Mehr Autoverkehr vor Schule

Der Poller-Wahnsinn von Berlin-Mitte: Grünen-Pläne sind Murks

Seit gut einem Jahr ist die Tucholskystraße eine Fahrradstraße. Doch das, was die Planer angedacht haben, funktioniert bis heute nicht.

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Viel weniger Radfahrer als gedacht nutzen diese Fahrradstraße in Berlin-Mitte. Die Durchfahrt für Autos an der Kreuzung August- Ecke Tucholskystraße wird durch rot-weiße Stahlpoller verhindert.
Viel weniger Radfahrer als gedacht nutzen diese Fahrradstraße in Berlin-Mitte. Die Durchfahrt für Autos an der Kreuzung August- Ecke Tucholskystraße wird durch rot-weiße Stahlpoller verhindert.Sabine Gudath

Die grüne Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Mitte und die zuständige Stadträtin (ebenfalls Grüne) haben sich damals dafür gefeiert – für die Umwidmung der Tucholskystraße zur Fahrradstraße und die Errichtung von Pollern an der Kreuzung zur Auguststraße. Aber jetzt kommt nach und nach raus, dass die Umsetzung der Pläne kompletter Murks ist. Die Zahl der Unfälle mit Radfahrern hat sich hier vervielfacht (KURIER berichtete), der Schleichverkehr durch den Kiez hat zugenommen, es gibt mehr Autoverkehr vor einer Schule.

Ursprünglich sollten zwei Diagonalsperren gebaut werden, um den Autoverkehr aus dem Kiez herauszuhalten. Gebaut wurde Ende 2023 nur eine – an der Kreuzung Tucholsky- Ecke Auguststraße. Die Diagonalsperre an der August- Ecke Große Hamburger Straße aber fehlt bis heute. Am 9. Januar 2024 lud die damalige Bezirksstadträtin Dr. Almut Neumann zum lustigen Anradeln an der Kreuzung Tucholskystraße/Auguststraße ein. Die Lokalpolitikerin der Grünen versprach vorher, dass die Poller den „Schleichverkehr durch die Tucholskystraße zwischen Torstraße und Oranienburger Straße“ unterbinden werden.

Die Poller lenken den Verkehr in die falsche Richtung

Wie sieht es nun gut ein Jahr später aus? Die grüne Stadträtin ist im März vergangenen Jahres zurückgetreten – und der Schleichverkehr hat sich nur verlagert. Das liegt auch an der fehlenden zweiten Diagonalsperre. Der Verein Changing Cities hat bei einer Verkehrszählung festgestellt, dass es durch die neue Fahrradstraße keine merkliche Reduzierung, sondern vor allem eine Verlagerung des Durchgangsverkehrs in andere Nebenstraßen des Kiezes gab, wie die Berliner Morgenpost berichtet.

Die Poller lenken den Verkehr in die falsche Richtung, die Autofahrer haben sich neue Wege gesucht, um ans Ziel zu kommen. Statt von der Oranienburger Straße geradewegs über die Tucholskystraße zur Torstraße zu fahren, führt der Weg zur Torstraße jetzt einmal quer durch den Kiez – über Krausnickstraße, Große Hamburger Straße, Koppenplatz und Ackerstraße. Vorbei an einer Grundschule und durch eine Tempo-10-Zone.

Eigentlich sollte die zweite, noch immer fehlende Diagonalsperre den Verkehr von der Grundschule am Koppenplatz wegleiten. Doch durch die einseitige Pollersperre in der Tucholskystraße hat der Autoverkehr vor der Grundschule um 28 Prozent zugenommen, ergab die Verkehrszählung.

Tucholskystraße: Weniger Radfahrer als erwartet

Die Idee mit der Tucholskystraße als Fahrradstraße funktioniert aber hinten und vorne nicht. Die Straße benutzen immer noch mehr Autos als gedacht (90 pro Stunde) und weniger Fahrradfahrer als erwartet. Der Radverkehr hat zwar im Schnitt um 18 Prozent zugenommen, aber nicht in dem Maße, wie man mit der Schaffung der Fahrradstraße eigentlich vermutet hatte, berichtet die Berliner Morgenpost. Einzig in der Rushhour (16.30 bis 17 Uhr) ging es mit plus 29 Prozent deutlich nach oben, zwischen 17 und 17.30 Uhr wurde nur ein Plus von 10 Prozent ermittelt.

Changing Cities vermutet jetzt, dass das daran liege, dass viele Radfahrer die neue Verbindung durch die Tucholskystraße noch nicht kennen würden – was nach über einem Jahr doch recht unwahrscheinlich ist. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Bedarf für diese Verbindungsstrecke einfach nicht höher ist. Der größte Teil des Radverkehrs nutzt sowieso die parallel zur Torstraße verlaufende Linienstraße, schon seit Jahren eine gut ausgebaute Fahrradstraße ist. ■