Union-Kolumne

Hurra, der 1. FC Union glaubt weiter an seine Fußball-Götter!

Die Köpenicker wollen ihre Horror-Hinrunde und den Auswärtsfluch am Sonnabend beim SC Freiburg vergessen machen. 

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Nicht nur Ritter Keule glaubt weiter an die Eisernen: Der 1. FC Union will in der Rückrunde aus dem Tabellenkeller. 
Nicht nur Ritter Keule glaubt weiter an die Eisernen: Der 1. FC Union will in der Rückrunde aus dem Tabellenkeller. City-Press

Bei einer Kolumne über Fußball kommt nur Stunden nach seinem Tod an Franz Beckenbauer wohl nicht einmal derjenige vorbei, der sonst jedes Dribbling gewinnt. Was haben die Anhänger, die den Sport, der sich auf rund hundert Metern Länge und siebzig Metern Breite abspielt und vor allem in den beiden Strafräumen für Höhepunkte und Nervenkitzel sorgt, lieben, in den zurückliegenden drei, vier Jahren in Deutschland und auch international für grandiose Ball-Zauberer verloren. Wie früh zudem. Unfassbar eigentlich.

Im Herbst 2020 ist Diego Armando Maradona, auch weil er mit seiner Gesundheit erheblichen Raubbau getrieben hat, mit gerade einmal 60 Jahren gegangen; wenig später Paolo Rossi mit 64; im Herbst darauf Gerd Müller mit 75; im Januar 2022 Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner, keine drei Monate später Joachim Streich drei Tage nach seinem 71. Geburtstag; dazwischen Jürgen Grabowski; kurz nach ihm und wie er mit 77 Bernd Bransch. Im Juli 2022 verstarb Uwe Seeler im Alter von 85 Jahren, im November Jürgen Nöldner mit 81 Jahren; vor einem Jahr Pelé; im Oktober Bobby Charlton; Ende voriger Woche erst Mario Zagallo.

Beckenbauer und Co. spielen jetzt in der Himmels-Liga

Wenigstens der größte Brasilianer aller Zeiten hat mit 82 und der Engländer mit 86 ein für heutige Verhältnisse akzeptables Alter erreicht. Doch selbst bei Zagallo, der 92 geworden ist, sagt man, wenn es so weit ist, dass es vielleicht doch noch das eine oder andere Jährchen mehr hätte werden können. Beckenbauer ist mit 78 auch nicht als Methusalem gegangen.

Die beiden Stürmer Sheraldo Becker (29, l.) und David Fofana (21)sorgten in der Hinrunde immer wieder für Unruhe beim 1. FC Union. 
Die beiden Stürmer Sheraldo Becker (29, l.) und David Fofana (21)sorgten in der Hinrunde immer wieder für Unruhe beim 1. FC Union. Contrast/imago

Was wäre das nur für eine Mannschaft, die gemeinsam in der Himmels-Liga auftrumpfen würde. Elf Weltmeistertitel als Spieler kommen da zusammen, zweien, Zagallo und dem Kaiser, ist es auch als Trainer gelungen und dem brasilianischen „Professor“ zudem als Assistenztrainer. Fehlt allein ein fähiger Torhüter. Gordon Banks, Englands Keeper von 1966, auch erst fünf Jahre tot und 81 geworden, würde passen. Sie alle gelten in ihrer Heimat als unsterblich, manche, dazu zählt auch Beckenbauer, im gesamten Fußball-Globus.

Abstiegskampf: Der 1. FC Union lebt noch

Angesichts des vielfachen Abschieds nicht nur von der Bühne des Fußballs, sondern von der des Daseins, ist es nicht leicht, die Kurve zum 1. FC Union zu kriegen. Dann aber doch. Es ist alles in der Zeit passiert, die die Männer aus dem Stadion An der Alten Försterei in der Bundesliga spielen oder gerade auf dem Weg dahin waren. Natürlich reichen sie in Köpenick trotz ihres mehrjährigen Höhenfluges nicht annähernd an die Meriten der Magier des runden Leders heran. Dafür ist der mit Abstand deutlichste Unterschied ein ganz und gar elementarer, der, der alles andere unwichtig werden lässt: Die Eisernen leben!

Das 2:0 gegen den 1. FC Köln kurz vor Weihnachten lässt Spieler wie Fans des 1. FC Union auf ein Besserung hoffen.
Das 2:0 gegen den 1. FC Köln kurz vor Weihnachten lässt Spieler wie Fans des 1. FC Union auf ein Besserung hoffen.City-Press

Ausgangs des Herbstes schienen sie ein Pflegefall zu werden. Für einige wenige waren sie das bereits und wieder für andere hatte das Aus von Urs Fischer das Gefühl, dass da auch etwas gestorben war, nämlich eine einmalige und traumhafte Beziehung. Zumindest hatte es ganz viel von einem schmerzhaften Abschied.

1. FC Union will den Auswärts-Fluch in Freiburg beenden

Auch wenn Franz Beckenbauer keine Angst vor dem Tod gehabt haben will, weil er den Glauben besaß, dass auch danach noch etwas käme, halten es die eisernen Anhänger auf ganz andere Weise mit ihren Fußball-Göttern: ganz irdisch und fest verwurzelt im Hier und Heute. Dazu gehört, völlig klar, das Auftaktspiel des neuen Jahres am Sonnabend in Freiburg. Bis auf das erste, das 4:1 in Darmstadt am 26. August, haben sie die folgenden sechs um Punkte verloren. Es hätten, die Gefahr war groß, sogar sieben sein können, nur ist die Partie in München ja vom Schnee verweht worden.

Eines ist damit aber auch deutlich geworden: Ganz so unbeschwert wie in der Vergangenheit lebt es sich als Spieler des 1. FC Union nicht mehr. Selbst winzigste Verfehlungen, ein blödes Wort in aufgeheizter Atmosphäre, eine dumme Reaktion im scharfen Trainingszweikampf, ein verweigertes Abklatschen nach dem Auswechseln (na gut, das ist schon nicht mehr ganz so winzig, sondern verstößt signifikant gegen die Etikette) sind Anzeichen eines nicht mehr gar so trauten und vertrauten Zusammenseins.

Trimmel und Bonucci sind beim 1. FC Union gefragt

Deshalb wäre es schön, würden, auch wenn alle in der Pflicht sind, vor allem die krisen- und insbesondere lebenserfahrenen Haudegen vorangehen. Dazu hätte ich neben Christopher Trimmel auch noch liebend gern und gerade Leonardo Bonucci gezählt. Ich bin ganz auf der Seite von Nenad Bjelica, der dem italienischen Europameister in dem verkorkstesten Spieljahr seiner Karriere noch viel zugetraut hatte.

Hätte ich einen Wunsch frei gehabt, hieße er so: Bonucci darf unter der Bedingung gehen, dass er seinen Ausflug nach Köpenick zum guten Ende bringt. Frühestens hätte das im Sommer sein können. Nun ist er weg und kann kein eiserner Fußballgott mehr werden.