KURIER-Kommentar

Lieber Senat, warum reißt Ihr unsere Ost-Geschichte ab und nicht das ICC?

DDR-Erbe weg, West-Beton bleibt! Der Senat reißt das SEZ ab – doch das marode ICC kostet Millionen und steht weiter leer. Ein Skandal für Berlin!

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Die Abriss-Kugel am ICC im Westen Berlins, wie hier auf unserer Bildmontage: Ja, warum reißt der Senat das DDR-Spaßbad SEZ und nicht das ICC ab?
Die Abriss-Kugel am ICC im Westen Berlins, wie hier auf unserer Bildmontage: Ja, warum reißt der Senat das DDR-Spaßbad SEZ und nicht das ICC ab?Sepp Spiegl/imago, BK-Montage: Salvatore Saba

Lieber Senat von Berlin! Der einstige Regierende Willy Brandt (1913–1992) würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen würde, was ihr so treibt! „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört“, sagte er 1989 nach dem Fall der Mauer, die einst unsere Stadt in Ost und West trennte. 36 Jahre später zeigen Berlins Senatoren, dass diese Mauer noch steht! Denn im Osten der Stadt reißt man nun mit dem SEZ eines der letzten DDR-Bauten ab, während man im Westen das asbestverseuchte ICC stehen lässt.

Vom Palast der Republik, dem Ahornblatt bis zum Palasthotel: In den vergangenen Jahren hat man ein markantes DDR-Gebäude nach dem anderen aus dem Herzen der östlichen Berliner Mitte abgerissen. Gewollt von der Politik und widerspruchslos genehmigt vom jeweiligen Berliner Senat.

Protest am SEZ: Rund 200 Menschen demonstrierten vor einer Woche gegen den Abriss des einstigen DDR-Spaßbades, den der Senat durchsetzen will.
Protest am SEZ: Rund 200 Menschen demonstrierten vor einer Woche gegen den Abriss des einstigen DDR-Spaßbades, den der Senat durchsetzen will.Norbert Koch-Klaucke/Berliner KURIER

Und nun macht der abrisswütige Bausenator Christian Gaebler (SPD) weiter mit dem DDR-Spaßbad SEZ. Was das in den Augen vieler Berliner aus dem Osten der Stadt ist? Eine Frechheit! „Ich finde, es ist eine Frechheit, dass all diese DDR-Gebäude abgerissen worden und werden“, schreibt uns eine KURIER-Leserin. „Es ist ein Raub unserer Identität. Hauptsache, das asbestverseuchte ICC bleibt stehen.“

Ja, lieber Senat, warum reißt ihr eigentlich nicht das Internationale Congress Centrum unter dem Funkturm im schönen Charlottenburg ab? Den SEZ-Abriss begründet Bausenator Gaebler damit, dass keiner in Berlin ein Spaßbad braucht, sondern 550 neue Wohnungen, die auf dem Areal entstehen sollen.

Keiner braucht ein DDR-Spaßbad! Aber wer braucht das ICC?

Herr Bausenator, wir fragen zurück: Wer braucht das ICC? Dort könnten sogar noch mehr als 550 Wohnungen stehen, die Berlin so dringend braucht.

Seit über zehn Jahren steht das Gebäude leer – abgesehen von ein paar Konferenzen und einer Zwischennutzung als Impfzentrum während der Corona-Pandemie. Um das ICC funktionstüchtig zu erhalten, werden jährlich über zwei Millionen Euro ausgegeben – auf Kosten der Berliner Steuerzahler. Lieber Senat, können wir uns das wirklich leisten?

Scheinbar ja. Während Millionen von Euro für Berlins Kultur gestrichen werden oder für neue U-Bahn-Züge fehlen, pumpt der Senat das viele Geld in das ICC, das in Wahrheit keiner haben will und sich leisten kann.

Das weiß man auch im Senat. Die Versuche der Berliner Landesregierungen scheiterten in der Vergangenheit, das 1979 erbaute futuristisch anmutende Gebäude wieder zum Leben zu erwecken, in dem einst Messen, Kongresse, Bälle und Konzerte von Weltstars wie Leonard Cohen, Chris de Burgh und sogar Bruce Springsteen stattfanden.

Rettungsversuche scheiterten: Doch das ICC bleibt

So bemühte sich vor Jahren schon die einstige Grüne Wirtschaftssenatorin Ramona Pop vergeblich, einen Käufer für das ICC zu finden. Mit recht wilden Ideen bot sie das Gebäude an, das nach Vorschlägen von Architekten unter anderem ein Mega-Gewächshaus werden sollte. Doch kein Investor fand sich.

Nun macht sich ausgerechnet eine Frau aus dem Osten, Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD), für das ICC stark. Eine Investorengruppe habe sie an der Angel, die das Congress Centrum übernehmen soll.

Dafür machte man 2022 die sonst verschlossenen Türen im ICC wieder auf: Franziska Giffey (SPD, damals Regierende Bürgermeisterin) hält auf einem Berlin-Kongress im ICC-Foyer eine Rede.
Dafür machte man 2022 die sonst verschlossenen Türen im ICC wieder auf: Franziska Giffey (SPD, damals Regierende Bürgermeisterin) hält auf einem Berlin-Kongress im ICC-Foyer eine Rede.Funke Foto Services/imago

Das Konsortium verfüge über „die notwendige Erfahrung, um ein komplexes Gebäude wie das ICC – auch unter Berücksichtigung von Denkmalschutz und Schadstoffsanierung – zukunftsfähig zu entwickeln“, heißt es aus der Giffey-Behörde.

So viel Aufmerksamkeit hat das SEZ seitens des Berliner Senates nie erhalten! Es wurde auch nicht unter Denkmalschutz gestellt – beim ICC war es der Fall.

Echte Rettungsversuche für das Sport- und Erholungszentrum gab es nie. Weil auch dieser DDR-Bau scheinbar stört und wie viele andere auch verschwinden soll. Man staunt, dass der Fernsehturm noch steht.

Aber warum immer nur der Osten? Jetzt kann auch einmal der Berliner Westen Bau-Opfer bringen! „Völliger Unsinn! Das ICC gehört zum Berliner Stadtbild“, werden jetzt viele sagen. Stimmt! Aber das SEZ auch!

Wie ist Ihre Meinung? An welche DDR-Bauten erinnern Sie sich noch, die es nicht mehr gibt? Bitte schreiben Sie uns: leser-bk@berlinerverlag.com