In Berlin rücken Messerattacken zunehmend in den Fokus der Politik. Der Psychiater Andreas Heinz äußert sich dazu, wie solche Angriffe eingedämmt werden können und welche Hilfe die Opfer benötigen.
In letzter Zeit gab es in Berlin eine drastische Zunahme von Messerangriffen, was das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung beeinflusst. Der Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité, Andreas Heinz, betont im „RBB“-Interview, dass die Reaktionen der Menschen stark davon abhängen, wie solche Vorfälle aufgearbeitet werden und wie die Gesellschaft insgesamt darauf reagiert. Er zieht einen Vergleich zu den USA, wo nach Schusswaffenangriffen oft mehr Menschen bewaffnet sind, was wiederum das Risiko von Waffeneinsätzen erhöht. Diese Gewaltspirale sei ein komplexer Prozess, bei dem Soziologen gefragt sind. Heinz stellt fest, dass durch die zunehmende Verbreitung von Messern auch die Hemmschwellen sinken, was zu einer höheren Einsatzwahrscheinlichkeit führt.
Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) fordert strengere Regulierungen für Messer, darunter auch ein Verbot von Springmessern. Heinz findet diese Forderung nachvollziehbar, weist jedoch darauf hin, dass man auch mit einem einfachen Küchenmesser jemanden angreifen könne. Ein solches Verbot sei daher schwer zu kontrollieren und umzusetzen, dennoch hält er den Ansatz für richtig.
Täter von Messerattacken überwiegend NICHT psychisch krank
Weitere Maßnahmen zur Eindämmung von Messerattacken sieht Heinz in der Gewaltprävention und Aufklärung in Schulen. Es gebe in diesem Bereich noch viel Potenzial, etwa durch Trainings und Gespräche über Konfliktbewältigung. Auch die Berliner Forensik, also der Maßregelvollzug für Menschen, die aufgrund psychischer Probleme Gewalttaten begehen, ist laut Heinz ein Problemfeld. Diese Einrichtungen seien unterausgestattet und überbelegt, was die Situation verschärfe.

Heinz betont, dass es ein Trugschluss sei, zu glauben, dass die Täter von Messerattacken überwiegend psychisch krank seien. Menschen mit psychischen Erkrankungen verübten in der Regel weniger Gewalttaten, da sie oft Angst hätten und selbst Opfer würden. Dennoch sei der Umgang mit psychisch erkrankten Menschen, die gewalttätig werden könnten, besonders in Berlin derzeit problematisch. Auf die Frage, ob man sich vor Messerattacken schützen könne, verweist Heinz darauf, dass Deutschland im internationalen Vergleich eine relativ niedrige Rate an Gewaltkriminalität aufweise.
Allerdings steige die Zahl der Gewaltverbrechen mit Messern, weshalb Präventionskurse und Aufklärung in Schulen sinnvoll wären. Auch ein Verbot bestimmter Messer könnte dazu führen, dass weniger Menschen solche Waffen bei sich tragen und im Streit einsetzen. Er betont dabei, dass besonders Männer zu Gewalttaten neigen, denn neun von zehn Gewalttaten würden von ihnen begangen.
Einfluss von Alkohol auf Gewalttaten mit Messern
Ein weiterer Aspekt, den Heinz anspricht, ist der Einfluss von Alkohol auf Gewalttaten. In Deutschland würden etwa die Hälfte aller Gewalttaten unter Alkoholeinfluss verübt. Heinz schlägt vor, dass eine bessere Regulierung des Alkoholkonsums, etwa durch eine Erhöhung des Mindestalters beim begleiteten Trinken, hilfreich sein könnte. Auf die Frage, ob Opfer von Messerattacken dazu neigen, sich zu bewaffnen oder Pfefferspray zu tragen, antwortet Heinz, dass dies bei ihnen ähnlich sei wie bei anderen Menschen. Es bestehe die Tendenz, dass nach einem Angriff mehr Waffen getragen werden, was allerdings zu einer Erhöhung der allgemeinen Gefahr führen könne.
Messerattacken hinterlassen bei den Opfern oft tiefe Spuren. Sie sind in der Regel traumatisiert, das Erlebte kann in Form von Erinnerungen oder Albträumen wiederkehren. Dies kann dazu führen, dass die Betroffenen bestimmte Situationen meiden, weil sie große Angst haben. Heinz betont die Bedeutung sozialer und gesellschaftlicher Unterstützung für die Opfer. Je vereinsamter ein Mensch sei, desto schwieriger gestalte sich die Bewältigung des Erlebten. Es gibt verschiedene Hilfsangebote, wie etwa im Hedwig-Krankenhaus, wo Opfer von Gewalt unkompliziert Unterstützung im Umgang mit Traumatisierungen erhalten können.
Auch andere Rettungsstellen und Ämter bieten Hilfe an. Gesellschaftliche Unterstützung sei deshalb so wichtig, weil Traumatisierungen umso stärker wirken, je isolierter die Betroffenen sind. Erlebt man eine Naturkatastrophe gemeinsam mit anderen, sei die Traumatisierung oft geringer, als wenn man allein Opfer einer Gewalttat wird. Dabei hänge die Verarbeitung aber auch von der individuellen Person ab. ■