Kein Event, sondern Emotion

Fußball-Tourismus in Köpenick: Viele Unioner haben die Nase voll!

Ein Influencer bewertet die Alte Försterei – und erlebt beim 1. FC Union Berlin, dass Köpenick kein Ort für Show ist.

Author - Sebastian Schmitt
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Ein Influencer bewertet die Alte Försterei. Das kommt bei vielen Fans des 1. FC Union gar nicht gut an.
Ein Influencer bewertet die Alte Försterei. Das kommt bei vielen Fans des 1. FC Union gar nicht gut an.Matthias Koch/Imago, instagram.com/jurenhoo,

Er reist durch Europa, bewertet Fußballstadien – und landete jetzt in Köpenick: Ein Content Creator hat den 1. FC Union Berlin besucht und alles bewertet – vom Stadion über die Stimmung bis zur Bratwurst. Seine Noten? Nur Mittelmaß. Doch am Ende muss selbst er zugeben: Union ist anders. Und nicht jeder Unioner hat Bock auf Filmerei im Fußballtempel.

Union Berlin passt schlecht in eine Instagram-Story

Es gibt Orte, die kann man nicht testen – man muss sie fühlen. Die Alte Försterei ist so ein Ort.

Doch Jurenhoo, ein Influencer mit 45.000 Followern auf Instagram, macht genau das, was Influencer eben tun: Er bewertet. Stadion, Atmosphäre, Wurst. Sein Video über den 3:1-Heimsieg gegen Borussia Mönchengladbach ging tausendfach viral – und sorgte in Köpenick für Kopfschütteln.

Immer mehr Fußball-Tourismus in Köpenick

Denn seine Noten klingen nach lauem Mittelmaß. 6,5 von 10 Punkten für das Stadion. „Der industrielle Look mit Ziegelsteinen ist cool, aber die Kapazität zu klein“, sagt er. Dieselbe Punktzahl gibt’s für die Stimmung: Das allein dürfte jedem Unioner wehtun. Nur bei der Bratwurst schnalzt er mit der Zunge – 8 von 10 Punkten.

Die organisierte Fanszene des 1. FC Union kritisierte bereits in der Vergangenheit den sich ausbreitenden Fußball-Tourismus.
Die organisierte Fanszene des 1. FC Union kritisierte bereits in der Vergangenheit den sich ausbreitenden Fußball-Tourismus.IMAGO/Matthias Koch

Doch hinter dem kleinen Influencer-Urteil steckt ein größeres Thema: der Fußball-Tourismus, der inzwischen auch die Alte Försterei erreicht hat. Woche für Woche pilgern Fans aus England oder Skandinavien auch nach Berlin, weil sie „echten Fußball“ erleben wollen – Stehplätze, Bier, Pyro, Gesänge. Und landen in Köpenick, Smartphone gezückt, bereit für Content statt Gänsehaut.

Union-Fans haben keine Lust auf Dauerfilmerei

Nicht nur die organisierte Fanszene sieht das kritisch. Denn Union war für alle Unioner nie ein Ort für Selfies, sondern für Haltung. Für Zusammenhalt. Für Herz. Die Alte Försterei wurde 2008/2009 von Fans mitgebaut – in Eigenleistung, mit Schaufel und Zementmischer. Hier pfeift niemand die eigene Mannschaft aus. Hier bringen Anhänger beim Weihnachtssingen 30.000 Kerzen zum Leuchten, und Aktionen wie „Endlich dabei“ lassen selbst gestandene Männer Tränen verdrücken.

Das alles passt schlecht in eine Instagram-Story mit Filter. Einige Unioner machten Jurenhoo auf  der Tribüne unmissverständlich klar, dass sie keine Lust auf Selfiesticks und Dauerfilmerei haben. Denn für viele Unioner ist Union viel mehr als ein Stadionbesuch – es ist ein Gefühl von Gemeinschaft. Hier zählt keine Reichweite, sondern Zusammenhalt.

Union Berlin für Influencer der „authentischste“ Klub

Aber auch wenn seine Zahlen klingen, als hätte er die Alte Försterei mit einem Bewertungsbogen besucht – Jurenhoo ist nicht ohne Eindruck geblieben. „Ganz Köpenick lebt Union. Das ist der authentischste Fußballverein in Deutschland“, sagt er.

Stimmt. Union ist kein Event, sondern Emotion. Kein Glamour, kein Glitzer. Vor allem keine Sehenswürdigkeit, sondern eine Haltung. Und die kann man nicht in Punkten messen.