Immer mehr junge Berliner stehen mit Rute und Kescher mitten in der City an der Spree. Sie angeln sich im wahrsten Wortsinn die Stadt. Streetfishing heißt der Trend. Doch die Barsche, die da an den Haken zappeln, landen bei den meisten Petrijüngern nicht auf dem Teller, sondern ins Internet. Fisch fangen, mit ihm vor der Handykamera posieren, um viele Klicks von der Community im Netz zu ernten – und dann wieder das Flossentier ins Wasser werfen. Toll, der Fisch muss nicht sterben, werden jetzt viele zu Recht sagen. Aber: Was junge Straßenangler gerade als absoluten Hype feiern, ist streng genommen ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz!
Angeln boomt wie nie zuvor. Vor allem in Berlin, wo mit Spree, Dahme, Havel, Müggelsee, Wannsee oder Schlachtensee für Petrijünger gleich die besten Fangreviere vor der Haustür liegen. Dazu kommen noch die zahlreichen Seen in Brandenburg, wo Barsche, Plötzen, Aale, Hechte, Zander und sogar Welse schwimmen.
Kein Wunder, dass die Angelmesse Ende November unter dem Funkturm stets gut besucht ist. Dort sind vor allem immer mehr Jugendliche zu sehen, die mal schnell bis zu 300 Euro und mehr für Ruten, Rollen und trendige Gummiköder ausgeben. Auch die Anglervereine der Hauptstadtregion freuen sich über den Nachwuchs. Allein der Landesanglerverband Brandenburg zählt etwa 96.000 Mitglieder, 5000 mehr als 2020.
Insbesondere der Jugend- und Kinderbereich sei stark in den Vereinen gewachsen, sagt ein Verbandssprecher. Zu Recht sei man stolz darauf, dass viele Jugendliche sich eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung suchen. Für viele spiele die naturnahe Erholung im Umland von Brandenburg eine immer größer werdende Rolle.
Zwischen Kanzleramt und Berliner Dom wird mitten in Berlin geangelt
Aber viele Jugendliche zwischen 14 und 25 Jahren suchen auch ihren Angelspaß in der Großstadt Berlin. Am Spreeufer gegenüber dem Kanzleramt, am Kupfergraben nahe dem Berliner Dom und der Museumsinsel oder an der Fischerinsel: Hier und an anderen Orten der City-Ost kann man diese jungen Angler finden.

Seit Corona trendet bei ihnen das Streetfishing, sagen die Vertreter von Angelvereinen. Dabei ist das „urbane Angeln“ in der Hauptstadt gar nicht einmal so neu. Das gab es bereits vor Corona.
Der Autor dieses Beitrages zeigte schon vor sechs Jahren in einer KURIER-Angelserie, wie sich die Petrijünger mitten im Großstadtgewimmel den einen oder anderen schmackhaften Barsch oder Zander sogar fürs Abendbrot angelten.
Warum? „In der Berliner City kann man so erfolgreich angeln wie an einem See außerhalb der Stadt“, sagen Angel-Profis wie Max Scheffler (Youtube-Kanal „Fischers Maxe“). „Das Beste daran ist, dass man sofort nach der Arbeit noch seiner Angelleidenschaft nachgehen kann.“
Dieses Angelfieber hat nun auch immer mehr die Berliner Jugend gepackt –und aus Stadtangeln wird der neue Trend Streetfishing. Das wirklich Neue ist nicht nur die englische Namensgebung, sondern auch die Fangmethode der jungen Stadtangler.
Viele von ihnen wenden das sogenannte „Catch and Release – fangen und freilassen“ an, das auch unter Anglern und Fachleuten sehr umstritten ist. Sie fangen den Fisch also nicht fürs Abendbrot wie andere Petrijünger. So manche „Streetfisher“ fotografieren und filmen den Fangerfolg nur für ihre Social-Media-Accounts im Internet.

Auch wenn der Fisch am Ende lebend wieder ins Wasser kommt: „Catch and Release ist nicht wirklich im Sinne des Tieres“, sagt Berlins Wildtierexperte Derk Ehlert (selbst Angler) dem KURIER. „Für den Fisch kann es Stress bedeuten.“
„Catch and Release“ für Fischfotos: Berliner Street-Angler könnten Probleme bekommen
Nicht nur das. Das Zurücksetzen der Fische, wie es im Anglerlatein heißt, muss fachgerecht geschehen. Sie einfach in die Hand nehmen und dann von oben wieder ins Wasser zu werfen, ist falsch.
Denn Barsche und Co. sind empfindlicher als man denkt. Ihre Haut hat eine Schleimschicht, die die ihr Schuppenkleid etwa vor Pilzinfektionen und Umwelteinflüssen im Wasser schützen soll. Wird diese Schleimhaut verletzt, können die Fische erkranken und sterben.
Daher ist es wichtig, die Tiere beim Enthaken und Zurücksetzen mindestens mit feuchten Händen anzufassen. Im Eifer des Gefechtes wird das aber oft vergessen.
Nun will keiner diesen Trend-Stadtanglern in Berlin, die nur fürs Internet Fische fangen, absichtliche Tierquälerei vorwerfen. Aber laut Tierschutzgesetz könnten sie aber schnell als Tierquäler abgestempelt werden. Denn im Paragraf 1 steht dort: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“
Fische fangen, um Fotos zu machen: Laut Tierschutzgesetz kann das strafbar sein
Ein vernünftiger Grund ist das Fangen eines Fisches, um Prahle-Fotos fürs Internet zu machen, garantiert nicht. „Streng benommen ist Angeln eine Jagd auf Tieren, die dazu seit jeher dient, dass der Mensch sich mit Nahrung versorgt“, sagt Wildtierexperte Ehlert.

Daher ist das Töten eines Fisches, den man geangelt hat und essen will, auch ein vernünftiger Grund und steht nicht unter Strafe. Laut Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes drohen denjenigen Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen, die ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund töten oder ihm „aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden“ zufügen.
Genau darum geht es im Streit bei der „Fangen und wieder freilassen“-Angelei generell. Militante Tierschützer nehmen „Catch and Release“ als Grund, das Angeln zu kriminalisieren und Petrijünger mit Strafanzeigen zu überhäufen. Bestimmte Tierschutzorganisationen führen regelrechte Hass-Kampagnen gegen Angler.
„Catch and Release“: DARUM ist es richtig, geangelte Fische freizulassen
Dabei ist „Catch and Release“ auch notwendig. Denn Angler fischen im Grunde genommen im Trüben. Haben sie auf dem Haken einen Wurm als Köder, kann darauf im Grunde genommen jeder Fisch beißen, der im jeweiligen Gewässer ist. Also auch Fische, für die Schonzeiten gelten oder die nicht vorgeschriebene Fanggröße (Mindestmaß) haben. Daher ist laut Berliner Fischereiordnung (Paragraf 9) auch das Zurücksetzen erlaubt, das nach dem Fang „sofort und schonend“ erfolgen soll – aber nur dann.
Bei aller Diskussion um das Angeln von Fischen für ein Foto im Internet: „Die Grundsatzfrage ist, wie wir alle mit den Tieren in unserer Umgebung umgehen“, sagt Experte Ehlert. Nach seiner Meinung würden auch die meisten jungen Stadtangler wissen, wie man mit Tieren verantwortungsvoll umgeht.
Was sagen Sie zu den jungen Stadtanglern? Ist das Fangen von Fischen für Internetfotos ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz? Bitte schreiben Sie uns Ihre Meinung: leser-bk@berlinerverlag.com