Trauer um Celina (†16)!

Um 7 Uhr morgens rief das Jugendamt an: „Ihre Schwester ist tot!“

In der unfassbare Geschichte der 16-jährigen Celina deutete einiges auf ein Happyend hin. Bis das Schicksal ganz brutal zuschlägt. Zwei Schwestern bleiben in endloser Trauer und mit Problemen um die Beerdigung zurück.

Author - Berliner KURIER
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Celina in glücklichen Zeiten. Mit nur 16 Jahren stirbt sie auf tragische Weise.
Celina in glücklichen Zeiten. Mit nur 16 Jahren stirbt sie auf tragische Weise.zVg

Oft redet man sich ein, man hätte noch Zeit. Zeit, doch noch das Gespräch mit einem ehemaligen besten, inzwischen zerstrittenen Freund zu suchen. Zeit, nach denen zu suchen, die man schätzt oder liebt, aber aus den Augen verloren hat. Bis dann plötzlich dieser Anruf kommt, wie bei den beiden Geschwistern Jasmin und Jaqueline. Für sie ist der Anruf vom Jugendamt um sieben Uhr an einem Morgen im Mai ein Schock: Ihre jüngste Schwester Celina ist tot. Sie wurde nur 16 Jahre alt. Gestorben ist Celina am 15. Mai in Berlin offenbar an einer Überdosis, erzählen ihre Schwestern.

Dabei hätten sie sich gerade erst wiedergefunden, nachdem sie sich in jungen Jahren verloren hatten. Celina hatte eine fürchterliche Geschichte. So erzählen es ihre Schwestern bei einem emotionalen Telefonat. „Wir waren insgesamt elf Kinder“, erzählt Jaqueline. „Sechs Mädchen und fünf Jungs, Celina war die Jüngste.“ 2009 verließ die Mutter den an Krebs erkrankten Vater. Die Mutter habe die Kinder mit nach Berlin genommen, ohne festen Wohnsitz, ohne Schulplatz.„Wir haben eine Zeit bei Bekannten von ihr geschlafen. Dann hat uns das Jugendamt in Obhut genommen“, berichtet Jaqueline weiter. „Celina war da gerade einmal neun Monate alt.“

Elf Geschwister verlieren sich zwischen Jugendamt und Pflegefamilien

Die Geschwister werden aufgeteilt, verlieren sich in verschiedenen Institutionen und Pflegefamilien. Der Kontakt zu den meisten geht verloren oder wird nicht gewünscht, nur Jaqueline und Jasmin erhalten ihn aufrecht, bis heute, obwohl sie inzwischen beide nicht mehr in Berlin oder im Umland wohnen. Auch die Verbindung zu Celina verliert sich zunächst für viele Jahre.

Mit eineinhalb Jahren landet Celina bei einer Pflegemutter in der Hauptstadt, erzählt ihre Schwester. Bis sie elf Jahre alt war, habe sie dort gelebt, dann sei sie zurück ins Heim gekommen. Das erfuhr Jaqueline jedoch erst kurz vor dem Tod der Schwester. „Ich habe sie nur einmal noch gesehen, da war sie drei oder vier. Wir dachten, sie ist gut aufgehoben.“ Zum Schutz von Celina habe es keinen Kontakt zu ihren Geschwistern gegeben. „Jeder von uns hatte eigene Probleme“, sagt Jasmin. „Aber Celina hat es am härtesten getroffen.“

Celina habe das Jugendheim im Mai 2024 verlassen. Da sei sie 15 gewesen – und obdachlos, erzählt Jaqueline. „Sie hat hier und dort geschlafen.“ Im Nachhinein macht sich Ratlosigkeit bei den Geschwistern breit. „Das Jugendamt hat versagt. Sie war mit 15 Jahren obdachlos in Berlin. Wie konnte das passieren?“

Schwestern finden sich über Social Media wieder zusammen

Zu diesem Zeitpunkt wussten die beiden nichts vom Schicksal ihrer Schwester, erzählen sie. Der Kontakt sei zunächst auch weiterhin ausgeblieben. Bis Jasmin die Jüngste zufällig auf Facebook fand, wenige Monate vor ihrem Tod. „Ich war so glücklich, als meine Schwester Celina auf Facebook gefunden hat“, sagt Jaqueline dazu. „Das war einer meiner schönsten Tage. Und jetzt habe ich sie gleich wieder verloren, wegen so einer Scheiße.“

Nachdem sie Celina im Netz gefunden hatten, hätten die drei beinahe täglich telefoniert. „Wir hatten sogar einen Gruppenchat“, erzählt Jasmin. „Celina wollte mich unbedingt besuchen kommen, mein kleines Kind kennenlernen, jetzt über Pfingsten. Wir hätten uns das erste Mal wieder gesehen.“ Doch Celina stirbt nur wenige Wochen vorher, am 15. Mai, erzählen ihre Geschwister.

