Unruhe in der Kabine

Fluch des Geldes: Der 1. FC Union will zurück in die Zukunft

Durch den Erfolg und den Einzug in die Champions League ging bei den Eisernen Grundlegendes verlorenen. Das soll sich in der Rückrunde ändern. 

Author - Sebastian Schmitt
Teilen
Manager Oliver Ruhnert (52) erlebt in dieser Saison beim 1. FC Union die Schattenseiten des Erfolgs.
Manager Oliver Ruhnert (52) erlebt in dieser Saison beim 1. FC Union die Schattenseiten des Erfolgs.Beautiful Sports/imago

Der 1. FC Union bibbert vor dem Spiel beim SC Freiburg (Sonnabend, 15.30 Uhr). Dabei macht den Köpenickern, die auf ein Kurzzeit-Trainingslager in wärmeren Gefilden verzichteten, nicht nur die Berliner Kälte zu schaffen, sondern vielmehr weiterhin das verlorene eiserne Selbstverständnis. Fluch des Geldes: Der 1. FC Union will zurück in die Zukunft!

Davon, wie sehr der Erfolg das Klima innerhalb einer Mannschaft verändern kann, können so manche Klubs ein Lied singen. Der Hamburger SV hat das erlebt, Werder Bremen oder auch der VfB Stuttgart. Die einstigen Schwergewichte des deutschen Fußballs stürzten früher oder später, manch einer auch direkt nach der Teilnahme an der Champions League ab.

Meist änderten sich nun mal durch den Einzug in die Königsklasse nicht nur die Ambitionen, sondern auch das Mannschaftsgefüge. Neue Stars, die viel mehr Geld verdienen als etablierte Kräfte, bringen Unruhe in die Kabine. Trotz vieler Blaupausen erlebt genau das derzeit auch der 1. FC Union.

1. FC Union ändert Einkaufsstrategie

Fakt ist: Seit Manager Oliver Ruhnert das Zepter in Köpenick schwingt, veränderte sich der Kader des 1. FC Union jeden Sommer gewaltig. Es war ein Kommen und Gehen unterschiedlichster Spieler, die aber allesamt eines gemeinsam hatten: Sie brauchten Union mindestens genauso sehr wie Union sie brauchte. So kamen Talente, die noch nichts gerissen hatten, oder ausgemusterte Profis, die ihrer Karriere neuen Schwung verleihen wollten. Meist aus kleineren Ligen, sodass bereits die große Bundesliga-Bühne Anreiz genug war.

Oliver Ruhnert stellte in den vergangenen Jahren immer einen starken Union-Kader zusammen. Diese Saison ist das nicht mehr der Fall. 
Oliver Ruhnert stellte in den vergangenen Jahren immer einen starken Union-Kader zusammen. Diese Saison ist das nicht mehr der Fall. Matthias Koch/imago

Diesen Sommer zwangen Ruhnert allein Gründe der Wettbewerbsfähigkeit, von seiner Einkaufsstrategie als Schnäppchenjäger abzuweichen und ein, eher zwei Regale höher zuzugreifen als auf der sonst üblichen Resterampe. So zog Union plötzlich aktuelle Nationalspieler wie Robin Gosens (29), alte Weltstars wie Leonardo Bonucci (36) oder eben vielversprechende Talente (aber bereits Millionäre) wie David Fofana (21)  auf Leihbasis an Land, die allesamt bereits ausgesorgt haben und – wenn es beim 1. FC Union nicht läuft – einfach weiterziehen werden. 

1. FC Union wird nicht mehr gefürchtet

Kurzum: Beim 1. FC Union hat sich durch den größten Erfolg der Klubgeschichte Entscheidendes verschoben. Die Auswirkungen sind gravierend. Die Eisernen stecken zum ersten Mal seit dem Aufstieg 2019 in der Bundesliga im Abstiegskampf. Schlimmer wiegt dabei aber die Art und Weise, wie die Köpenicker in die Krise schlingerten. Auf dem Platz fehlte die in all den Jahren zuvor von den Gegnern gefürchtete Leidenschaft, und auch abseits des Feldes schlich sich bei manchem die ein oder andere Disziplinlosigkeit ein.  

Seit dem Sommer spielen beim 1. FC Union große Namen wie Kevin Volland, Leonardo Bonucci und Robin Gosens (v.l.). 
Seit dem Sommer spielen beim 1. FC Union große Namen wie Kevin Volland, Leonardo Bonucci und Robin Gosens (v.l.). Nordphoto/imago

Dass sich das eiserne Binnenklima bereits zu Beginn der Saison veränderte, hörte man anfangs nur zwischen den Zeilen. Deutlich wurde Abwehrchef Robin Knoche erstmals im Oktober, als er nach einer weiteren, damals noch vermeidbaren Pleite maximal genervt davon sprach, dass einige einfach nicht bei der Sache wären. Knoche: „Wir können alles rauf- und runteranalysieren. Das bringt aber nichts, wenn wir Woche für Woche trotzdem immer wieder die gleichen leichten Fehler machen.“

Dass an der Wuhle derzeit etwas im Argen liegt, bestätigt auch Kevin Volland, der vor dem Duell in Freiburg mahnt: „Das Wichtigste ist, dass wir eine Einheit sind und nicht zusammenbrechen. Jeder sollte sein Ego hintenanstellen, es darf keine One-Man-Show geben.“

Union-Stürmer Kevin Volland mahnt und hofft

Volland spricht aus eigener Erfahrung, stürzte er doch bereits mit der TSG Hoffenheim und sogar mit Bayer Leverkusen nach einer erfolgreichen Saison ab: „Du kommst dann in einen Negativstrudel rein und der Druck wird immer größer.“ Eine Situation, die den derzeitigen Kader überfordert. Volland: „Ich glaube, dass viele Spieler so eine Phase vorher nicht erwartet und auch noch nie erlebt hatten.“

Hoffnung für den Neustart und die Rückrunde schöpft Volland dennoch, wenngleich das verloren gegangene eiserne Selbstverständnis selbst bei diesen Sätzen mitschwingt: „Wir haben es in den letzten Wochen wieder gut hinbekommen, eine Einheit auf dem Platz zu werden und wieder attraktiveren Fußball zu spielen. Wichtig ist, dass wir das Gefühl und den Zusammenhalt weiterhin in der Mannschaft leben und den Fokus auf das Training legen.“