Wie geht DAS denn?

Relikt der DDR: Riesen-Teil der Mauer steht in Pankow zum Verkauf!

Sie stehen in Museen und selbst Heidi Klum hat ein Mauersegment im Vorgarten. Wer 35 Jahre nach dem Fall der Mauer einen Teil der Geschichte erwerben will, hat in Pankow nun die Gelegenheit.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Die Mauer muss weg. Wegen eines Umzugs seiner Firma verkauft Frank Meyer das 2,75 Tonnen schwere Mauersegment.
Die Mauer muss weg. Wegen eines Umzugs seiner Firma verkauft Frank Meyer das 2,75 Tonnen schwere Mauersegment.Stefanie Hildebrandt

„Die Mauer muss weg“, steht auf dem Originalstück der Berliner Mauer in einem Pankower Vorgarten. Und das stimmt im doppelten Sinn, denn das Mauersegment in der Schulstraße soll verkauft werden. Die Firma Frank & Meyer, die bis vor einiger Zeit in der Pankower Villa ihren Sitz hatte, und eigentlich Holzblasinstrumente verkauft, veräußert das Mauerstück, Kostenpunkt 3000 Euro.

2009 hatte der Betrieb das Mauerstück bei der Deutschen Grundstücksauktion ersteigert, erzählte Inhaber Frank Meyer.  Er und sein damaliger Geschäftspartner haben die DDR vorzeitig verlassen, das Mauerstück stellten sie als Mahnung auf. Einst soll der Betonklotz zwischen Checkpoint Charlie und Potsdamer Platz gestanden haben, verkündet ein Blechschild neben dem Mauerstück. Doch auf dem einstigen Firmengelände in Pankow kann die Mauer nicht bleiben, das Haus und das Grundstück ist verkauft. Es muss wegen des Unternehmensumzugs „unbedingt weg“, sagt Frank Meyer. Er wünscht sich, dass es einen würdigen neuen Besitzer findet, der die Geschichte des Mauerstücks wertschätzt.

Handel mit Mauerstücken aus der DDR floriert weiter

Der Handel mit Mauerstücken ist auch 35 Jahre nach dem Mauerfall noch rege, besonders zu Jahrestagen wie dem 35. Mauerfalljubiläum, das gerade gefeiert wurde.  Wer sich auf Ebay umschaut, wird mit Angeboten konfrontiert, die deutlich teurer sind als etwa das Angebot in Pankow. Auch Tokio-Hotel-Star Tom Kaulitz schenkte Heidi Klum zur Hochzeit ein Stück der Berliner Mauer. Das Model stellte sich das 3,60 Meter hohe Geschenk in den Vorgarten.

Ob es sich heute wirklich noch lohnt, in das Geschäft mit der historischen Ware einzusteigen, fragen wir Sören Marotz (51). Sören Marotz ist Ausstellungsleiter im DDR -Museum Berlin. Er kennt sich von Berufs wegen exzellent mit den Grenzschutzanlagen der DDR und damit auch mit der Berliner Mauer aus. „In Sachen Mauer muss man zwischen der sogenannten „Grenzmauer 75“ und der Hinterlandmauer unterscheiden“, sagt er. Die erstere ist die bekanntere, die an einigen Stellen in Westberlin auch bunt bemalt war.

Sören Marotz hat schon in jungen Jahren sein Interesse für die Berliner Mauer entdeckt. Hier turnt er im April 1990 im Bereich des Wilhelmsruher Damms an den Überresten der Grenzschutzanlagen der DDR.
Sören Marotz hat schon in jungen Jahren sein Interesse für die Berliner Mauer entdeckt. Hier turnt er im April 1990 im Bereich des Wilhelmsruher Damms an den Überresten der Grenzschutzanlagen der DDR.Sigrid Marotz

„Die Teile, die von der Grenzmauer 75 heute in Berlin noch zu sehen sind, stehen allesamt unter Denkmalschutz“, weiß er. Es sei eher ausgeschlossen, dass noch unbekannte Teile dieser Mauer, etwa in Hinterhöfen mit Gewerbe, entdeckt würden. Anders ist das bei der sogenannten Hinterlandmauer. Hier tauchten auch in den letzten Jahren immer wieder bisher unbekannte Teilstücke auf. Zuletzt auf einem Garagenhof in der Pankower Maximilianstraße oder auf einem Gewerbehof in Wilhelmsruh. „Der Denkmalschutz gilt auch für diese Stücke, denn die Maueranlagen sollten als Ganzes geschützt werden“, so Sören Marotz. Bei Bauarbeiten an der S-Bahntrasse an der Pankower Wollankstraße seien erst kürzlich Teile des Kolonnenwegs und Lichtmasten unter Schutz gestellt worden, so der Fachmann.

