Im November zogen die ersten Menschen in eine neue Mega-Flüchtlingsunterkunft an der Landsberger Allee in Berlin-Lichtenberg, das ehemalige City-Hotel Berlin East. Vor allen Dingen Ukrainer. Jetzt bot die Wohnungsbaugenossenschaft Friedrichshain (WBGF), der in der Nachbarschaft der Hoteltürme 1500 Wohnungen gehören, dort Jobs an. Es wurden unter den Flüchtlingen Handwerker gesucht, die die Wohnungen der WBGF in Schuss halten. Doch keiner wollte einen der Jobs haben.
Die WBGF wollte mit dem Jobangebot gleich zwei Dinge erreichen. Dabei helfen, die Flüchtlinge in Berlin besser zu integrieren – und Vorurteile in der Nachbarschaft abzubauen. Bei Mietern, die der Meinung sind, dass das Land Berlin den Zugewanderten mit Unsummen luxuriöse Wohnverhältnisse finanziere, während in den Plattenbauten alles zusammenbreche, heißt es in der Berliner Zeitung.
In Berlin-Lichtenberg: Keiner der Ukrainer wollte einen dieser Jobs
Auch Juliya, der in Kiew eine Sanitärfirma gehörte, und die mit ihrem Mann und zwei Kindern in den Hoteltürmen wohnt, fand die Idee gut. Sie begann, wie die Berliner Zeitung berichtet, unter den Ukrainern in der Unterkunft herumzufragen: Kennt ihr nicht jemanden, der ein Händchen hat für Malerarbeiten, Elektriker, Klempner? Dutzende erfuhren von dem Angebot. Ergebnis: Niemand wollte einen dieser Jobs. Einige suchten nach Ausflüchten, sagten, dass die Betreuung der Kinder oder Deutschkursen, für die sie jeden Tag nach Tegel fahren, einer Arbeitsaufnahme im Weg stehen würden. Juliya mutmaßt, dass das zum Teil „Ausreden“ waren.
Auch in Telegram-Chatgruppen ukrainischer Geflüchteter gab es wenig Interesse. Die Leute hätten erst mal wissen wollen: Wie viel bekommt man? Was sind die Arbeitszeiten? Weil sie dazu nichts sagen konnte, seien die Chats versandet, berichtet die Berliner Zeitung. Das habe wohl auch mit der „ukrainischen Mentalität“ zu tun, sagt die Ukrainerin. Solange unklar sei, welches Angebot wirklich auf dem Tisch liegt, seien die Leute skeptisch.
Mehr als 50.000 ukrainische Flüchtlinge leben in Berlin, in ganz Deutschland sollen es rund 1,2 Millionen sein, von denen 530.000 von der Bundesagentur für Arbeit als erwerbsfähig eingestuft wurden. Aber: Rund 1,17 Millionen der Ukrainer erhalten laut Auskunft der Bundesregierung aus dem vergangenen Jahr Bürgergeld. Erwachsene haben derzeit Anspruch auf bis zu 563 Euro pro Monat, der Staat übernimmt auch die Wohn- und Heizkosten, Krankenversicherung, Einrichtung und Schulbedarf. Asylbewerber erhalten dagegen 103 Euro pro Monat weniger.
Die Berliner CDU-Abgeordnete Lilia Usik (35, geboren in der Ukraine) ist verwundert, dass im City-Hotel Berlin East kein Handwerker gefunden wurde. „Meine Erfahrung ist, dass die meisten sehr froh sind, irgendeine Arbeit aufzunehmen“, sagt sie in der Berliner Zeitung. Aber das kommt das Bürgergeld ins Spiel: Viele Ukrainer hätten es nicht für möglich gehalten, dass man mit dem Bezug von Sozialleistungen einigermaßen über die Runden kommen könne. Das kannten sie aus ihrer Heimat nicht. Und dass die Leistungen alle entfallen, sobald sie einen Vollzeitjob annehmen, sei nicht sehr förderlich für die Motivation.
Kein Bürgergeld mehr: CDU/CSU will Leistungen für Ukrainer kürzen
Viele Ukrainer seien auch frustriert, weil es in Deutschland so lange dauere, bis ihre Qualifikationen erkannt werde. Bei einer erfahrenen Ärztin könne es sechs Jahre dauern, bis sie als Anfängerin eingestuft werde.
CDU/CSU stellen Bürgergeld für Ukrainer infrage, wollen die Leistungen nach der nächsten Bundestagswahl kürzen. „Wer auf der Flucht vor Krieg und Gewalt ist, hat bei uns Anspruch auf Schutz. Das heißt allerdings nicht, dass es in Deutschland einen automatischen Anspruch auf das Bürgergeld geben muss“, sagt Stephan Stracke (CSU), sozialpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in einem Interview mit der Deutschen Welle. Neu einreisende ukrainische Kriegsflüchtlinge sollten „zunächst einmal Asylbewerberleistungen“.

Igor, der Mann von Juliya, aus dem Flüchtlings-Hochhaus in Lichtenberg arbeitet als Ausfahrer bei Amazon. Ein leichter Job, genau richtig für ihn mit seiner Kriegsverletzung am Bein aus den Kämpfen um Luhansk, die ihm die Ausreise ermöglichte. In Kiew arbeitete er in der Sanitärfirma seiner Frau. Auf das Jobangebot der Wohnungsbaugenossenschaft Friedrichshain ist er aber auch nicht eingegangen. Es sei ein „Knochenjob“, sagt Igor in der Berliner Zeitung. Er wisse nicht recht, ob er dem körperlich noch so gewachsen wäre wie in der Zeit vor dem Krieg. ■