Der Frühling ist da! Viele Berliner sind jetzt auf ihrer Datsche oder Laube, beackern Beete, pflanzen Blumen. Doch wie lange noch? Über 70.000 Kleingärten hat Berlin. Und ihre Existenz ist bedroht – vor allem durch den Wohnungsbau. Rettung verspricht der Senat. Nach jahrelangem Hin und Her ist nun das erste Berliner Kleingartenschutzgesetz fertig. Der Entwurf ist noch geheim. Aus gutem Grund!
Die Hauptstadt wächst. Fast vier Millionen Menschen leben in Berlin und es werden immer mehr. Wohnungen sind daher knapp und teuer. Laut dem Stadtentwicklungsplan von Bausenator Christian Gaebler (SPD) müssen etwa 222.000 Wohnungen bis 2040 gebaut werden. „Zusätzlich werden Flächen für weitere 50.000 Wohnungen benötigt, um für den Fall gerüstet zu sein, dass Berlin stärker wächst als erwartet“, heißt es darin.
Doch woher die Flächen für neue Wohnungen nehmen? Entweder, man plant, Gebäude wie das legendäre DDR-Spaßbad SEZ in Berlin-Friedrichshain abzureißen. Oder man widmet die Kleingartenflächen einfach in Bauland um.
In der Praxis ist das oft genug passiert. „Seit zehn Jahren fallen immer mehr Kleingärten der Bodenspekulation und Bauwut zum Opfer“, sagt Bau-Expertin Katalin Gennburg (Linke). Das trifft vor allem die 12.000 Datschen, die sich auf privaten Boden befinden. So einige Eigentümer wollen mit ihren Flächen mehr Profit machen, als es der Pachtzins für die Datschen hergibt. Verkäufe an private Immobilienfirmen sind keine Seltenheit.
Aber auch die 58.000 Kleingärten, die sich auf landeseigenen Boden befinden, sind bedroht. „Zu den derzeit unsicheren Anlagen gehören unter anderem die Kleingärten im ,Dreieck Späthsfelde‘ in Treptow, wo der Senat ein neues Stadtquartier plant“, sagt Gert Schoppa, Präsident des Landesverbandes der Berliner Gartenfreunde.
Gärten vor Spekulanten und Wohnungsbau retten: Dafür muss ein Gesetz her
Gärten vor Spekulanten und massiven Wohnungsbau retten: „Deswegen haben wir als Linke schon zu Regierungszeiten auf den Schutz der Kleingartenflächen per Gesetz gedrängt“, sagt Linke-Abgeordnete Gennburg. Genutzt hat es nichts.
In der einstigen rot-tot-grünen Senatsherrschaft gab es viel Widerstand. Nicht nur aus Teilen der SPD, die damals die Bauverwaltung innehatte. Auch seitens der Grünen: Ausgerechnet die Umweltpartei wollte sich dem Vernehmen nach nicht wirklich für den Schutz der Gärten einsetzen. Es soll einigen nicht in das politische Konzept gepasst haben. Die Verkehrswende war den Berliner Grünen bekannterweise wichtiger.

