In Deutschland wird nach der tödlichen Messerattacke in Solingen intensiv über die Zunahme von Gewalt und die steigende Zahl solcher Vorfälle diskutiert. Insbesondere wird über Messerverbotszonen und das Verbot langer Messerklingen debattiert. Ricardo Lange, ein Intensivpfleger, der in verschiedenen Berliner Krankenhäusern arbeitet, beschreibt aus seiner täglichen Praxis, dass die Brutalität und die Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben.
Lange, der als Fachkraft auf vielen Berliner Intensivstationen tätig ist, hat den Eindruck, dass die Zahl der Messerstich-Verletzungen in den letzten Jahren gestiegen ist, berichtet er im Interview mit der „Berliner Zeitung“. Dies bestätigen auch seine Kollegen. Zudem beobachtet er immer häufiger schwere Gewalteinwirkungen gegen den Kopf.
Oftmals sind die Opfer junge Männer, die entweder selbst angegriffen wurden oder versucht haben, jemanden zu schützen. Besonders besorgniserregend findet Lange die Tatsache, dass Täter oft weiterhin auf ihre Opfer eintreten, selbst wenn diese bewusstlos am Boden liegen.
Die Folgen solcher Angriffe sind verheerend: Gehirnschäden, die zu lebenslangen Beeinträchtigungen führen können, sind keine Seltenheit. Ein besonders dramatischer Fall, den Lange schildert, betrifft einen jungen Mann, der auf der Intensivstation landete, nachdem er versucht hatte, eine Frau vor einer Gruppe junger Männer zu schützen. Nach mehreren Schlägen verlor er das Bewusstsein, doch die Angreifer setzten ihre Gewalt fort.
Messer-Attacken und Tritte gegen den Kopf
Der Zustand des Patienten bei der Aufnahme auf die Intensivstation war äußerst kritisch: „Durch Tritte gegen den Kopf hatte er ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und Hirnblutungen. Ein Teil des Schädelknochens musste herausoperiert werden, damit das angeschwollene Gehirn Platz bekam und so der Hirndruck gesenkt werden konnte“, sagte Lange der „Berliner Zeitung“.
Lange berichtet auch von Verletzungen durch Messer, die er auf Intensivstationen erlebt hat. Ein besonders schockierender Fall betraf einen jungen Mann, dessen Gesicht regelrecht aufgeschnitten war. „Der Patient sah wirklich sehr schlimm aus. So, als ob jemand versucht hätte, ihm ein Lächeln ins Gesicht zu schneiden“, so Lange.

Verletzungen im Halsbereich seien zwar selten, aber häufig gibt es Stichwunden an den Extremitäten und im Bauchbereich, weil die Opfer versuchten, den Angriff abzuwehren. Lange erinnert sich auch an eine bedrohliche Situation in der U-Bahn, bei der er Zeuge wurde, wie ein junger Mann mit einer Stichwunde am Bauch versuchte, diese notdürftig zu versorgen. Der Vorfall verdeutlicht die rasche Eskalation von Gewalt im öffentlichen Raum.
Angesichts der Diskussion über ein Verbot von Messern mit Klingen, die länger als sechs Zentimeter sind, zeigt sich Lange übrigens skeptisch. Er betont, dass auch kürzere Klingen tödliche Verletzungen verursachen können, insbesondere wenn gezielt auf lebenswichtige Bereiche wie den Hals oder die Leiste gestochen wird. Aus seiner Sicht gibt es keinen vernünftigen Grund, überhaupt ein Messer mit sich zu führen.
Hemmschwelle bei Messer-Attacken sinkt
Lange berichtet weiter, dass er zwar keine tödlichen Messerattacken in Erinnerung habe, jedoch schon Zeuge von Todesfällen durch Gewalt gegen den Kopf wurde. Die Überlebenden solcher Angriffe tragen oft schwerwiegende Folgen wie Lähmungen oder Sprachstörungen davon.
Die sinkende Hemmschwelle, Gewalt auszuüben, macht sich auch im Krankenhaus bemerkbar. Lange erzählt von Situationen, in denen Ärzte oder Pflegekräfte bedroht wurden, insbesondere in Notaufnahmen. Er selbst wurde bei einem Dienst in einer Rettungsstelle bedroht, als ein Patient ungeduldig wurde und schließlich handgreiflich wurde. Die Situation eskalierte so weit, dass der Patient des Hauses verwiesen werden musste und Lange mit einer Messerattacke nach Feierabend bedroht wurde. Zum Glück war der Täter verschwunden, bevor er seine Drohung wahrmachen konnte.
Auch Schussverletzungen hat Lange in seiner Karriere bereits erlebt. Ein besonders brisanter Fall betraf einen Mann, den die Polizei mit einem gezielten Schuss außer Gefecht setzte, da er mit einem gefährlichen Gegenstand auf Passanten und Polizisten losging. Trotz einer erfolgreichen Operation im Krankenhaus zeigte der Mann nach dem Erwachen aus dem künstlichen Koma aggressives Verhalten gegenüber dem Pflegepersonal.
Langes Erfahrungen zeichnen ein düsteres Bild der Situation in Berlin. Sie unterstreichen vor allem eins: die Dringlichkeit der Diskussion über Gewaltprävention und Sicherheitsmaßnahmen im öffentlichen Raum. ■