Problem mit Ansage

Voll doof! Schüler stapeln sich zum Schulbeginn in überfüllten Klassen

In fast 80 siebenten Klassen wird die Höchstzahl von 26 Schülern zum Schulbeginn überschritten.

Author - Stefanie Hildebrandt
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So viel Platz zum Fläzen wird es in einigen siebenten Klassen im neuen Schuljahr nicht geben.
So viel Platz zum Fläzen wird es in einigen siebenten Klassen im neuen Schuljahr nicht geben.imago stock&people

Integrierte Sekundarschulen haben kleinere Klassen und eine bessere Ausstattung mit Lehrern, weil eine heterogene Schülerschaft an dieser Schulform lernt. Schüler mit besonderen Bedarfen, auch sonderpädagogischem Förderbedarf, treffen auf solche, die lieber entspannt in 13 Jahren ihr Abitur ablegen wollen. Dafür gibt es an ISS für die unterschiedlichen Leistungsniveaus zugeschnittene Angebote. So schön, so Theorie.

Denn mit diesem Schuljahr, das am Montag beginnt, wird es voller werden an den Berliner ISS, der Druck auf dem Kessel Schulsystem, er wächst weiter. Wie der RBB berichtet, werden in fast 80 Berliner Schulklassen mehr Schüler sitzen, als die eigentlich in einer Verordnung vorgesehenen maximal 26 Schüler. Jeweils mindestens eine übergroße Sekundarschulklasse verzeichnet laut RBB die Hälfte der Bezirke. In Mitte, Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf gebe es Klassen mit bis zu 28 Siebtklässlern, in Spandau und Neukölln mit bis zu 27.

Volle Klassen waren vorhersehbar

Welche Folgen das für Schüler und Lehrer hat, erläutert Landeselternsprecher Norman Heise.  Er und die Elternschaft haben schon früh vor genau dem Szenario gewarnt, das nun eintritt. „Die vollen Klassen an den ISS sind eine Problematik mit Ansage“, sagt Heise dem Berliner KURIER. „Sie sind Folge des verschärften Zugangs zu Gymnasien und einer überhasteten Umstellung.“ Weil es für dieses Schuljahr schwerer war, einen Platz an einem Gymnasium zu erhalten, ein Notendurchschnitt von 2,2 oder ein Probeunterricht waren gefordert, hat es einen vorhersehbaren Run auf Integrierte Sekundarschulen mit gymnasialer Oberstufe gegeben. Der schlägt sich nun in zusätzlichen Klassen und größeren Klassen nieder.

„Pädagogen sind sozial, sie wissen, dass sie die Kinder nicht einfach auf der Straße stehen lassen können“, sagt Heise. Auch diese weitere Verschärfung in der Berliner Bildungsmisere werden die Lehrkräfte also mittragen. Die gesetzlich verankerte Schulpflicht wiegt schließlich schwerer als die Idee, in kleineren Klassen bessere Bildung zu ermöglichen.

Abhilfe hätte in Heises Augen ein weniger forsches Vorgehen der Bildungsverwaltung schaffen können. „Lasst euch ein Jahr mehr Zeit, sprecht mit allen Beteiligten, schaut auf die Zahlen“, habe man der Senatorin gesagt. „Man hätte sehen können, dass das nicht aufgeht“, so Heise.

Unterrichtsqualität leidet durch volle Klassen

Dass an den Schulen einzelne Klassen größer werden, sorgt auch für Platzprobleme. In manchen Klassenräumen ist es unmöglich, noch ein oder zwei weitere Bänke hineinzuquetschen. „Weitere Verdichtung sorgt für mehr Reibung auch im sozialen Miteinander“, so Heise. Gut möglich, dass sich die Schulsozialarbeiter stärker gefordert sehen.

Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses Berlin, hatte schon früh vor den Folgen des Runs auf die ISS gewarnt.
Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses Berlin, hatte schon früh vor den Folgen des Runs auf die ISS gewarnt.Sebastian Gollnow/dpa

Denn auch eine Überbelegung mit Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist längst nicht mehr die Ausnahme. Vier Kinder pro Klasse sollen es eigentlich sein, in der Praxis wird die Zahl überschritten. Nicht alle Bedarfe sind diagnostiziert, generell nehmen sie in der Schülerschaft zu.

All dies triff auf eine Lehrerschaft, die aus nicht umfassend ausgebildeten Quereinsteigern und bereits überlasteten Pädagogen besteht. „Eine dringend notwendige gute Unterrichtsqualität zu gewährleisten, wird so immer schwerer“, so Heise.

Die Bildungssenatorin wertet die übervollen Klassen als Einzelfälle. Sie seien Folge des Schulplatzmangels in Berlin, das neue Zugangsverfahren habe nichts damit zu tun, so ein Sprecher auf KURIER-Anfrage.

Seit Beginn der Berliner Schulbauoffensive habe man bereits rund zusätzliche 50.000 Plätze einrichten können. „Aktuell fehlen rechnerisch noch 25.000 Plätze“, so der Sprecher. „Durch die Schulbauoffensive und die demografische Entwicklung haben wir in den kommenden Jahren die Möglichkeit, auch bei den überbelegten Schulen/ Klassen für Entlastung zu sorgen. Allein zum neuen Schuljahr kommen neun neue Schulbauten zum Einsatz.“

Der neue Probeunterricht habe mit der Überbelegung nichts zu tun: „Die Quote der gymnasialempfohlenen Kinder lag auch in diesem Jahr bei rund 54 Prozent“,  dies sagt indes wenig darüber aus, wie viele Eltern sich trotz Empfehlung für ein Gymnasium für eine ISS entschieden haben.