Der letzte Kontakt sei kurz vor Celinas Tod gewesen. „Dass sie sich ein, zwei Tage nicht meldet, war normal“, sagt Jasmin. Dann habe am Donnerstag, dem 15. Mai, morgens um sieben das Telefon geklingelt. Der Anruf vom Jugendamt, Celina wird nicht zu Besuch kommen, sie ist tot. „Sie ist ganz alleine in einer fremden Wohnung gestorben, mit 16 Jahren, als Obdachlose“, so erzählt es Jasmin mit belegter Stimme. „An einer Überdosis, sagt das Jugendamt.“ Celinas Obduktion stehe noch aus, erst dann werde es Gewissheit für die Schwestern geben.

Celina wollte die Schwester über Pfingsten besuchen

„Sie hatte eine Drogenvergangenheit. Und das Gehirn vergisst so etwas nicht. Aber sie war auf einem guten Weg, laut dem Jugendamt“, sagt Jasmin. „Wir wollten ihr auch helfen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen“, ergänzt Jaqueline. „Leider war es zu spät. Wir haben immer gehofft, dass sie zumindest die harten Sachen lässt. Sie hat alles konsumiert, kaum etwas ausgelassen“, erzählen die Schwestern. „Aber sie war bereit, aufzuhören“, sagt Jasmin. „Sie hat wohl auch Freunde verloren, war aber trotzdem immer wieder in den falschen Kreisen unterwegs.“

„Celina war ganz schüchtern und sehr lieb“, erzählt Jasmin. Auch wenn die beiden Schwestern erst spät wieder Kontakt mit Celina hatten, sie haben sich mit der Pflegemutter über sie ausgetauscht, berichten sie. „Sie hat supergerne gelesen, Bücher nahezu verschlungen. Sie war künstlerisch begabt und kreativ, am liebsten hat sie Gänseblümchen gemalt. Sie war auch sehr gerne in der Natur, am liebsten alleine. Sie war ruhig in ihren Gedanken, sehr erwachsen für ihr Alter. Weil sie so viel durchgemacht hat.“ Dann, so habe es die Pflegemutter den Schwestern erzählt, sei die Pubertät gekommen. „Und mit der Pubertät kamen die Dämonen – und die Drogen. Um sich gut zu fühlen, dazuzugehören, die Gedanken zu unterdrücken. Sie wollte das Loch in ihrem Herzen füllen.“

Kosten der Beerdigung sind ein großes Problem

Der Tod der Jüngsten hat die beiden Schwestern sehr mitgenommen. „Auch wenn ich sie nicht wirklich kannte, liebe ich sie über alles“, sagt Jasmin, muss eine Pause machen. „Wenn ich ihr noch etwas sagen könnte, dann würde ich mich bei ihr entschuldigen, dass ich mir nicht noch mehr Mühe gegeben habe, sie zu finden; ihr nicht rechtzeitig geholfen habe.“ Ihre Schwester fügt hinzu: „Man gibt sich selbst die Schuld. Sie hat gesagt, sie ist auf einem besseren Weg, und wir haben ihr geglaubt.“

Nun kommt neben dem Verlust noch eine weitere Belastung auf die Geschwister zu. Sie können sich die Beerdigung der verstorbenen Schwester nicht leisten, sagt Jasmin. Sobald die Obduktion stattgefunden hat, soll Celina beerdigt werden. „Wir wollen sie würdevoll verabschieden“, sagt Jaqueline. Der Bestatter habe den Schwestern eine Kostenaufstellung für die Beerdigung gegeben. Das Grab und die Pflege zahle zwar Celinas Pflegemutter. „Aber den Rest müssen wir bezahlen“, sagt Jasmin. „Die Kremierung, eine kleine Trauerfeier und die Urne. Rund 3500 Euro kommen da auf uns zu. Ich bin in Elternzeit, wir haben einfach nicht die Rücklagen, um das zu bezahlen. Die Kosten sind zu hoch.“

Um die Beerdigung von Celina finanzieren zu können, haben die Schwestern eine Spendensammlung im Internet gestartet. 1415 Euro sind bereits zusammengekommen. Für einen würdevollen Abschied reiche das noch nicht. „Die Beerdigung wird emotional. Der Gedanke macht mich schwer ums Herz. Ich hoffe, sie wird schön. Es wird viel geweint werden. Es soll so persönlich werden wie möglich.“