In Berlin-Pankow

Für 315 Kröten wird diese Kleingartenanlage plattgemacht. KURIER war vor Ort!

Die Kolonien Feuchter Winkel Ost und West in Pankow sollen nach 99 Jahren verschwinden. Mehr als 160 Lauben müssen dem Bauprojekt Pankower Tor weichen. 

Author - Stefan Henseke
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Jürgen Blohm (56) und Marcel Heine (49): „Wir sind Bauernopfer, weil die Politik über 15 Jahre nicht in der Lage war, das Bauprojekt hier zu starten. Wäre das schneller gegangen, wären die Kröten kein Problem gewesen, weil sie sich nicht so vermehrt hätten. Wir haben auch nichts gegen Wohnungsbau, aber die Kröten sollen hierher, damit an der anderen Stelle ein Möbelhaus und ein Parkplatz entstehen können.“
Jürgen Blohm (56) und Marcel Heine (49): „Wir sind Bauernopfer, weil die Politik über 15 Jahre nicht in der Lage war, das Bauprojekt hier zu starten. Wäre das schneller gegangen, wären die Kröten kein Problem gewesen, weil sie sich nicht so vermehrt hätten. Wir haben auch nichts gegen Wohnungsbau, aber die Kröten sollen hierher, damit an der anderen Stelle ein Möbelhaus und ein Parkplatz entstehen können.“Sabine Gudath

Seit 15 Jahren wird um die Brache in Berlin-Pankow gekämpft, wurden von Investor Kurt Krieger Pläne vorgestellt und nach Widersprüchen aus der Politik wieder geändert. Die letzte Hürde: 315 seltene Kreuzkröten, die Naturschützer vor mehr als zehn Jahren auf dem Gelände entdeckten. Die müssen jetzt umgesiedelt werden, damit gebaut werden kann – und dafür müssen Kleingärtner weichen, die inzwischen selbst schon so etwas wie eine bedrohte Art sind.

Ungleicher Kampf: 39 Kleingärtner gegen 315 Kreuzkröten

27 Hektar vom S- und U-Bahnhof Pankow bis zur Prenzlauer Promenade: Auf der Fläche des ehemaligen Rangierbahnhofs Pankow steht eines der größten Berliner Bauprojekte vor dem Start: das Pankower Tor mit mehr als 2000 Wohnungen, mit Möbelhaus, Schule und Kita. Dem in Weg stehen jetzt nur noch die Kreuzkröten. Seit zwei Jahren wird um eine Lösung gerungen. Der Naturschutzbund Nabu klagte gegen eine Umsiedlung der Kröten. So etwas sei noch nie gelungen und der Umzug wahrscheinlich der endgültige Todesstoß für die bedrohte Krötenart.

Ingrid Schloack (81) hat hier seit 1988 den Garten: „Mir bricht die ganze Sache das Herz! Im Sommer ist das hier mein Paradies, mit meinem Mann habe ich das alles aufgebaut und auch nach seinem Tod habe ich weitergemacht.“
Ingrid Schloack (81) hat hier seit 1988 den Garten: „Mir bricht die ganze Sache das Herz! Im Sommer ist das hier mein Paradies, mit meinem Mann habe ich das alles aufgebaut und auch nach seinem Tod habe ich weitergemacht.“Sabine Gudath

Doch jetzt ist die Entscheidung gefallen. Umzug ja, aber nicht in irgendein Niemandsland, sondern auf ein benachbartes Areal, auf dem bis jetzt die Kleingartenkolonie Feuchter Winkel (West) zu Hause ist. Seit 99 Jahren. Aber 100 Jahre wird die Anlage nicht mehr werden. Krieger hat der Bahn die Kolonie abgekauft, wie BZ berichtet. Die 39 Kleingärtner werden in diesem Herbst die letzte Ernte einbringen, dann werden die Lauben abgerissen und das Areal plattgemacht.   

„Wir sind Bauernopfer, weil die Politik über 15 Jahre nicht in der Lage war, das Bauprojekt hier zu starten“, schimpfen Jürgen Blohm (56) und Marcel Heine (49), die gerade bei der Gartenarbeit sind. „Wäre das schneller gegangen, wären die Kröten kein Problem gewesen, weil sie sich nicht so vermehrt hätten. Wir haben auch nichts gegen Wohnungsbau, aber die Kröten sollen hierher, damit an der anderen Stelle ein Möbelhaus und ein Parkplatz entstehen können.“

Die Pankower Kleingärtner verstehen den geplanten Abriss nicht. „Wir alle wurden vollkommen überrascht, nicht einmal der Verband hat von etwas gewusst“, sagt Stefan Gregor (67). „Warum sollen die Kreuzkröten hier untergebracht werden? Die brauchen es trocken und sandig, die Gartenanlage heißt nicht umsonst Feuchter Winkel, in dem sich unter anderem auch Ringelnattern sehr wohlfühlen.“

Die benachbarte Brache, die jetzt bebaut werden soll, ist ein kleines Naturbiotop. Neben der Kreuzkröte leben hier auch Zauneidechsen, Teichmolch, Ringelnatter und Bachstelze. Ist die Kreuzkröte aber umgesiedelt, soll in zwei Jahren das Baufeld frei gemacht und planiert werden. Die Zauneidechse soll indes am Ort bleiben, erklärte der damalige Bezirksbürgermeister Sören Benn vor zwei Jahren.

