Sie war ein Superstar in der DDR. Aber die einstige Eiskunstläuferin Katarina Witt (58) fühlt sich auch im wiedervereinten Deutschland angekommen, wie sie sagt. Dennoch übt sie knallharte Kritik. DDR-Errungenschaften wie das Leistungssport- und Bildungssystem seien nach dem Ende der DDR zerstört worden. sagt sie jetzt in einem Interview. Und mit Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse in Brandenburg, Thüringen und Sachsen erklärt Witt die Gründe, warum sich nun der Osten „ein bisschen mehr aufbäumt“ als bisher.
In dem Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) nimmt Katarina Witt kein Blatt vor dem Mund. Auslöser sind die diesjährigen Olympischen Sommerspiele in Paris. Dort war Witt als Zuschauerin bei der Eröffnungsfeier und bei einigen Wettkämpfen dabei.
Auch Witt stimmt in die Kritik über das schlechte Abschneiden des deutschen Teams ein, das mit zwölf Gold-, 13 Silber- und acht Bronzemedaillen in der Länder-Medaillenwertung auf Rang zehn landete – den bisher schlechtesten Platz. „Eigentlich sind oder waren wir ja auch ein Land der großartigen Sportler“, sagt Witt. „Ein zehnter Platz im Medaillenspiegel ist ziemlich beschämend für so eine führende Sportnation, die wir mal waren.“
Das schlechte Abschneiden liege nach Witts Ansicht nicht nur an den Athleten. „Ich sehe darin ein Spiegelbild für die Situation, in der unser Land insgesamt steckt. Daran haben die Sportler selbst die geringste Schuld, es sind die Umstände, die ihnen einfach nicht das Training ermöglichen, das sie beim Kampf um die Weltspitze brauchen.“
Das jetzige Deutschland, das nun auch in der Bildung und in der Wirtschaft auf ein Mittelmaß zusteuere: „Ja, wir werden immer bedeutungsloser – leider will es die Politik weiterhin nicht wahrhaben. Wahrscheinlich sind deshalb auch die Wahlen so, wie sie sind, und deshalb bäumt sich der Osten ein bisschen mehr auf als er es bisher getan hat. Ich bin mir sicher, dass dies auch ein Ergebnis der Wendezeit ist. Erst in den letzten drei, vier Jahren wurde angefangen, unserer Vergangenheit ein bisschen mehr Beachtung zu schenken.“

Doch nur Reden über längst fällige Entscheidungen seitens der Politik helfe nicht, meint der Ex-DDR-Eisstar. Es müssten auch Taten folgen – auch im Sport. Witt erklärt, dass in ihrer aktiven Zeit „der DDR-Sport die Länderwertungen im Sommer wie im Winter entweder gewann oder zweiter wurden. Wir hatten ein sehr gutes Leistungssportsystem, das mit dem Mauerfall zerstört wurde, so wie unter anderem das Schulsystem, Kindergärten und Kinderkrippen nicht übernommen wurden.“
Beim Thema Leistungssport spricht Katarina Witt aber nicht darüber, dass in der DDR zum Großteil Sportarten gefördert wurden, bei denen die Funktionäre mit Medaillen bei Olympischen Spielen, Europa- und Weltmeisterschaften rechneten. Auch bleibt in dem Interview unerwähnt, dass im DDR-Leistungssport, genauso wie im Westen, Doping angewendet wurde, so manche Athleten Medikamente zu Leistungssteigerungen verabreicht bekamen – schon ab dem Kindesalter.
Kati Witt: Menschen wurden ausrangiert, weil sie aus der DDR waren
Doch in ihrer Kritik geht es der früheren Eisprinzessin nicht nur um den Sport. In dem NOZ-Interview beklagt sie auch den einstigen Umgang mit den Ost-Biografien. „Menschen, die eine hervorragende berufliche Ausbildung und Abschlüsse hatten, kluge, intelligente und engagierte Leute haben keinen Anschluss mehr gefunden, weil sie aus der DDR waren, wurden ausrangiert oder mussten einen Neuanfang finden“, sagt Witt. „Ich bin mir sicher, die heutige Unsicherheit und Politikverdrossenheit hängt auch damit noch zusammen.“

Um aus dem Mittelmaß herauszukommen, auch im Leistungssport, müsse mehr Geld in die Hand genommen werden. „Entweder Geld als Investition in Sportstätten, Trainer, Betreuer und somit auch mehr gesellschaftliche Bedeutung oder als Belohnung“, sagt Witt.
Und sie erklärt warum: „Wenn man, wie eine Athletin so passend äußerte, für einen Olympiasieg 20.000 Euro bekommt und für den nächsten Sieg vielleicht noch 5000, jedoch die Dschungelkrone 100.000 Euro wert ist, läuft doch etwas schief. 15 Tage emotionales nackig machen im Gegensatz zu 15 Jahren hartes und entbehrungsreiches Training für olympische Höchstleistungen.“
Kati Witt: Dschungelkrone ist mehr wert als ein Olympiasieg
Witt meint, dass niemand Leistungssportler würde, „um reich zu werden“. „Kein Kind fängt mit Eiskunstlauf oder Rudern an, weil es ans Geld denkt. Aber eine entsprechende Belohnung für Weltklasseleistungen sollte es schon geben. 50.000 oder auch 100.000 Euro sollte uns ein Olympiasieg wert sein – wie oft kann man schon Olympiasieger werden?“ Dieses Geld könnte dabei durchaus auch von Unternehmen kommen. „Ist doch wunderbar und gleichzeitig auch noch eine gute Werbung für diese Unternehmen.“
Offenbar hat Witt auch nicht vergessen, dass das Leben in der DDR seine Schattenseiten hatte – auch wenn man wie sie als Leistungssportler staatlich gefördert wurde. So wurde Kati Witt, die mit fünf Jahren mit dem Eiskunstlaufen begann, seit dem siebten Lebensjahr von der Stasi bespitzelt.
Dass die Staatssicherheit Kinder observierte: „Das hätte ich nie für möglich gehalten“, sagt Witt. „Dass aufgrund meiner internationalen Erfolge irgendwann die Stasi vor der Tür steht, war mir schon irgendwie klar. Das lief dann unter dem Motto ,Wir beschützen Dich‘. Als ich jedoch in meinen Akten gelesen habe, dass man mich schon als Kind beobachtet und Papiere angefertigt hat, war ich schon ein bisschen geschockt. Diese Energie hätte man sicher woanders besser investieren können.“
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