Das planen Bezirksämter

Abzocke mit möblierten Wohnungen: 11 Quadratmeter für irre 1195 Euro!

In vielen Bezirken werden Wohnungen zunehmend möbliert und befristet vermietet. So langsam wachen die Berliner Bezirkspolitiker auf und gehen dagegen vor.

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In Berlin werden zunehmend möblierte Wohnungen angeboten, um Mietpreisbremse und Mietspiegel zu umgehen.
In Berlin werden zunehmend möblierte Wohnungen angeboten, um Mietpreisbremse und Mietspiegel zu umgehen.imago/Westend61

Mit der Vermietung von möblierten Wohnungen bremsen in Berlin gierige Vermieter Mietpreisbremse und Mietspiegel aus und treiben die Mieten in astronomische Höhen. So neu ist der Trick nicht mehr. Neu aber ist, dass die Berliner Bezirksämter endlich aufgewacht sind und gegen den Missbrauch vorgehen wollen. In einer Reihe von Bezirksämtern gibt es Überlegungen, dagegen vorzugehen.

Ein Blick in die Online-Portale zeigt das Missverhältnis. Immoscout24 etwa hat 5442 Wohnungen im Berlin im Angebot – aber auch 4052 möblierte Angebote. Und da werden dann 10 Quadratmeter in Spandau auch schon mal für 660 Euro angeboten. Für 11 Quadratmeter, eher preiswert möbliert, werden in Weißensee sogar irre 1195 Euro aufgerufen – das ist immerhin die Warmmiete. Die Vermieter, die das Studio im Internet auf Englisch anpreisen, sind sogar zu Scherzen aufgelegt. „Die Wohnung liegt im 2. Stock eines Gebäudes ohne Aufzug – aber ein bisschen Kardio schadet nie“, heißt es da.

Aber egal, ob zweckentfremdete Wohnungen oder eigens für überteuerte Mini-Appartements hochgezogene Wohnblöcke: Berlin muss etwas gegen die Auswüchse beim möblierten Wohnen tun. Und langsam passiert etwas in den Bezirken.

Möblierte Wohnungen: Vermietverbot in Milieuschutzgebieten

Mitte: Das Bezirksamt sieht dringenden Handlungsbedarf. „Die befristete und möblierte Vermietung steht den Zielen der Milieuschutzverordnungen entgegen“, heißt es. Sie verdränge die angestammte Wohnbevölkerung und wirke sich entsprechend negativ auf die Sozialstruktur aus. In den Milieuschutzgebieten werde man zukünftig stärker dagegen vorgehen und die Nutzung untersagen.

Neukölln: Der Bezirk hat bereits öffentlich angekündigt, stärker gegen die befristete und möblierte Vermietung vorgehen zu wollen und diese Praxis in Milieuschutzgebieten zum Erhalt der Sozialstruktur zu untersagen.

„Das Problem ist sehr gravierend. In bestimmten Häusern erleben wir, dass alle Wohnungen, die leer werden, in möbliertes Wohnen auf Zeit umgewandelt werden“, sagt der zuständige Bezirksstadtrat Jochen Biedermann auf dpa-Anfrage. „Die Preise für diese Wohnform sind dabei deutlich höher als die zulässige Angebotsmiete einer regulären Wohnung.“

Die Zahl der entsprechenden Inserate für möblierte Kurzzeitvermietung sei von 300 im Jahr 2012 auf 2940 im vergangenen Jahr gestiegen, so Biedermann mit Hinweis auf den „IBB Wohnungsmarktbericht“.

Mit der zeitlichen Befristung werde die Notlage auf dem Berliner Wohnungsmarkt ausgenutzt. Auch das Bezirksamt Neukölln sieht in der möblierten Kurzzeitvermietung eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung. In Milieuschutzgebieten will der Bezirk sie zunehmend untersagen.

Das entsprechende Verfahren werde von mehreren Bezirken unter Federführung von Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln in Abstimmung mit der Stadtentwicklungsverwaltung entwickelt.

Berliner Bezirk leitet Verfahren ein

Reinickendorf: „Der Bezirk Reinickendorf sieht das befristete möblierte Vermieten von Wohnungen in Milieuschutzgebieten kritisch“, lautet auch die Einschätzung aus der Verwaltung. „So werden wertvolle Wohnungen dem regulären Mietmarkt entzogen und die schützenswerte Struktur der Milieuschutzgebiete ausgehebelt.“

Charlottenburg-Wilmersdorf: Das Bezirksamt hat angesichts der Entwicklung Bedenken: „Insbesondere in den sozialen Erhaltungsgebieten des Bezirks wird die systematische Umstellung regulärer Mietverhältnisse auf befristete, möblierte Vermietungen als problematisch eingeschätzt.“

Damit verbunden seien häufig deutlich höhere Mieten und instabile Mietverhältnisse. Dauerhaft nutzbarer Wohnraum werde dem Wohnungsmarkt entzogen. Der Bezirk versuche bereits, dagegen vorzugehen. So wird in Milieuschutzgebieten geprüft, ob das Vermieten von möblierten Wohnungen eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung sei. Ist dadurch eine Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung zu befürchten, werde die Genehmigung versagt.

Wird eine Wohnung wiederholt oder dauerhaft für weniger als drei Monate vermietet, könne dies eine zweckentfremdende Nutzung darstellen. Dann leite der Bezirk entsprechende Verfahren ein.

Pankow: Die möblierten Wohnungsangebote auf Zeit übersteigen hier deutlich die Zahl der Mietwohnungen. „Wir sehen hier ebenfalls einen dringenden Handlungsbedarf“, heißt es aus dem Bezirksamt. „Auch wir werden dagegen vorgehen.“

Tempelhof-Schöneberg: „Wohnungen, die nur befristet vermietet werden, sind dem normalen Mietwohnungsmarkt entzogen.“ Insbesondere für Familien seien solche Wohnungen nicht sinnvoll nutzbar und wegen der meist exorbitant hohen Miete nicht zu bezahlen. Das Bezirksamt prüfe derzeit, welche Instrumente zur Verfügung stehen, um dem entgegenzuwirken – vom Milieuschutzrecht, dem Planungsrecht bis zum Zweckentfremdungsrecht.

Der Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) eine Bundesratsinitiative gegen den Missbrauch beim möblierten Wohnen zu starten, wird von den Bezirken ausdrücklich begrüßt. „Da stellt man einen Stuhl rein und schwuppdiwupps gilt die Mietpreisbremse nicht mehr“, hatte Wegner Ende April kritisiert.