Sein Tod schockte vor 45 Jahren die Menschen. Trauer herrschte auch in der DDR, als morgens am 9. Dezember 1980 in den Radio-Nachrichten lief, dass in der Nacht zuvor John Lennon, 40 Jahre alt, in New York von einem wirren Fan erschossen worden war. Die DDR-Propaganda machte aus dem toten Ex-Beatle und Millionär sofort einen Helden der Arbeiterklasse! DDR-Bands durften mit Songs ihn würdigen – und sie taten es gerne!
Die DDR-Staatsmacht und die Beatles. Es war ein angespanntes Verhältnis. Anfang der 60er-Jahre, als die Karriere der Beatles begann, wurden ihre Songs mit Duldung der SED-Führung noch im Radio gespielt. Singles und ein Album erschienen bei der staatlichen Plattenfirma Amiga. Doch ab 1965 machte Staatschef Walter Ulbricht „mit der Monotonie des Yeah-Yeah-Yeah“ Schluss.
Erst Nachfolger Erich Honeckers sorgte Anfang der 70er-Jahre für eine Wende. Beatles-Songs wurden wieder im Radio gespielt, sogar drei Alben der Pilzköpfe erschienen zwischen 1974 und 1983. Doch staatliche Anerkennung bekamen sie nie.

Die Todesschüsse auf Lennon am Eingang des Dakota-Gebäudes in New York änderten alles. Ab Dezember 1980 passte der Ex-Beatle plötzlich ins politische System der DDR. In Jugendzeitschriften erschienen die Fotos von Lennon und den Beatles. In Büchern und Radio-Sendungen wurde Lennon als Friedenskämpfer gefeiert.
John Lennon: „Give Peace a Chance“ diente der DDR-Propaganda
„Sein ,Give Peace a Chance‘ nutzte die FDJ damals für fast jede ihrer Friedensveranstaltungen und -konzerte“, sagte Wolfgang Martin (73) einmal im KURIER-Gespräch. Er war damals Moderator des Radiosenders Stimme der DDR, schrieb über die Ereignisse in seinem Buch „Schluss mit dem Yeah, Yeah, Yeah? – Die Beatles und die DDR“ (2023).

Wolfgang Martin erinnert sich, wie Bands in der DDR beauftragt wurden, Lennon-Hommage-Lieder zu produzieren. Es war schon schlimm, „dass nun jede Provinzband ein Lied über den Ex-Beatle machen konnte“.
Ein Song wird aber ein Hit: „He, John“ von den Puhdys. Ein Hommage-Song, der nicht im Staatsauftrag entsteht. Das Lied, in dem aus Sicht eines Fans an Lennon erinnert wird und das mit Lennons Stimme aus „Imagine“ endet: Es entstand weit weg von der DDR.

Dieter „Maschine“ Birr (81) erinnert sich in einem KURIER-Gespräch über Lennons Tod: „Wir waren an dem Tag nahe bei London, um unser englisches Album ,Far from Home‘ aufzunehmen“, sagt er. „Als die Todesnachricht kam, brach unser Produzent, der auch Musikjournalist war, die Arbeit im Studio ab, um einen Nachruf auf John Lennon zu schreiben.“
Was dann Maschine tat, weiß er noch ganz genau: „Ich setzte mich ans Klavier, spielte mit einem Finger den Anfang einer Melodie, die mir gerade einfiel. Ich wusste, dass aus ihr ein Lied für Lennon wird.“
Burkhard Lasch schrieb den Text zu „He, John“. Die Puhdys nahmen es 1981 im Amiga-Studio an der Brunnenstraße auf. „He, John“ erschien als Single. Nicht nur in der DDR wurde das Puhdys-Lied über Lennon ein Hit – auch in der Bundesrepublik.
Ein weiterer bekannter Song war „Junge aus Liverpool“ von Katrin Lindner und Schubert-Band. Im Song werden die Höhepunkte der Beatles erzählt – bis zum Gewalt-Tod Lennons. Das Lied endet mit dem Beatles-Hit „All you need is love“.
Den heuchlerischen Umgang der DDR-Propaganda mit Lennons Leben besingt Hansi Biebl. In dem Lied „Mit einem Mal“ erinnert der Sänger, wie Lennon in der DDR zuvor als Millionär, Schloss- und Rolls-Royce-Besitzer kritisiert wurde. Und nun ist er „mit einem Mal jedermanns Freund“, singt Biebl.
Ein Hit wird der Song nicht. Hansi Biebl singt „Mit einem Mal“ am 4. April 1981 in der DDR-Jugendfernsehsendung „Rund“. Danach landet der Song auf dem Index.
Auch der Lennon-Beitrag von Gerhard Gundermann erlebt man nicht im Fernsehen oder hört ihn im Radio. Es ist eine Cover-Version von „Imagine“, nicht ganz originalgetreu. Denn der singende Baggerführer Gundermann textet in seiner „Imagine“-Version: „Nun stell dir vor, die Völker vertraun sich, grenzenlos. Du kannst nach Westen trampen, kommst wieder heim von Ost.“