Nun wollen also CDU und SPD Berlins erstes Kleingartenschutzgesetz auf dem Weg bringen. Der Entwurf, der offiziell noch hinter den Kulissen diskutiert wird, liegt dem KURIER vor. Beim genauen Lesen hat man Zweifel, ob dieses Gesetz wirklich alle Berliner Kleingärten vor dem Wegbaggern schützen soll.
Entwurf fertig: DAS steht in dem Kleingartenschutzgesetz von Berlin
Denn das Gesetz stellt nicht alle 70.000 Kleingärten unter Schutz. Es soll nur die Kleingartenanlagen auf landeseigenen Flächen schützen und erhalten. Positiv: Das Land Berlin verzichtet darauf, Flächen zu verkaufen, auf denen sich Kleingartenanlagen befinden. So steht es im Paragraf 3 des Gesetzesentwurfes.
Die bittere Pille: Damit stehen aber alle über 12.000 Datschen auf privatem Grund und Boden nicht unter dem Schutz des Gesetzes. Deren Eigentümer können mit der Immobilie umgehen, wie sie wollen. Etwa die Grundstücke an private Investoren für gutes Geld verkaufen, die darauf teure Wohnungen bauen.
Für die Linken ist schon allein daher das erste Berliner Kleingartenschutzgesetz eine Farce. „Das von CDU und SPD vorgelegte Gesetz trägt rein gar nichts zum Schutz dieser wichtigen Berliner Erholungslandschaften bei“, sagt Katalin Gennburg dem KURIER.
Die Abgeordnete kündigt an, dass die Linkspartei einen eigenen Gesetzesvorschlag vorlegen will. Gennburg: „Wir fordern den Schutz aller Kleingärten, ob auf Landesflächen oder auf privatem Boden. Die Kleingärten gehören zu Berlin, wie die Spree und der Fernsehturm!“

Berlins Kleingartenverbandschef Schoppa ist erst einmal froh darüber, dass es endlich überhaupt ein Schutzgesetz geben soll, auch wenn es nur Laubenpieperkolonien auf Landesflächen schützt. Es sei schon schwierig, auch die Eigentümer der privaten Flächen in dem Gesetz mit einzubinden. „Wegen einer Entwertung der Grundstücke könnten dem Senat Schadensersatzforderungen drohen“, sagt Schoppa dem KURIER.
Aber auch die Kleingartenanlagen auf Landesflächen werden durch das geplante Gesetz nicht ausreichend geschützt, so Schoppa. Der Grund ist Absatz 2 im Paragrafen 3, in dem man schon die Wohnungsbau-Bagger förmlich anrollen hört.
Schutz der Datschen: Kleingarten-Chef fordert präzise Formulierungen
Darin steht: „Kleingartenanlagen auf landeseigenen Flächen dürfen nur aufgegeben werden, soweit das öffentliche Interesse an einer anderen Nutzung überwiegt und das Abgeordnetenhaus zustimmt. Als öffentliches Interesse an anderen Nutzungen sind ausschließlich die Wohnbedürfnisse und die diese begleitende soziale Infrastruktur sowie die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung zu berücksichtigen.“
Was bedeutet „Wohnbedürfnisse“, „soziale Infrastruktur“ oder „Mobilitätsbedürfnisse“ genau? „Diese Kriterien müssen schon eindeutig festgelegt werden“, sagt der Kleingartenverbandschef. Denn diese Punkte entscheiden auch darüber, ob wegen „Wohnbedürfnisse“ Kleingartenanlegen umgesiedelt werden. Das kann der Senat laut eigenem Gesetzentwurf auch ohne Zustimmung des Parlamentes.

Schoppa fordert daher vom Senat: „Das Gesetz muss so präzise formuliert sein, damit wirklich ein 100-prozentiger Schutz gewährleistet ist.“
Ähnlich sieht es auch die Opposition. So kritisiert die Linke, dass durch die schwammige Formulierung im Gesetztext auch möglich wäre, dass Gärten auf Landesflächen etwa durch den Bau von Eigentumswohnungen verschwinden könnten. Außerdem ist in dem Gesetz nicht genau formuliert, wo im Falle des Falles Ersatzflächen für wegfallende Kleingärten entstehen sollen – in der Nähe oder vielleicht irgendwo in Brandenburg.
Kritik zu dem Gesetz kommt auch von Vertretern der Senatskoalition. SPD-Umweltpolitikerin Linda Vierecke sagte dem RBB, dass es mit dem Gesetzentwurf noch keine echte Sicherung der Kleingärten in Berlin erreicht sei. Sie rechne aber damit, dass es noch Anpassungen geben wird.
Derzeit laufen noch die Diskussionen über den Gesetzentwurf. Dieser könnte dann bis zum Sommer dem Abgeordnetenhaus zur Abstimmung vorgelegt werden. ■