Der Bruch der Ampel-Regierung und die Ausrufung von Neuwahlen für den kommenden März kommt für politische Beobachter nicht überraschend: Über das Szenario, die SPD könnte nach den Bürgerschaftswahlen in Hamburg, die am 2. März 2025 stattfinden, zeitnah vorgezogene Bundestagswahlen anpeilen, wurde nicht nur in politischen Kreisen gemunkelt, sondern auch laut in Polit-Podcasts gesprochen, in Blogs und Zeitungen geschrieben. Die SPD erhofft sich nämlich durch die Hamburg-Wahlen Aufwind; deren Spitzenkandidat Tschentscher rechnet sich gute Chancen aus, als Erster Bürgermeister im Amt bestätigt zu werden.
Auch dass die FDP mit dem Positionspapier des nun gefeuerten Bundesfinanzministers Christian Lindner gezielt den Bruch der Ampel-Koalition provozieren wolle, galt bereits seit Tagen als wahrscheinlich. Das nachvollziehbare Motiv: Da die Liberalen in sämtlichen Meinungsumfragen mit Werten zwischen 3 und 4,5 Prozent desaströs dastehen, befürchtet die Partei, bei einem ‚Weiter so‘ komplett und für lange Zeit unterzugehen.
Union und FDP stehen sich inhaltlich nahe, aber keine Mehrheit für Koalition in Sicht
CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte die Ausstiegs-Sehnsucht der Liberalen bestärkt, indem er Lindners radikale Wirtschafts-Forderungen nicht nur lobte, sondern giftete, der FDP-Chef habe zum Teil wörtlich aus CDU-Anträgen abgeschrieben.
Bürgergeld abschaffen, weniger Klimaschutz, Schuldenbremse nicht aufweichen: Die Forderungen von Union und FDP überschneiden sich, aber eine Mehrheit für Schwarz-Gelb ist weit und breit nicht ihn Sicht. Die Union könnte sich bei aktuellen Umfragewerten von bis zu 33 Prozent einen oder mehrere Koalitionspartner aussuchen. Doch das Kalkül der FDP, die Sympathien würden ihnen durch den Bruch der Koalition zufliegen, dürfte kaum aufgehen – vielmehr droht den Liberalen, dass sie für längere Zeit nicht mehr im Parlament sitzen werden.
Die andere Ampel-Partei, die derzeit nicht gut dasteht, sind die Grünen. Erhebliche Teile der Union liebäugeln zwar weiter mit einer schwarz-grünen Koalition, doch die einstige Öko-Partei fällt bei schwachen, nur noch knapp zweistelligen Umfragewerten als möglicher Koalitionspartner der Union aus. Zudem haben führende Unionspolitiker wie Merz und Söder wesentlich dazu beigetragen, die Grünen als das größte Problem des Landes dastehen zu lassen.
Wäre eine Koalition von CDU/CSU mit der AfD denkbar?

Rechnerisch könnte es knapp für zwei Konstellationen reichen: 1. CDU/CSU koalieren mit der AfD oder lassen sich von der in weiten Teilen rechtsextremen Partei dulden. Damit könnte die Union theoretisch ihren Unvereinbarkeitsbeschluss umschiffen, der eine Zusammenarbeit sowohl mit Linken als auch mit der AfD kategorisch ausschließt. Doch CDU-Parteichef Merz hat sich bereits ausdrücklich gegen jede Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen; für erhebliche Teile der Union wäre eine schwarz-blaue Koalition undenkbar.
Bleibt letztlich 2. eine Neuauflage der ungeliebten schwarz-roten Koalition. Derzeit kämen Union und SPD zusammen auf knapp 50 Prozent, doch anders als Grüne und FDP könnten beide Parteien von der unübersichtlichen Situation profitieren. Der CDU/CSU traut man Führung zu, und da sie sich unter Merz sehr rechts aufstellt, könnte das den einen oder anderen AfD-Sympathisanten zur Union treiben. Die AfD selbst hat anders als die Union aus dem Ampel-Chaos bislang kaum profitiert. Sie liegt mit 16 bis 18 Prozent zwar deutlich vor der anderen populistischen Protestpartei, dem BSW. Beide Parteien eint, dass derzeit niemand mit ihnen auf Bundesebene koalieren will, und beide zusammen kämen derzeit maximal auf 27 Prozent. Selbst wenn es ihnen gelänge, weitere Protestwähler zu mobilisieren, wird es absehbar für eine Regierungsbeteiligung nicht reichen.
Die SPD wiederum hat in der Krise Führung gezeigt, den extrem unbeliebten Finanzminister Lindner gefeuert und dessen Partei ausmanövriert. Wer hätte das Kanzler Scholz zugetraut? Doch auch seine Beliebtheitswerte liegen im Keller. Deutschlands beliebtester Politiker bleibt SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius. Mit ihm als Spitzenkandidat könnte die SPD deutlich zulegen, doch der Abstand zur Union scheint derzeit kaum einholbar. Eine andere Option als an der Seite der Union scheitert aus Sicht der SPD vor allem an der Schwäche der Grünen – beide zusammen kämen aktuell gerade einmal auf 27 Prozent, und auch mit einer erstarkenden SPD würde es absehbar für eine Koalition nicht reichen. ■