Clara und ihre Mutter Claudia stehen einigermaßen gefasst vor dem Bauschild. Hier auf dem ehemaligen Industriegelände an der Insel Gartenfeld soll einmal Claras Schule entstehen. Doch im Herbst ist diese Schule garantiert noch nicht fertig. „Wir nennen es das Luftschloss“, sagt Claudia D. Ihre Tochter Clara hat in der Berliner Schulplatzlotterie eine echte Niete gezogen.
Die 12-Jährige wird mit 170 anderen Kindern jahrelang im Bezirk herum gereicht und mit Zwischenlösungen abgespeist. Unter anderem mit Unterricht in einem Containerdorf von 1989.
Schule muss erst noch gebaut werden
Doch von vorn: Im neuen Viertel für 10.000 Bewohner, das im Osten Spandaus entstehen soll, ist auch eine neue Oberschule geplant. Doch schon zum kommenden Schuljahr, welches am 8. September beginnt, hat diese Schule bereits 170 Schüler zugewiesen bekommen. Eine von ihnen: Clara. Das Problem: der Baustart für die Schule ist für 2026 geplant, Fertigstellung soll 2029 sein. Dann wäre Clara in der zehnten Klasse.
Bis dahin werden die Schüler mit Notlösungen abgespeist. In der siebenten Klasse soll Clara etwa in einer Sonderklasse an der Carlo Schmitt Oberschule unterrichtet werden. Extra Lehrpersonal gibt es für diese zwei zusätzlichen Klassen nicht. Ein Kraftakt. Sobald ein Containerdorf an der Heinrich Böll Schule reaktiviert ist, sollen die Schüler der Phantomschule dorthin umziehen. Das Containerdorf selber ist eine Notlösung, die seit 30 Jahren besteht, weil die eigentliche Schule asbestverseucht war.
Eltern und Kinder wie Clara und ihre Mutter haben das Gefühl, dass sie dem Berliner Schulplatzlotto machtlos ausgeliefert sind. Von Pankow bis Köpenick: von freier Entscheidung über den Schulplatz kann keine Rede sein.
„Die Kinder können sich anstrengen wie sie wollen und werden trotzdem frustriert, das ist nachhaltig schädigend“, sagt Claudia. Keiner der drei Wünsche, die Clara für den Wechsel an die Oberschule angegeben hatte, wurde berücksichtig. Der erschwerte Zugang zum Gymnasium ab diesem Schuljahr hat Clara den Weg zusätzlich verbaut: Das Gymnasium, auf das auch Claras Geschwister gehen, hätte sogar noch freie Plätze. Doch mit einem Notendurchschnitt von 2,4 und einem nicht bestandenen Probeunterricht darf Clara dort nicht hingehen.

Noch mehr Unsicherheit in der Pubertät
„Gerade in einer Zeit, in der Schüler in ihrer Entwicklung stabile Rahmenbedingungen brauchen, werden sie mit so viel Unsicherheit konfrontiert“, sagt Claudia. Eine Schulkarriere im Notfallmodus. Bisher gebe es keine Ansprechpartner, keine Klassenlehrer, keine Infos zum neuen Schuljahr, so Claudia D. Ein Identifizieren mit einer Schulgemeinschaft sei nicht möglich.
Erschwerend für Clara kommt hinzu, dass sie vier Mal in der Woche zum Training zum Rollkunstlaufen fährt. Von der neuen Schule wäre sie anderthalb Stunden für einen Weg unterwegs. Ein No-Go, denn Clara ist fast leistungsmäßig auf ihren Rollschuhen unterwegs.