Bei dem Mauerstück, das nun in Pankow zum Verkauf steht, handelt es sich um ein 2,75 Tonnen schweres, 3,60 Meter hohes und 1,20 Meter breites Segment der „Grenzmauer 75“. Auch wegen der Bemalung, egal ob nachträglich aufgebracht, sei der Preis durchaus gerechtfertigt. Denn so viele echte Mauerstücke, wie man meint, gibt es gar nicht mehr – die historische Ware ist endlich!

Von den Resten der ehemals 162 Kilometer langen Grenze rund um West-Berlin finden sich Mauerbrösel in Flaschen gefüllt, Mauerreste als Lesezeichen oder als Postkarte zum Verschicken in alle Welt. Wenn alle diese Souvenirs echte Berliner Grenzmauer wären, könnte man sich doppelt so lang wieder aufbauen, unken einige.

Der größte Teil der Berliner Mauer wurde geschreddert

„95 bis 98 Prozent der Berliner Mauersegmente sind für den Straßenbau geschreddert worden“, weiß Sören Marotz. Noch Anfang der 1990er Jahre wurde einzelne Segmente von den Schredderplätzen direkt verkauft. Allerdings nicht als historische Erinnerungsstücke, sondern schlicht als Baumaterial.  Für 50 bis 100 Mark konnten sich etwa Landwirtschaftsbetriebe die Segmente auf den Laster laden, auf den Höfen baute man dann Kartoffelmieten daraus. „Ein Schnäppchen, denn in der Herstellung hat so ein Betonsegment immerhin 831 DDR-Mark gekostet“, weiß Sören Marotz.

Auch das Land Berlin hat einige der bunt bemalten Mauersegmente bewahrt, und eine Zeit lang auf einem Platz gelagert, an dem sich heute die Gärten der Welt in Marzahn befinden. Nach und nach gingen die Segmente als Gastgeschenke in verschiedene Staaten, weiß Marotz. Weil die Abholung aber schwer zu bewerkstelligen war, schlummerten einige vergessene Stücke der DDR-Mauer in Marzahn, bis das Gelände für die IGA 2017 benötigt wurde. Erst als die Besitzer angeschrieben wurden, holten sie ihre Mauerstücke ab.

2020 wird in Pankow ein Stück der Hinterlandmauer vor dem Abriss gerettet. Sören Marotz ist damals als Experte vor Ort.
2020 wird in Pankow ein Stück der Hinterlandmauer vor dem Abriss gerettet. Sören Marotz ist damals als Experte vor Ort.Gerd Engelsmann

Im Laufe der Zeit wurden die Mauersegmente wertvoller, einen echten Mauerpreis könne man heute dennoch nicht benennen, so Marotz. In Souvenirläden am Checkpoint Charlie oder anderswo in Mitte werden kleinere Teilchen der Berliner Mauer angeboten, besonders Touristen aus dem Ausland erfreuen sich an den Mitbringseln. Die Mauerreste, die etwa im Mauermuseum am Checkpoint Charlie verkauft werden, kosten laut Webseite von 25 bis 150 Euro, für ein Mauerelement ruft der Webshop 9999 Euro auf. Verschiedene Zertifikate sollen die Echtheit der Steine belegen.

Über die Echtheit der Mauersteinchen, die Straßenhändler neben Sowjetmützen anbieten, lässt sich jedenfalls streiten. Ein erster Hinweis auf die Echtheit eines Mauerstücks ist die Farbe des Betons: Der Beton der Berliner Mauer ist ein ganz heller, leicht gelbstichiger Beton. „Wenn man ein dunkelgraues Stück in der Hand hält oder so einen Beton gar, der einen leichten Blaustich aufweist. Das ist ein ganz anderes Material!“, sagt ein Fachmann vom Geowissenschaftlichen Institut der FU in einem ntv-Beitrag. Die bunte Bemalung ist in den meisten Fällen nachträglich aufgebracht.

Wer sich also für das Mauersegment in Pankow interessiert, kann sich per Mail bei Meyer melden music@frankundmeyer.de.  Für den Transport sind allerdings Kran und Tieflader nötig. ■