Die Berliner Polizei setzt inzwischen auch unauffällige Methoden zur Geschwindigkeitskontrolle ein – mit überraschenden Ergebnissen. Dumm nur, dass dabei nicht abkassiert wird. So gehen dem Land Berlin mindestens 50 Millionen Euro flöten.
Besonders drastisch ist die Situation offenbar in Pankow. Dort waren auf einer Straße 95 Prozent der Fahrer zu schnell unterwegs, schreibt der Tagesspiegel (Bezahlschranke). Während klassische Blitzer und Laserpistolen seit Jahren nur eine Überschreitungsrate von rund 5 Prozent dokumentieren, liefern die neuen Messkästen ganz andere Zahlen: Bei 26 Prozent aller erfassten Fahrzeuge wurde eine deutliche Tempoüberschreitung festgestellt.
Diese Geräte, die etwa die Größe eines Schuhkartons haben, sind unscheinbar. Sie werden an Laternen oder Verkehrsschildern befestigt und arbeiten mit Akkubetrieb. Laut Polizei ermöglichen sie „die Zählung, präzise Geschwindigkeitsmessungen sowie die Identifikation vorbeifahrender Objekte“, schreibt das Blatt.
Allerdings gibt es für Temposünder keinen Grund zur Sorge: Die Messkästen speichern keine Bilder und liefern keine verwertbaren Beweise für Bußgelder, da sie nicht geeicht sind. Noch nicht. Gerichtsfeste Bußgeldbescheide wären daher nicht möglich. Trotzdem betont die Polizei, dass die Messdaten in aller Regel gültig seien. Den klammen Kassen des Landes Berlin hilft das natürlich nicht.
Um die Vergleichbarkeit mit anderen Tempokontrollen sicherzustellen, werde auch bei den Messkästen eine Toleranz abgezogen. Üblich seien dabei 5 km/h, sodass als „zu schnell“ nur gelte, wer mindestens 6 km/h überm Limit fährt.
Meistens werden die Kästen für etwa eine Woche dort installiert, wo Anwohner über Raser klagen. Gleichzeitig prüfen die Direktionen so, wo sich mobile Blitzer oder Laserpistolen besonders lohnen. Auf Anfrage des Tagesspiegels hat das Polizeipräsidium nun die Ergebnisse von mehr als sechs Millionen Messungen in 148 Berliner Straßen veröffentlicht.

Insgesamt wurden 1,6 Millionen Schnellfahrer erfasst – das sind 26 Prozent. Dabei variierten die Werte je nach Standort erheblich: von 0,3 bis zu 95 Prozent. In 25 Straßen fuhr mehr als jeder Zweite zu schnell, in 15 Straßen hielten sich sogar mehr als zwei Drittel nicht an das Tempolimit.
Pankow: Drei Straßen mit mehr als 90 Prozent Schnellfahrern
Den unrühmlichen Spitzenplatz belegt die Hobrechtsfelder Chaussee, die mit Tempolimit 50 durch den Bucher Forst führt. Direkt vor einer Försterei mit Wohnhaus und mehreren Zufahrten wurden 95 Prozent der Fahrzeuge mit überhöhter Geschwindigkeit erfasst. Auf Platz zwei folgt die Zepernicker Straße, wo bei erlaubten 30 km/h ganze 93 Prozent der Autofahrer zu schnell waren.
Auch die Wisbyer Straße, wo ebenfalls Tempo 30 gilt, zeigt ein alarmierendes Bild: Zwischen Prenzlauer Promenade und Talstraße ignorierten 91,5 Prozent der Fahrer die Geschwindigkeitsbegrenzung – und das trotz des Warnschilds „Achtung, Kinder“.
Die Straße mit den meisten erfassten Fahrzeugen war die B1/B5 in Alt-Mahlsdorf. Von 216.000 gemessenen Autos überschritten zwei Drittel die erlaubten 60 km/h. Zuvor war zehn Tage lang stadtauswärts gemessen worden: 162.000 Fahrzeuge, von denen 80 Prozent schneller fuhren als erlaubt.
Der drastische Unterschied zu herkömmlichen Tempokontrollen dürfte vor allem darin liegen, dass Autofahrer durch Blitzer-Apps, Radiosender oder den Gegenverkehr gewarnt werden und dann abbremsen. Die versteckten Messkästen bleiben dagegen unbemerkt – und zeigen so ein realistischeres Bild des Berliner Straßenverkehrs.
Angenommen, dass alle als zu schnell erfassten Fahrzeuge das Tempolimit um höchstens 10 km/h überschritten haben, so der Tagesspiegel, dann hätten die Verstöße rechnerisch mehr als 48 Millionen Euro in die Berliner Landeskasse gespült. Wohlgemerkt: hätten! Denn geahndet wurde das nicht. Berlin hat’s ja.
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