Aber auch die Kleingartenanlage, die jetzt weichen soll, bietet Zuflucht für viele Tiere.  „Was ist mit den hier bereits wohnenden, auch geschützten Tieren wie Blindschleiche, Ringelnatter und Zauneidechse? Sind die egal, damit Herr Krieger ein Möbelhaus und einen Parkplatz bauen kann?“, sagt Ingrid Schloack. Die 81-Jährige, die hier seit 1988 einen Garten hat, ist verzweifelt. „Mir bricht die ganze Sache das Herz! Im Sommer ist das hier mein Paradies, mit meinem Mann habe ich das alles aufgebaut und auch nach seinem Tod habe ich weitergemacht.“

Stefan Gregor (67) hat hier seit 2017 ein Gärtchen: „Wir alle wurden vollkommen überrascht, nicht einmal der Verband hat von etwas gewusst. Wir verstehen die ganze Sache nicht. Warum sollen die Kreuzkröten hier untergebracht werden? Die brauchen es trocken und sandig, die Gartenanlage heißt nicht umsonst Feuchter Winkel, in dem sich unter anderem auch Ringelnattern sehr wohlfühlen.“
Stefan Gregor (67) hat hier seit 2017 ein Gärtchen: „Wir alle wurden vollkommen überrascht, nicht einmal der Verband hat von etwas gewusst. Wir verstehen die ganze Sache nicht. Warum sollen die Kreuzkröten hier untergebracht werden? Die brauchen es trocken und sandig, die Gartenanlage heißt nicht umsonst Feuchter Winkel, in dem sich unter anderem auch Ringelnattern sehr wohlfühlen.“Sabine Gudath

2000 Wohnungen, zwei Kitas sowie eine Grund- und eine Oberschule, ein Quartierspark, Geschäfte und ein Möbelhaus sollen auf dem etwa 34 Hektar großen Areal entstehen. Das sieht der Masterplan vor, den der Architekt Tobias Nöfer im Februar 2022 präsentierte. Die Wohnhäuser sollen überwiegend eine Höhe von fünf bis sechs Geschossen erreichen und in einer Blockstruktur mit grünen Innenhöfen entstehen.

39 Parzellen werden hier plattgemacht: Die Kleingartenanlage Feuchter Winkel (West) muss 315 Kreuzkröten weichen.
39 Parzellen werden hier plattgemacht: Die Kleingartenanlage Feuchter Winkel (West) muss 315 Kreuzkröten weichen.Sabine Gudath

Auch die Anlage Feuchter Winkel (Ost) muss bald weichen

„Starten wird Krieger mit dem Bau von Sozialwohnungen“, sagte Baustadtrat Cornelius Bechtler (Grüne) jetzt der BZ. Rund 600 Sozialwohnungen sind geplant. Insgesamt sollen später mal 6000 Berliner am Pankower Tor wohnen. Die Kleingärtner bekommen eine Entschädigung, um die Pflege der Kreuzkröten kümmert sich später die Stiftung Naturschutz, die in den von Krieger sanierten Rundlokschuppen am S-Bahnhof Heinersdorf einzieht.

Hinter dem sanierten Rundlokschuppen: Auch die Kleingartenanlage Feuchter Winkel (Ost) muss für das Neubauprojekt weichen.
Hinter dem sanierten Rundlokschuppen: Auch die Kleingartenanlage Feuchter Winkel (Ost) muss für das Neubauprojekt weichen.Jürgen Ritter/imago

Für den geplanten Schulneubau muss aber noch eine zweite Kleingartenanlage weichen – der benachbarte Feuchte Winkel (Ost). Betroffen sind hier 129 Parzellen. Diese Kleingärtner bekommen eine Gnadenfrist: Mindestens drei Jahre dürfen sie noch bleiben, der Schulneubau soll frühestens 2028 beginnen.

Haben Sie auch Probleme mit Ihrem Kleingarten? Schreiben Sie uns an leser-bk@berlinerverlag.com. Wir freuen uns auf Ihre Nachrichten!