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Geheimplan: Der Osten Deutschlands bereitet sich auf den Krieg vor

Im Verteidigungsfall müssen Nato-Truppen schnell nach Osteuropa verlegt werden. Das einstige DDR-Gebiet spielt dabei eine wichtige Rolle.

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Schützenpanzer auf einer Autobahn
Schützenpanzer auf einer Autobahnserienlicht/imago

Deutschland bereitet sich auf den Krieg vor. Seit Monaten gibt es ein Dokument, in dem nicht nur steht, wie die Bundeswehr sich zu verhalten hat, wenn der Bündnis- beziehungsweise Verteidigungsfall eintritt. Im „Operationsplan Deutschland“ wird auch auf über 1000 Seiten dargelegt, welche „gesamtstaatlichen Aufgaben“ auf die Bürger zukommen, auch auf die, die keine Uniform tragen. Die Details sind geheim. Nicht aber, dass der Osten Deutschlands zu einem wichtigen Aufmarschplatz im Kriegsfall werden wird, durch den Nato-Truppen durchmarschieren sollen.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat vor drei Jahren die Sicherheitslage in Europa verschärft. Der „Operationsplan Deutschland“ ist daher  Teil eines größeren Nato-Konzeptes, das nicht nur zur Abschreckung möglicher Aggressoren gedacht ist .

Ein Zug mit Panzern der US-Armee fährt durch den Bahnhof Magdeburg-Sudenburg Richtung Osten (2022).
Ein Zug mit Panzern der US-Armee fährt durch den Bahnhof Magdeburg-Sudenburg Richtung Osten (2022).Peter Gercke/dpa

Der Plan sieht vor, „im Falle einer Zuspitzung der sicherheitspolitischen Lage sehr schnell große Truppenkontingente der Nato an die Ostflanke des Bündnisses zu verlegen“, heißt es dazu in einer Info-Broschüre der Bundeswehr. Die wesentliche Aufgabe Deutschlands besteht darin, „als Drehscheibe Deutschland den Aufmarsch und die Versorgung verbündeter und eigener Streitkräfte gesamtstaatlich sicherzustellen“. Zu dieser Drehscheibe gehören weite Teile der einstigen DDR.

Denn der Osten Deutschlands spielt eine strategisch wichtige Rolle in den Planspielen, sollte es zum Ernstfall kommen und ein östliches Land angegriffen würde. Würde dieser Alarm ausgelöst, müssten Nato-Truppen unter an anderem durch Sachsen-Anhalt. Sie würden die „Ostflanke“ nutzen, um etwa nach Polen zu kommen.

Das erklärte jüngst Thorsten Alme, Kommandeur im Landeskommando Sachsen-Anhalt, dem MDR. „Wir müssen uns vorstellen, dass die Marschbewegungen schon erheblichen Umfang haben. Die Nato-Planungen sehen vor, zur Abschreckung bis zu 800.000 Soldaten zu verlegen, inklusive etwa 300.000 bis 400.000 Kraftfahrzeuge“, sagt er.

Die Bundeswehr übt mit Schützenpanzern des Typs „Marder“ an der Elbe in Sachsen-Anhalt.
Die Bundeswehr übt mit Schützenpanzern des Typs „Marder“ an der Elbe in Sachsen-Anhalt.Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Im Klartext: Zu Truppenverlegungen durch Ostdeutschland kann es schon zu Friedenszeiten kommen. Unter anderem, wenn dort auf Truppenübungsplätzen der Kriegsfall trainiert wird. Dazu gehört auch das Gefechtsübungszentrum des Heeres in der Colbitz-Letzlinger Heide. 2024 fand hier ein Teil der großen Nato-Übung „Steadfast Defender“ statt.

Geheimer Operationsplan: Teile der einstigen DDR werden zur Drehscheibe für Nato-Truppen

Und die Truppenkolonnen, deren geheime Streckenverläufe in dem „Operationsplan“ schon stehen, werden nicht nur mal so durch Ostdeutschland fahren. Es geht ja schließlich auch darum, wir erinnern uns, auch „die Versorgung verbündeter Streitkräfte gesamtstaatlich sicherzustellen“.

Denn die Nato-Truppen werden Pause einlegen. Daher werden im Osten sogenannte Convoy-Support-Centern (CSC) eingerichtet, in denen sich die Truppen ausruhen sollen, wie Kommandeur Alme in dem MDR-Beitrag berichtet.

Diese Center sind wie Mini-Städte, verfügen Unterkünfte, Sanitäranlagen und Verpflegungseinrichtungen sowie Verkaufseinrichtungen und Betankungsmöglichkeiten. Von Zivilisten sollen sie betrieben werden. Und: Institutionen wie Polizei, Ordnungsbehörden oder auch das Technische Hilfswerk müssen mithelfen, so der Kommandeur.

Auch in Thüringen laufen ähnliche Vorbereitungen, den „Operationsplan Deutschland“ umzusetzen. Aber es geht nicht nur um Truppen-Transporte, sondern auch um die Sicherstellung der nationalen Verteidigung.

Operationsplan Deutschland: In Berlin sitzt das Führungskommando

Käme es zu einem Verteidigungs- beziehungsweise Bündnisfall, wäre die Panzergrenadierbrigade 37 mit die erste, die in Thüringen zum Einsatz kommt, erklärt Oberstleutnant Claus Richter dem MDR, Sprecher des dortigen Bundeswehr-Landeskommando. Die Brigade hat Bataillone in Gera, Bad Salzungen, Gotha und Bad Frankenhausen.

Auch Sachsen kommt in dem Geheimplan eine entscheidende Rolle bei den Truppenverlegungen zu. „Wir haben internationale Flughäfen, wir haben Autobahnen und Bundesstraßen, ein dichtes Schienennetz, Grenzübergangspunkte zu zwei verbündeten Nachbarstaaten, Rast- und Sammelräume und vieles mehr“, sagte  Oberstleutnant Robert Habermann dem MDR, Bundeswehrsprecher beim Landeskommando Sachsen.

Die Julius-Leber-Kaserne in Berlin: Hier sitzt das Operative Führungskommando für den „Operationsplan Deutschland“.
Die Julius-Leber-Kaserne in Berlin: Hier sitzt das Operative Führungskommando für den „Operationsplan Deutschland“.Metodi Popov/imago

Und in Berlin und Brandenburg? Auf den Truppenübungsplätzen der Hauptstadtregion wird es ebenfalls vermehrt zu Übungen kommen. Auch das Autobahn- und Straßennetz sowie Eisenbahnstrecken werden mit großer Wahrscheinlichkeit für Militärtransporte auf der sogenannten„ Ostflanke“ genutzt.

Nicht mehr geheim ist: Das Operative Führungskommando befindet sich in Berlin. In der Julius-Leber-Kaserne wurde es vor wenigen Tagen in den Dienst gestellt. Noch-Verteidigungsminister Boris Pistorius: „Wir müssen für den Schutz und die Sicherheit unseres Landes die richtigen Weichen stellen.“ ■