Was war das nur wieder für eine Woche von DFB-Pokal über Liga-Alltag bis zu den Spielen in der Champions League. Was immer offensichtlicher wird, ist, dass das Drumherum, das Vor- und das Nachher, häufig breiteren Raum einnimmt als das, worum es ursprünglich gehen soll: das pure Spiel. Immer öfter hat es den Anschein, als seien Tore, die nicht (!) gegeben werden, wichtiger als die, die tatsächlich fallen. Noch kurioser ist, dass im Pokal bei spätestens der dritten Zeitlupe nach dem Video-Assistenten gerufen wird, er aber drei Tage später, wenn es um Punkte geht, verteufelt wird. Was denn nun?
Mit Union-Brille: Horst Heldt wütet über den Videobeweis
Dabei störe ich mich nicht einmal an den Sätzen, die Horst Heldt, Manager des 1. FC Union, im Frust unmittelbar nach dem 0:0 gegen Freiburg („Was ich noch nie gesehen habe: Dass sich der VAR bei Abseits einmischt und den Schiedsrichter in die Review-Area schickt. Das ist echt nicht mehr lustig.“) von sich gegeben hat. Nicht weiter schlimm. Auch wenn Rani Khedira beteuert, nicht am Ball gewesen zu sein, ist das noch lange kein Indiz für passives Abseits. Immerhin hat er seinen Gegenspieler, der auch noch hätte eingreifen können, geblockt und damit aktiv eingegriffen. Geschenkt, solche Entscheidungen sieht man zumeist durch die Vereinsbrille.

Beim Hype um dieses oder jenes finde ich zwei Sätze, die in den vergangenen Tagen gefallen sind, bemerkenswert. Der eine hat mit dem teilweisen VAR-Wahnsinn zu tun, der andere betrifft den Fußball im Osten des Landes. Beides hat, das zweite allerdings nur mittelbar, mit dem 1. FC Union zu tun. Die erste Einlassung kommt von Lukas Kwasniok. Der Trainer des 1. FC Köln sagte zur Anerkennung eines Abseitstores der Bayern bei deren 4:1-Pokalsieg in der Domstadt: „Wenn man immer mit dem Navi unterwegs ist, dann kennst du irgendwann die Straßen nicht mehr.“ Jeder, der früher einen Beifahrer mit Straßenatlas auf dem Schoß hatte, weiß, was Kwasniok meint: Die Unparteiischen setzen immer seltener die von DFB-Schiri-Obmann Knut Kircher geforderte Marschroute durch: Mein Spiel, meine Entscheidung! Sie sind, böse ausgedrückt, zu oft fremdgesteuert.
DDR-Vergangenheit bei Trainern immer seltener
Der zweite bemerkenswerte Satz stammt von Uwe Rösler, seit ein paar Tagen Trainer des VfL Bochum. Rösler ist in den drei höchsten deutschen Fußballligen einer der ganz wenigen Trainer mit DDR-Vergangenheit. Neben ihm und Steffen Baumgart gibt es nur noch Elversberg-Coach Vincent Wagner, der aus Nordhausen stammt, die neue Magdeburger Doppelspitze Petrik Sander/Pascal Ibold und Aue-Trainer Jens Härtel. Sander, einst Spieler und Trainer in Cottbus, ist in Quedlinburg geboren, Ibold in Wippra, einem Ortsteil von Sangerhausen, Härtel, der einst auch beim 1. FC Union spielte, in Rochlitz. Nur war Wagner beim Mauerfall dreieinhalb Jahre alt, Ibold zwei Tage. Da ist die Ost-Vergangenheit eher antrainiert.

Rösler, der zu Beginn seiner Karriere in Leipzig beim 1. FC Lok und bei Chemie spielte, danach beim 1. FC Magdeburg, in der Bundesliga bei Dynamo Dresden und der für die DDR fünf Länderspiele bestritt, so auch das legendäre letzte mit dem 2:0 in Brüssel gegen Belgien, gab sich als Philosoph. Er sagte vor der Partie „seines“ VfL gegen „sein“ Magdeburg: „Ich habe Magdeburg viel zu verdanken. Aber Fußball ist nicht gestern, sondern heute.“ 90 Minuten später klebten die Bördestädter nach einem 0:2 noch fester auf dem letzten Tabellenplatz.
Ost-Klubs verlieren weiter an Boden – außer Union Berlin
Genau das zeigt das Dilemma. Der Osten, die Vereine mit einer Vergangenheit in der DDR-Oberliga, ist dabei, weiteren Boden zu verlieren. Oben gibt es seit gefühlter Ewigkeit nur den 1. FC Union. Wenn auch keine 27 Jahre, obwohl Nina Hagen schon so lange ihr „Wir aus dem Osten geh’n immer nach vorn …“ schmettert. In Liga 2 ist außer dem 1. FCM nur Dynamo Dresden dabei, allerdings punktgleich mit Magdeburg Vorletzter. Ob Energie Cottbus, schon mal sechs Jahre Bundesligist, aus Liga 3 hochkommt, ist nach einem Drittel der Saison trotz Tabellenplatz 2 äußerst fragil. Hansa Rostock und erst recht Erzgebirge Aue dagegen sind von einem direkten Aufstiegsplatz weiter entfernt als von einem, der in die Viertklassigkeit führt. Keine guten Aussichten.




