Klage gegen Behörde

Geleakter AfD-Bericht: Darum hält ihn der Verfassungsschutz geheim!

Wirbel um einen geheimen Bericht über die AfD! Der Verfassungsschutz hält ein Gutachten zurück, das den Druck auf die rechtspopulistische Partei erhöhen würde. Hundertausende fordern: Rückt das Papier raus!

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AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in Neu-Isenburg
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in Neu-Isenburgimago/HMB-Media/Marco Bader

Das Bundesamt für Verfassungsschutz steht unter Druck. Anlass: Ein brisantes Gutachten zur rechtsnationalen AfD, das die Behörde eigentlich Ende letzten Jahres veröffentlichen wollte, seitdem aber zurückhält. Was steckt dahinter?

Seit sechs Jahren trägt das Bundesamt für Verfassungsschutz öffentlich einsehbare Informationen zusammen, um zu prüfen, ob die 2013 gegründete Alternative für Deutschland (AfD) in ihrer Gesamtheit verfassungsfeindlich ist. Hunderte Social-Media-Posts, Youtube-Videos und belastbare Informationen wurden 2021 zu einem 1000 Seiten langen Bericht zusammengefasst, der damals in Teilen öffentlich wurde. Der gesamte AfD-Bericht blieb weiter geheime Verschlusssache, wurde aber am Montag von der Demokratieplattform netzpolitik.org geleakt, also entgegen der Intention der Behörde veröffentlicht.

Was bedeutet geleakt, was ist ein Leak?
Ein Leak ist die nicht autorisierte, also geleakte Veröffentlichung von internen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Informationen, die in der Regel brisante Details beinhalten. Diese können von einem Insider durchgestochen werden, was von Behörden oder Unternehmen als Indiskretion oder sogar als strafrechtlich relevanter Geheimnisverrat angesehen werden kann.
Leaks können auch durch Hacker auf unzureichend gesicherten Servern gefunden werden.
Das Wort Leak wurde weltweit durch die umstrittene Plattform Wikileaks von Julian Assange und den Whistleblower Edward Snowden populär, der 2013 Massenüberwachungsprogramme des US-Inlandsgeheimdienstes NSA öffentlich machte und inzwischen russischer Staatsbürger ist.

AfD-Geheimbericht: Geleaktes Gutachten schlägt hohe Wellen

Die Inhalte des 1000-Seiten-Berichts waren eigentlich nicht neu, sie hatten 2021 zur Hochstufung der AfD vom „Prüffall“ zum „Verdachtsfall“ geführt. Dennoch schlug die Veröffentlichung am Montag hohe Wellen – auf der Facebook-Seite des Berliner Kuriers wurde der Verfassungsschutz aus unterschiedlichen Motiven heraus heftig kritisiert.

Doch das Bundesamt für Verfassungsschutz steht seit vielen Jahren in der Kritik sowohl von Linken als auch Rechten, hat sich nun auch juristischen Ärger eingehandelt: Das Medienhaus Correctiv will mit einer Eilentscheidung vor dem Kölner Verwaltungsgericht erreichen, dass die Behörde Auskunft zum aktualisierten AfD-Bericht gibt. Das Investigativ-Portal verspricht sich damit eine gerichtliche Feststellung, dass die AfD gesichert rechtsextrem und verfassungsfeindlich ist.

AfD-Geheimbericht: Könnte er ein Verbot der Partei bewirken?

Das wiederum wäre ein entscheidendes Argument für ein mögliches Verbot der Partei durch das Bundesverfassungsgericht. Doch dieses kann darüber erst entscheiden, wenn die Bundesregierung, der Bundesrat oder der Bundestag mit einer Prüfung beauftragt. Tatsächlich wurde ein entsprechender Gruppenantrag im Bundestag vergangenen Freitag in den Innenausschuss verwiesen – dort vertreten sind auch Abgeordnete der AfD. Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, dass es in der letzten Sitzungswoche des Bundestag noch zu einer Abstimmung über den Antrag kommt – wenn nicht, müsste der Antrag im neuen Parlament erneut eingebracht werden.

Flankierend zur Correctiv-Klage gegen den Verfassungsschutz fordert eine Petition: „Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, unsere Demokratie zu schützen und geben Sie ein klares Statement zur AfD ab!“ Fast 400.000 Unterschriften hat die Initiatorin Stand Dienstag bereits eingesammelt.

Ursprünglich wollte der Verfassungsschutz den offenbar fertiggestellten Bericht bereits Ende 2024 veröffentlichen. Dann brach im November 2024 die Ampelregierung auseinander - und Thomas Haldenwang entschied sich dazu, für die CDU in seinem heimischen Wahlkreis Wuppertal zu kandidieren. Völlig unerwartet schied Haldenwang aus der Behörde aus; diese wird seitdem kommissarisch von seiner Stellvertreterin Silke Willems sowie Sinan Selen geleitet. Haldenwang erklärte später, die Kandidatur habe er lange geplant – allerdings für einen regulären Wahltermin im Herbst 2025.

AfD-Geheimbericht: Verfassungsschutz pocht auf Neutralität: nur eine Ausrede??

Die Veröffentlichung des AfD-Berichts im zeitlichen Zusammenhang mit der Kandidatur Haldenwangs für die CDU hätte jedoch allzu sehr nach Wahlbeeinflussung gerochen. Die Behörde argumentierte mit ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur staatlichen Neutralität und Mäßigung in Zeiten des Wahlkampfes – viele Verfassungsexpertinnen und -experten sind jedoch der gegenteiligen Auffassung: Der Verfassungsschutz sei gerade wegen der Brisanz des Vorgangs dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren.

Ob es aber tatsächlich irgendwelche Auswirkungen auf das Abschneiden der AfD hätte, ist zweifelhaft: Wer sie wählt, weiß, dass sie fremden- und demokratiefeindliche Positionen vertritt. Dies hält Millionen Deutsche nicht davon ab, ihr Kreuz bei einer solchen Partei zu machen – diese Haltung werden Menschen wohl kaum ablegen, weil ein Gericht feststellt, was ohnehin jedermann weiß. ■