Entarteter Artenschutz?

Von Spatz bis Moorfrosch: Diese tierischen Bau-Bremser nerven Investoren

Nichts fürchten Baulöwen mehr als Spatzen, Frösche, Eidechsen und Fledermäuse. Die Tiere bremsen jede Berliner Baustelle aus. Und das immer öfter.

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Spatzen brachten gerade erst den Abriss des Jahnstadions ins Stocken.
Spatzen brachten gerade erst den Abriss des Jahnstadions ins Stocken.Tschanz-Hofmann/imago

In Berlin entwickeln sich Tiere immer mehr zu Bremsern großer Bauprojekte. Baulöwen wissen inzwischen genau, dass sie ihre Pläne begraben können, wenn auch nur eines dieser Tiere auf der Baustelle aufkreuzt. Und dabei ist es egal, ob es um Wohnungen, Gewerbeimmobilien, um repräsentative Bauten oder um Gleisanlagen geht. Auf manche Tiere sind Investoren darum gar nicht mehr gut zu sprechen. Hier die Hitliste der tierischen Bau-Bremser.

Am Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg kommt der Abriss des alten Stadions nicht wie geplant voran. Der Grund: Spatzen, die in der Haupttribüne nisten. Der Verein Naturfreunde Berlin erwirkte einen Baustopp vor dem Verwaltungsgericht.

Das Gericht folgte der Argumentation, dass die Tiere gefährdet seien, da Ersatzbrutplätze nicht rechtzeitig installiert wurden. Ein klarer Verstoß gegen den Artenschutz – und eine schallende Ohrfeige für die Bauverwaltung.

Brisant daran ist: Die Bauverwaltung ignorierte Warnungen der eigenen Naturschutzbehörde und verstieß sogar gegen ein selbst in Auftrag gegebenes Gutachten. Der Fall hat eine besondere Note, weil Bausenator Christian Gaebler (SPD) noch vor Monaten im Sportausschuss betonte, seine Bauleute würden die Gesetze kennen und einhalten, schreibt der Tagesspiegel. Die Wirklichkeit zeigt nun das Gegenteil.

Auch wegen Fledermäusen konnte die Einheitswippe noch nicht gebaut werden.
Auch wegen Fledermäusen konnte die Einheitswippe noch nicht gebaut werden.Olaf Wagner/imago

Der Fall der Spatzen am Jahn-Sportpark reiht sich in eine lange Liste ein, in der Bauprojekte von geschützten Tieren ausgebremst wurden. Prominente Beispiele gibt es zuhauf: Die streng geschützte Zauneidechse ist seit Jahren der Schrecken vieler Bauherren. Ob an alten Bahnanlagen oder auf Brachen – das Reptil sorgt mit Winterruhe und komplizierter Umsiedlung regelmäßig für Verzögerungen.

Tierische Bau-Bremser lassen viele Bauprojekte scheitern

Auch Fledermäuse machen Bauprojekten das Leben schwer, besonders wenn alte Keller betroffen sind. Schon die Einheitswippe in Berlin bekam das zu spüren: 60 Wasserfledermäuse mussten aus ihrer Unterkunft umgesiedelt werden – mit erheblichem Aufwand.

Und nicht nur in Berlin, auch in Brandenburg werde der Artenschutz ernst genommen, so der Tagesspiegel. Bei der ICE-Strecke durchs Westhavelland wurden Erdwälle zum Schutz der dort lebenden Großtrappen errichtet. Und ein Paar streng geschützter Uhus stoppte die Sanierung einer alten Oder-Brücke.

Die Zauneidechse ist bei Investoren besonders unbeliebt.
Die Zauneidechse ist bei Investoren besonders unbeliebt.Star-Media/imago

Während Naturschutzvorgaben selten ganze Bauprojekte scheitern lassen, bedeuten sie oft hohe Zusatzkosten. Am BER mussten Moorfrösche und Kröten für 300.000 Euro umgesiedelt werden – nur ein Bruchteil der Gesamtkosten, aber ein Sinnbild für den Konflikt zwischen Naturschutz und Bauvorhaben.

Manchmal treiben die Maßnahmen skurrile Blüten: Für den Bau eines Tagungszentrums der FU Berlin wurden einst 500 Weinbergschnecken umgesiedelt, bevor es losgehen konnte. Ein Möbelmagnat in Pankow wartet seit über zehn Jahren auf grünes Licht, weil Kreuzkröten auf dem Gelände leben.

Der Eindruck, dass Artenschutz immer wieder Neubauten bremst, entsteht vor allem wegen solcher Fälle. Fachleute betonen aber, die meisten Konflikte sind lösbar – wenn Behörden und Bauherren die Gesetze beachten. Nicht nur beim Jahn-Sportpark ist das natürlich gründlich schiefgelaufen. ■