mann, der in Berlins Clubkultur Karriere machte, will sie rauswerfen. Doch so leicht gibt Ost-Berlin nicht auf.

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Die Wirtin der bedrohten Kneipe Watt in Prenzlauer Berg, Sindy Kliche.
Die Wirtin der bedrohten Kneipe Watt in Prenzlauer Berg, Sindy Kliche.Markus Wächter

Das Watt ist nicht irgendeine Kneipe. Es ist ein Zuhause. Ein Wohnzimmer in Prenzlauer Berg – für alle, die keinen Platz mehr finden in einem Kiez, die teurer, glatter, leiser geworden ist. Jetzt soll sie weg. Für „gehobene Küche“, wird gemunkelt. Doch Wirtin Sindy Kliche und ihre Leute sagen: Nicht mit uns.

Draußen in der Sonne stehen Nachbarn, Stammgäste, Freunde – etwa fünfzig Menschen. Sie tragen knallgelbe Plakate: „Watt! Muss bleiben.“ Der Vermieter hat sich zur Begehung angekündigt. Mit Architekt und Nachmieter. Doch er kommt nicht. Wieder einmal. Der Klassenkampf fällt aus – fürs heute.

Die Wirtin mit dem festen Händedruck

Sindy Kliche ist 47, aufgewachsen in Brandenburg an der Havel. Drahtig, entschlossen, mit blondem Pony und klarem Blick. Seit zehn Jahren betreibt sie das Watt. Im Dezember kam der Brief: Mietvertrag läuft im September aus. Keine Verlängerung. Das Aus droht. Der Eigentümer: wortkarg, distanziert, lässt Medienanwälte sprechen.

Seit der neue Eigentümer  das Haus gekauft hat – mitten im Kollwitzkiez, an der Metzer Straße – hängt das Damoklesschwert über dem Watt. Ein neuer Mieter soll schon bereitstehen. Es heißt: ein Edelrestaurant.

Beweisfoto: Ein Ort wie das Watt stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Beweisfoto: Ein Ort wie das Watt stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.Markus Wächter

„Unser Wohnzimmer“! Mehr als eine Kneipe: Ein Zufluchtsort

Doch das Watt ist kein Ort für Tischdecken und Trüffelbutter. Hier trifft sich die Nachbarschaft, hier sitzen Musiker neben Tischlern, Schauspieler neben Rentnern. Hier wird Jazz gespielt, gelesen, gelacht, debattiert, gesungen. Promis wie Meret Becker und Alexander Scheer standen schon auf der Bühne. DDR-Dichter Volker Braun saß oft am Tresen.

Mai 2025: Oben auf der Holzbank sitzt Ronald Galenza. Er ist DJ, Journalist, Zeitzeuge. „Ick war schon hier, da jabs dit allet noch nich“, sagt er rauchend. In den 70er-Jahren fegte er den Französischen Dom, weil er in Brandenburg nicht arbeiten wollte. Damals war Prenzlauer Berg noch roh: Punk, Protest, Poesie. „Das war unsere Stadt“, sagt er. Heute erkennt er seinen Kiez kaum wieder. „Wenn das Watt geht, stirbt das Letzte, was noch echt ist. Dann bleibt hier nur Fassade.“

Freunde der Kneipe Watt in Prenzlauer Berg protestieren gegen die Verdrängung.
Freunde der Kneipe Watt in Prenzlauer Berg protestieren gegen die Verdrängung.Markus Wächter

Protest mit Plänen, Flyern und Hoffnung

Im Watt hat sich der Widerstand organisiert. An einer Wand hängt eine große Tafel mit grünen Zetteln: „Ideen“, „To Do“, „In Arbeit“, „Fertig“. Sprecher der Initiative „Watt! Retten“ ist Robert Mießner. Journalist, DJ, Aktivist. Auf dem Tisch: Limonade, Zigaretten, griechische Gebetskette. „Gegen das Rauchen“, sagt er. „Und gegen den Frust.“ Sie planen eine große Fête de la Musique im Juni. Sie schreiben Briefe, machen Demos, versuchen Prominente wie Gregor Gysi mit ins Boot zu holen. Alles für diesen einen Ort, der noch nicht verkauft ist, noch nicht glattgebügelt.

Gentrifizierung mit Überwachungskamera

Im April tauchten plötzlich Kameras auf. Direkt über dem Eingang. Nach Protesten verschwanden sie wieder. Was das sollte, weiß keiner. Doch es zeigt, wie nervös der Eigentümer offenbar ist. Gespräche lässt er platzen. Dabei wäre genau das nötig. Sandy Kliche ist bereit, Kompromisse zu machen: Schallschutz, leisere Anlage, neue Öffnungszeiten. Nichts davon wurde angenommen.

Die Wirtin ist eigentlich Bildhauerin. Studierte in Bologna, lebte in Norwegen. 2008 kam sie nach Berlin. Als ihr Vorgänger Bert Papenfuß 2015 seine Kneipe Rumbalotte schloss, übernahm sie. „Mich hat das Herzstück Tresen fasziniert“, sagt sie. „Wie sich ein Abend entwickelt, wer mit wem redet.“ Eine Art soziale Skulptur – Nacht für Nacht. An der Einrichtung änderte sie kaum etwas. Nur etwas mehr Wärme, mehr Licht, ein bisschen mehr Zuhause für die, die sonst keins mehr haben. Das Publikum? Bunt. Manche nennen es: der „renitente Rest“ von Prenzlauer Berg. Die, die geblieben sind, trotz steigender Mieten.

Ein kurzer Hoffnungsschimmer

Anfang Mai schien sich das Blatt zu wenden. Der Hausverwalter sei offen gewesen, habe sie ermutigt, ein neues Angebot zu machen, schreibt Kliche dem Berliner KURIER. Die Wirtin euphorisch: „Vielleicht erkennt er ja doch den Wert dieses Ortes.“ Doch nur fünf Tage später hatte sich der Wind wieder gedreht. Der Anwalt meldet sich. Wieder. Die Aussagen des Eigentümers habe es so nie gegeben. Der Vermieter bleibt bei seiner Linie – kein Gespräch. In Berlin ist er kein Unbekannter: Ein Mann aus der Clubszene, einst gefeiert für seine Beiträge zur Kultur. Doch beim Watt bleibt er hart.

Fazit: Das Watt kämpft – für die kleinen Leute

Noch fließt im Watt das Bier. Am Tresen wird diskutiert. Ob es diesen Ort bald noch gibt, weiß niemand. Doch es geht längst um mehr als nur eine Kneipe. Es geht um Identität, um Heimat, um Kiez. Für die, die nie reich waren, aber sich trotzdem ein Zuhause gebaut haben. Und die nicht bereit sind, es kampflos herzugeben.