Kriminalität war in der DDR nicht allgegenwärtig. Nicht, weil es sie nicht gab, sondern weil nur wenig über sie berichtet wurde. Bis auf den wöchentlichen Gerichtsprozess schafften es Mord, Totschlag und Einbrüche selten in die Zeitungen. Von 1969 bis 1989 gab es in der DDR laut statistischen Jahrbüchern 2263 Fälle von Mord und Totschlag, in den 80er Jahren wurden pro Jahr 110.768 bis 129.270 Straftaten erfasst. Hier können Sie lesen, welche Strafen das Strafgesetzbuch (StGB) der DDR Ende der 80er-Jahre etwa für Mord und Totschlag, für Kindesmissbrauch und Verbreitung von Pornografie vorschrieb.
Vieles, was in der DDR mit Kriminalität zu tun hatte, kam über den Status Gerüchteküche kaum hinaus. Ich kann mich noch erinnern, wie in den 70ern Nachbarn erzählten, dass im Wald zwischen Schmöckwitz und Eichwalde am Rand von Berlin ein Kind getötet worden wäre. Darüber berichtet wurde nie.
Manchmal wurde im Kleinen die Öffentlichkeit gesucht: In den 80ern überraschte mich in einer Postfiliale in Schönefeld ein Fahndungsplakat, mit dem nach einem Bankräuber gesucht wurde. Raub übrigens wurde in der DDR mit einer Freiheitsstraße von bis zu fünf Jahren bestraft, wurde dabei eine Waffe benutzt, konnte die Strafe auf bis zu zehn Jahre ansteigen.
Straftaten gegen Leben und Gesundheit des Menschen
Mord: „Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft“, heißt es in Paragraf 112 des Strafgesetzbuches der DDR. Bis zum 18. Dezember 1987 konnte in schweren Fällen auch die Todesstrafe verhängt werden, doch die wurde dann abgeschafft.
Totschlag: Hier lag die Höchststrafe bei zehn Jahren. Auf Totschlag wurde entschieden, wenn der Täter im Affekt tötete oder eine Frau ihr Kind während oder gleich nach der Geburt tötete.
Vorsätzliche Körperverletzung: „Wer vorsätzlich die Gesundheit eines Menschen schädigt oder ihn körperlich misshandelt, wird von einem gesellschaftlichen Organ der Rechtspflege zur Verantwortung gezogen oder mit öffentlichem Tadel, Geldstrafe, Haftstrafe, Verurteilung auf Bewährung oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft“, heißt es unter Paragraf 115. Bei schwerer Körperverletzung (Entstellung, bleibende Schäden, Lebensgefahr) konnte die Strafe bis auf fünf Jahre ansteigen. Bei Körperverletzung mit Todesfolge lag der Ermessensspielraum des Gerichts bei bis zu zehn Jahren.
Straftaten gegen Freiheit und Würde des Menschen
Vergewaltigung: „Wer eine Frau mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leben oder Gesundheit zum außerehelichen Geschlechtsverkehr zwingt oder eine wehrlose oder geisteskranke Frau zum außerehelichen Geschlechtsverkehr missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft“, steht im StGB geschrieben. Die Betonung lag auf außerehelich. In schweren Fällen (Mädchen unter 16, Gruppenvergewaltigung, mit schwerer Körperverletzung, Mehrfachtäter) waren Freiheitsstrafen zwischen zwei und zehn Jahren festgelegt.
Ausnutzung und Förderung der Prostitution: Wer die Prostitution förderte, um daraus Einkünfte zu beziehen, wurde mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung bestraft.
Verbreitung pornografischer Schriften: Wer pornografische Zeitschriften, Filme oder Darstellungen verbreitete oder sonst der Öffentlichkeit zugänglich machte, sie zu diesem Zwecke herstellte, (aus dem Westen) einführte oder sich verschaffte, wurde mit öffentlichem Tadel, Geldstrafe, Verurteilung auf Bewährung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.

Beleidigung wegen Zugehörigkeit zu einer anderen Nation oder Rasse: Wer einen Menschen deshalb beleidigte oder verleumdete, wurde laut StGB mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, Verurteilung auf Bewährung, Geldstrafe oder mit öffentlichem Tadel bestraft.
Straftaten gegen Jugend und Familie
Verletzung von Erziehungspflichten: Strafen von bis zu zwei Jahren gab es auch, wenn Eltern nicht für die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung eines Kindes oder Jugendlichen sorgten. Das galt nicht nur bei körperlichen Misshandlungen, sondern laut StGB auch dann, wenn das Kind oder der Jugendliche fortwährend vernachlässigt und dadurch vorsätzlich oder fahrlässig in der Entwicklung geschädigt oder gefährdet wurde. Das war natürlich ein Gummiparagraf, mit dem auch missliebige Personen, die ihre Kinder anders als vom Staat gewünscht wurde, erzogen, Probleme bekommen konnten.
Sexueller Missbrauch von Kindern: Mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Verurteilung auf Bewährung konnten laut § 148 Täter, die Kinder zu sexuellen Handlungen missbrauchten, verurteilt werden. Wiederholungstätern drohten Strafen bis zu acht Jahren, wer durch die Tat fahrlässig den Tod des Kindes verursachte, wurde mit einer Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

Sexueller Missbrauch von Jugendlichen: Erwachsene, die Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren unter Ausnutzung der moralischen Unreife durch Geschenke, Versprechen von Vorteilen oder in ähnlicher Weise dazu missbrauchten, um „Geschlechtsverkehr auszuüben oder geschlechtsverkehrsähnliche Handlungen vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung bestraft.“ Härter wurde gleichgeschlechtlicher Sex verurteilt: „Ein Erwachsener, der mit einem Jugendlichen gleichen Geschlechts sexuelle Handlungen vornimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung bestraft“, hieß es in Paragraf 151.
Straftaten gegen die allgemeine, staatliche und öffentliche Ordnung
Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten: Ein beliebter Straftatbestand in der DDR, mit dem gegen Punks und andere Jugendliche, die sich dem Staat nicht unterordnen wollten, vorgegangen wurde. „Wer das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche Ordnung dadurch gefährdet, dass er sich aus Arbeitsscheu einer geregelten Arbeit hartnäckig entzieht, obwohl er arbeitsfähig ist, oder wer der Prostitution nachgeht oder wer sich auf ändere unlautere Weise Mittel zum Unterhalt verschafft, wird mit Verurteilung auf Bewährung oder mit Haftstrafe, Arbeitserziehung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft“, heißt es unter § 249.
Tierquälerei: Wer vorsätzlich ein Tier roh misshandelte oder quälte, musste in der Regel kein Gefängnis fürchten. Er wurde „von einem gesellschaftlichen Organ der Rechtspflege zur Verantwortung gezogen oder mit öffentlichem Tadel, Geldstrafe oder mit Verurteilung auf Bewährung bestraft.“ ■