Bagger greifen an

Stopp-Eilantrag vor Gericht: Doch Senat reißt Jahnstadion weiter ab

Dabei soll das Land Berlin noch nicht einmal die Millionen für den Neubau haben. Bekommen Naturschützer mit ihrem Eilantrag vor Gericht Recht, kann sich das Bauvorhaben erheblich verzögern.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Abrissarbeiten am Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion: Jetzt greifen am Tribüneneingang die Bagger an.
Abrissarbeiten am Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion: Jetzt greifen am Tribüneneingang die Bagger an.Emmanuele Contini/Berliner KURIER

Jetzt greifen die Bagger an. Seit dem heutigen Dienstag sind auf dem Areal des Berliner Jahnstadions in Aktion. Zunächst wurde mit dem Abriss der Treppen am Tribüneneingang der einstigen DDR-Arena begonnen. Doch die Senatsbauverwaltung bekommt Gegenwehr. Denn Naturschützer haben beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag eingereicht, um den Abriss zu stoppen, um dort Spatzen und Fledermäuse zu schützen, die auf dem Areal sind. Auch die Linkspartei klagt: Der Senat reißt das Jahnstadion ab, obwohl kein Geld für ein neues da ist.

Laut der Senatsverwaltung werden am Jahnstadion aktuell Rückbaumaßnahmen an der Osttribüne, der westlichen Überdachung und sonstigen baulichen Strukturen durchgeführt. Wie lange die Arbeiten dauern werden, ist unklar.

Inzwischen haben die Naturfreunde Berlin ihr Vorhaben wahr gemacht, und den angekündigten Eilantrag beim Verwaltungsgericht eingereicht. Es geht um das Nichtbeachten von Artenschutzbestimmungen.

Die Senatsbauverwaltung und zuständige Behörden hätten es versäumt, im Vorfeld der Abrissarbeiten sogenannte Ausgleichsflächen für Brutvögel und andere Tiere zu errichten, die im Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion heimisch sind. So sei es aber gesetzlich vorgeschrieben, sagt Uwe Hiksch vom Umweltverband Naturfreunde Berlin.

Anwohner und Sportpark-Besucher sehen dem Abriss zu.
Anwohner und Sportpark-Besucher sehen dem Abriss zu.Emmanuele Contini/Berliner KURIER

Derzeit würden 359 Nisthöhlen und Quartiere für Vögel und Fledermäuse fehlen, die rechtlich „bis spätestens 28. Februar 2024 als vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen zu realisieren waren“, so die Naturschützer.

Laut eines Gutachtens kommen auf dem Areal bis zu 25 Brutvogelarten (neben Sperlinge auch Stare und Hausrotschwänze) und neun von 16 der in Berlin vorkommenden Fledermausarten vor. Durch den Stadionabriss käme es „zum Verlust einer hohen Anzahl von Brutplätzen am Stadion, an der Westtribüne und den Nebengebäuden“.

Jahnstadion: Hat Eilantrag Erfolg, kommt es zu erheblichen Verzögerungen

Sollte das Verwaltungsgericht dem Eilantrag zustimmen (Entscheidung kann mehrere Tage dauern) und der Abriss des Jahnstadions gestoppt werden, könnten die Bauarbeiten auf dem Areal erheblich verzögert werden. Doch die Gefahr sieht offenbar die Senatsbauverwaltung nicht.

Nach Ansicht der Pressestelle würden die artenschutzrechtlichen Probleme, auf die sich die Naturschützer mit ihrem Eilantrag berufen, so nicht bestehen. Für die „Rückbaumaßnahmen“ seien erforderliche Maßnahmen (unter anderem Sperlingstürme, Fledermauskästen) mit der zuständigen unteren Naturschutzbehörde des Bezirks Pankow abgestimmt und in Teilen bereits umgesetzt“, erklärt die Pressestelle der Senatsverwaltung auf RBB-Anfrage.

Ergänzend erklärt die Behörde: Weitere erforderliche Maßnahmen im Sinne des Artenschutzes würde man umsetzen, sobald die Rückbaumaßnahmen anstehen, die sie notwendig machen.

Auch Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) hat keine Bedenken. „Ich muss sagen, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat immer sehr, sehr ordentlich gearbeitet, gerade auch in dem Bereich. Wir werden sehen, ob der Eilantrag vom Gericht überhaupt angenommen wird“, erklärte sie.

Ziel des Senates ist es, das Jahnstadion so schnell wie möglich dem Erdboden gleichzumachen, um mit dem Bau der neuen Arena (20.000 Plätze) zu beginnen. Dieses soll 2027 fertig sein. Doch nicht nur der mögliche Baustopp durch den Eilantrag der Naturschützer sorgt für Probleme. Da wären auch die Baukosten.

Linkspartei: Senat reißt Jahnstadion ab, obwohl kein Geld für ein neues da ist

Die Bauexpertin der Linkspartei, Katalin Gennburg erklärt: „Trotz schwieriger Haushaltslage und einer de facto Haushaltssperre hält der Senat daran fest, das Stadion im Jahn-Sportpark in diesen Tagen abzureißen. Die Kosten für den Abriss belaufen sich mittlerweile auf rund 20 Millionen Euro, für den Neubau des Stadions auf rund 200 Millionen Euro. Doch nur 21 Millionen Euro stehen dafür bislang im Haushaltsplan“, sagt sie.

Im Klartext heißt das: Der Senat reißt das Jahnstadion ab, ohne wirklich Geld für eine neue Arena zu haben. Laut der Abgeordneten Gennburg hatte im Bauausschuss Baustaatssekretär Stephan Machulik am Montag erklärt, „dass das Stadionareal erst einmal ,beräumt‘ werden müsse und der Senat danach die finanzielle Untersetzung für den Neubau sicherstelle“.

Ein Modell zeigt, wie der umgebaute Friedrich-Ludwig-Jahn Sportpark und das neue Jahnstadion aussehen sollen. Außerdem soll eine neue Multisporthalle entstehen.
Ein Modell zeigt, wie der umgebaute Friedrich-Ludwig-Jahn Sportpark und das neue Jahnstadion aussehen sollen. Außerdem soll eine neue Multisporthalle entstehen.Stephanie Steinkopf/Ostkreuz

Jahnstadion-Abriss ist „ein Stück aus dem Tollhaus“

„Das ist ein Stück aus dem Tollhaus und einer seriösen Haushaltsplanung ebenso wie einer nachhaltigen Stadtplanung unwürdig“, sagt Gennburg. „Mit dem Geld der Berliner ist verantwortungsvoll umzugehen.

Angesichts der angespannten Finanzlage Berlins fordert die Linkspartei in einem aktuellen Positionspapier, dass in einem Verfahren geprüft wird, „wie der Stadionbau inklusionsgerecht umgebaut werden kann und dadurch Ressourcen geschont werden können“.

Kristian Ronneburg, sportpolitischer Sprecher der Linkspartei, befürchtet, dass mit dem Abriss Fakten geschaffen werden, um den teuren Stadionneubau durchzuboxen. „Am Ende bleibt der Breitensport auf der Strecke“, sagt er.

Denn dafür soll schließlich der restliche Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark umgebaut werden, zu einem Ort für den Schulsport, lokalen Vereinssport sowie für den Freizeitsport. Außerdem soll eine neue Multisporthalle entstehen. Das würde möglicherweise dann nicht mehr so umgesetzt werden können, „wenn aufgrund des teuren Stadionneubaus das Geld für die anderen Bauvorhaben  nicht mehr ausreicht“, so Ronneburg.