Abrechnung auf dem „Riverboat“

Eis-Star Katarina Witt: Es wurde zu wenig von der DDR übernommen!

Die Eiskunstläuferin war jetzt in der MDR-Talkshow zu Gast. Sie berichtete, wie sie den Mauerfall und die Folgen erlebte – und schlug kritische Töne an.

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Katarina Witt war am Freitag auf dem Riverboat im MDR zu Gast - und erzählte hier davon, wie sich das Leben der Menschen im Osten nach dem Mauerfall veränderte.
Katarina Witt war am Freitag auf dem Riverboat im MDR zu Gast - und erzählte hier davon, wie sich das Leben der Menschen im Osten nach dem Mauerfall veränderte.Star-Media/imago

Vor 35 Jahren fiel die Berliner Mauer – und jeder, der das historische Ereignis miterlebte, hat heute eigene Erinnerungen an die Nacht der Nächte. Während manche feiern, denken aber auch viele Menschen im Osten daran zurück, wie es sich anfühlte, dass die DDR einfach so verschwand – das Land, das vor der Wende ihr Leben war. Am Freitag war Eiskunstlauf-Star Katarina Witt in der Talkshow „Riverboat“ zu Gast, berichtete dort, wie sie den Mauerfall erlebte – und schlug auch kritische Töne an.

Eis-Star Katarina Witt war gerade in Spanien, als die Mauer fiel

Wo waren SIE, als die Mauer fiel? Jeder, der die Nacht der Nächte erlebte, kann diese Frage klar beantworten. Auch Eiskunstlauf-Star Katarina Witt: Sie verpasste das Ereignis geradezu, weil sie zum Zeitpunkt des Mauerfalls in Spanien war. Zu jener Zeit habe sie den Sportfilm „Carmen on Ice“ gedreht.  Sie habe schon vorher das große Glück gehabt, als Leistungssportlerin reisen zu dürfen – „wir durften als Athleten reisen zu den Wettkämpfen“. Als Sportler sei man meist „im Tunnel“ und ausschließlich konzentriert auf den Wettkampf – aber natürlich habe sie auch Dinge sehen und erleben können. Trainerin Jutta Müller etwa besichtigte mit ihr den Eiffelturm in Paris, weil unklar war, ob und wann sie ihn jemals wurde wieder sehen könnten.

Als die Mauer fiel, hatte Katarina Witt gerade einen Nacht-Dreh, berichtete sie schon vor Jahren in einem Interview mit der „FAZ“. Um drei Uhr morgens sei der Produzent ans Set gekommen, habe gesagt: „Mensch, die Mauer ist gefallen!“ Ungläubig hätten sie und andere „Hä, was?“ gefragt. „Natürlich hatte ich die Demos und Proteste im Sommer ’89 mitbekommen, trotzdem geschah das alles so überraschend. Als ich dann frühmorgens mit dem Auto Richtung Hotel gefahren bin, schoss mir durch den Kopf: Wow, was ist da gerade passiert? Und: Wie soll das weitergehen?“

Katarina Witt bei einem Fotoshooting im Jahr 1982.
Katarina Witt bei einem Fotoshooting im Jahr 1982.Werner Schulze/imago

Wie es für viele Menschen weiterging, beschreibt sie auf dem „Riverboat“: „Es haben sich alle Biografien verändert“, sagt sie. „Im Osten waren wir 17 Millionen – aber es stand kein Stein mehr auf dem anderen, für jeden von uns.“ Für junge Leute sei es ein großes Glück gewesen, sie hätten ihre Träume ausleben können. Sie habe anschließen und als Eisläuferin weitermachen können, durch den Mauerfall ihr Können etwa nach Amerika bringen. „Für unsere Generation war für viele das Tor der weiten Welt offen. Aber die Generation unserer Eltern – das war schon schwierig.“ Es habe viel Freude gegeben, viel Vorfreude auf das Neue. „Man wusste ja gar nicht, was passiert“, sagt Katarina Witt. Erst die Zeit habe dann negative Seiten gezeigt.

Abrechnung mit der Wende: „Dir wird eigentlich alles aus der Hand genommen“

„Dir wird eigentlich alles aus der Hand genommen“, sagt sie. „Für diese Generation denke ich schon, dass man viele auch wirklich um die Früchte ihrer Arbeit gebracht hat.“ Viele, die studierten, hätten es schwierig gehabt, danach in ihren Berufen zu arbeiten. Andere wiederum hätten ein neues Glück gefunden. „Es sind auch ganz viele neue Biografien entstanden, logischerweise.“

Sie selbst habe als Eiskunstläuferin in Deutschland beruflich nichts machen können, konnte dafür aber in Amerika durchstarten, arbeitete jahrelang dort. Trotzdem kehrte sie zwischendurch immer wieder nach Deutschland zurück. „Ich wollte wissen: Wie geht es hier vorwärts?“ Von ihrer Wohnung konnte sie im Sommer aus immer wieder beobachten, wie sich der Potsdamer Platz veränderte. Sie habe sich zuerst entwurzelt gefühlt, sei erst 1994 mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen in Deutschland angekommen.

Katarina Witt gehörte am Freitag zu den Gästen auf dem MDR-Riverboat.
Katarina Witt gehörte am Freitag zu den Gästen auf dem MDR-Riverboat.Star-Media/imago

Katarina Witt: Das Sport-System der DDR wurde nach der Wende zerstört

Kritik übt sie heute auch daran, dass das Sport-System des Ostens zerstört wurde. „Viele Trainer sind nicht übernommen worden, viele sehr gute Weltklasse-Trainer.“ Viele seien ins Ausland gegangen, wo die entsprechenden Mannschaften dann nach und nach besser geworden seien. Man habe es nicht geschafft, die guten Dinge und die Erfahrungen, die im Osten gemacht wurden, mitzunehmen. Das könne man auch auf andere Bereiche übertragen. „Es gab einfach viele Dinge, die eigentlich funktioniert haben, die gut waren und von denen wir auch heute noch profitieren, weil wir dadurch sehr viele gute Werte mitbekommen haben“, sagt sie. Davon sei nicht genug übernommen worden – man habe sich nicht hingesetzt und gemeinsam überlegt, was man voneinander lernen kann.

Auch in einem Interview mit der Zeitung „taz“ hatte sich Katarina Witt schon einmal dazu geäußert. „Es kam niemand und hat die Ostdeutschen an die Hand genommen. Unsere Kompetenzen waren nicht mehr gefragt“, sagte sie. „Die wenigsten waren ja Unternehmer, wir waren eher Macher, so haben wir das gelernt. Wir kamen aus einem Land, in dem – entschuldigen Sie den Ausdruck – aus Mist Bonbons gemacht wurde. Dinge wurden gelöst.“ Diese Generation habe nach dem Mauerfall um alles kämpfen müssen. „Das ist das Problem heute: Diese Menschen fühlen sich zweitklassig behandelt.“ ■

Wie betrachten Sie den Mauerfall und die Auswirkungen? Stimmen Sie Eiskunstlauf-Star Katarina Witt zu – oder sehen Sie es anders? Schreiben Sie uns! Wir freuen uns auf Ihre Mails an wirvonhier@berlinerverlag.com!