Grüne Schätze vor dem Aus

Wohnungsbau: Müssen jetzt wirklich Friedhöfe weggebaggert werden?

Wer diese Oasen zubetoniert, riskiert nicht nur den Verlust einzigartiger Lebensräume, sondern auch das grüne Herz von Berlin.

Author - Karim Mahmoud
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Auch der Dreifaltigkeitsfriedhof in Mariendorf steht auf der Abschussliste der Wohnungs-Investoren.
Auch der Dreifaltigkeitsfriedhof in Mariendorf steht auf der Abschussliste der Wohnungs-Investoren.Schöning/imago

Berlin hat etwas mehr als zwei Millionen Wohnungen. Trotzdem: Wer in Berlin eine Wohnung sucht, erlebt fast täglich ein neues Abenteuer. Es werden zu wenige gebaut, und die, die gebaut werden, werden zum Teil falsch errichtet. Ein Skandal. Ein weiterer Skandal ist: Nicht mal ein Prozent der Normalverdiener-Familien können sich in Berlin noch Miete leisten.

Die schrillste Meldung in Sachen Wohnungsstümperei kam vor wenigen Tagen aus Berlin-Reinickendorf reingeflattert. Dort sind 300 neue Wohnungen quasi fertig  – einziehen darf allerdings niemand. Es fehlt die Genehmigung des Senats. Der Grund macht einen fassungslos: Es fehlen die Schulplätze! Der Bezirk will also erst noch eine neue Grundschule errichten, weil in dem Kiez ja bald mehr Kinder leben sollen.

Das ist nur ein Beispiel für Fehlplanung, die Wohnungssuchende wütend macht. Andere werden wütend, wenn sie daran denken, wie für Wohnungspläne immer mehr grüne Flächen versiegelt werden.

Und es ist ja auch echt ein stiller Skandal mitten in der Hauptstadt: Während Klimakrise und Artensterben weltweit eskalieren, geraten ausgerechnet Berlins letzte grüne Rückzugsorte immer stärker unter Druck. Der BUND Berlin zieht jetzt die Reißleine – und warnt eindringlich vor einem ökologischen Kahlschlag, der die Seele der Stadt trifft.

Berlin, Stadt der grünen Inseln

Denn was vielen gar nicht klar ist: Berlin ist mehr als nur Beton und Baustellen. Die Stadt ist durchzogen von grünen Oasen – es gibt versteckte Hinterhof-Dschungel, verwilderte Brachen, schattige Parks und grüne Verbindungsadern. Sie sind Heimat für Wildbienen, Spechte, seltene Kräuter – und für gestresste Großstädter, die hier durchatmen.

Hochhäuser in Berlin-Marzahn in einer grünen Oase.
Hochhäuser in Berlin-Marzahn in einer grünen Oase.Berlinfoto/imago

„Berlin ist eine Stadt der grünen Inseln – doch viele dieser kleinen Biotope sind bedroht, isoliert oder verlieren ihre ökologische Funktion, wenn sie nicht besser geschützt und gepflegt werden“, sagt Dirk Schäuble, Referent für Naturschutz beim BUND Berlin. „Was wir brauchen, ist ein zusammenhängendes grünes Netz, das Arten Raum zum Leben, Wandern und Überleben gibt – mitten in der Stadt.“

Besonders geschützt werden sollten auch Friedhöfe. Lange unterschätzt, entpuppen sie sich als stille Wunderwelten der Artenvielfalt. Alte Bäume, blühende Wiesen, geheimnisvolles Totholz – ein Naturparadies mitten im Trubel der Großstadt. Das kann man doch nicht einfach zubauen! Gleichzeitig sind sie Rückzugsorte, fast heilige Ruhepole in einer Stadt, die immer lauter wird.

Die grüne Idylle in Berlin ist bedroht

Die Idylle ist trotzdem bedroht. Der Emmaus-Friedhof in Neukölln – ein Juwel mit uralten Bäumen und seltener Flora – soll teilweise bebaut werden. Und auch der Dreifaltigkeitsfriedhof in Mariendorf, einer der artenreichsten der Stadt, steht auf der Abschussliste der Investoren. Was für ein Irrsinn!

Der BUND Berlin schlägt also Alarm: Wer diese Oasen zubetoniert, riskiert nicht nur den Verlust einzigartiger Lebensräume, sondern auch das grüne Herz der Stadt. Und das, obwohl es genügend Alternativen gibt. Ganze Wohnblocks stehen leer, versiegelte Brachen liegen brach – Potenzial genug für neuen Wohnraum, ohne ein Blatt zu zerstören. Das sollten sich die Investoren und Planer in den Ämtern hinter die Ohren schreiben.

Die Forderungen des BUND sind glasklar:
  • Stoppt die Bauwut auf Friedhöfen, in Parks und auf Naturflächen
  • Nutzt den Leerstand – bis zu 100.000 Wohnungen könnten sofort entstehen
  • Riegelt zweckentfremdete Immobilien ab und verhindert weiteren Abriss

Nein, Berlin muss kein Beton-Monster werden, um Wohnraum zu schaffen. Es geht auch anders – grüner, klüger, nachhaltiger. Denn eine Stadt ohne Natur verliert nicht nur Vögel und Bienen – sie verliert sich am Ende auch noch selbst.

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