In der Auguststraße in Mitte hat das Verwaltungsgericht Berlin die frisch in den Boden versenkten Poller gerade als rechtswidrig eingestuft, im Friedrichshainer Kiez am Bahnhof Ostkreuz sollen dafür demnächst viele Nebenstraßen zugepollert werden. Wenig entzweit Anwohner der betroffenen Straßen so sehr, wie die in Berlin um sich greifende Polleritis. Aber nicht nur Autofahrer haben mit den Straßensperren ein Problem. Auch Feuerwehr und Rettungsdienste schlagen jetzt Alarm: Im Notfall bekommen sie immer mehr Probleme, Poller hindern sie daran, rechtzeitig an ihren Einsatzort zu kommen.
Staus, Baustellen, Unfall-Schwerpunkte: Alle aktuellen News zu Verkehr in Berlin >>
Das Problem: Die Feuerwehr werde nur unzureichend in die Planungen neuer Poller einbezogen, erklärt Manuel Barth von der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft in der Berliner Zeitung. „Unsere RTW fahren zum Einsatzort und wissen nicht, dass sie plötzlich vor einem Poller stehen. Aufschließen ist immer ein Hemmnis.“
Vinzenz Kasch, Behördensprecher der Berliner Feuerwehr, berichtet von einem Fall aus Mitte: „Unsere Kollegen nutzen Schleichwege, die andere Autofahrer auch nutzen. Plötzlich war da eine Polleranlage, und sie standen davor.“ Der Bezirk Mitte habe plötzlich auch eine neue Art der Schließung verwendet, ohne der Feuerwehr vorher Bescheid zu sagen.
Im Notfall entscheiden Sekunden über Leben und Tod
Besonders in den Bezirken, die grün regiert werden oder wo es grüne Stadträte gibt, die für den Verkehr zuständig sind, werden immer mehr Poller aufgestellt. In Friedrichshain-Kreuzberg oder Mitte etwa. So soll der Autoverkehr verbannt werden. Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Timur Husein ist kein Freund von abgepollerten Straßen, auch weil dadurch weniger Parkplätze und mehr „unnötige Radfahrabstellanlagen“ gibt. Er sieht auch die neuen Poller in der Köthener und in der Bernburger Straße kritisch.
Seiner Erfahrung nach gibt es zu wenig Absprachen. Er habe schon mehrmals im Bezirksamt nachgefragt, ob Feuerwehr und Polizei bei den Planungen einbezogen würden. „Doch sie werden nicht involviert“, sagt er in der Berliner Zeitung. Auch wenn das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg widerspricht, klar ist: „Bei Schlaganfall oder Herzinfarkt können Sekunden über Leben und Tod entscheiden“, sagt Husein. „Wenn der Fahrer eines Rettungswagens oder Schlaganfall-Mobils aber erst aussteigen muss, um einen Poller aufzuschließen, kostet das Zeit.“
Senatsexperten wollen weniger Poller
Erfahrungen, die die Berliner Feuerwehr bestätigt. „Das Öffnen eines Pollers kostet Zeit. Manchmal sind zwei Poller zu öffnen“, sagt Feuerwehrsprecher Kasch. „Die Kollegen in den Feuerwachen kennen meistens ihre Umgebung. Aber wir fahren eben auch stadtweit.“ Immer wieder komme es zu Behinderungen. Probleme gebe es mitunter auch, wenn es im Bereich einer Pollerreihe zum Brand komme und eine Drehleiter aufgestellt werden muss. Dann müssen man improvisieren, weil der Platz fehle.
Aber wenn es nach einem Experten-Gremium des Senats geht, soll es in Zukunft in Berlin sowieso weniger Poller und Protektionsschwellen geben – vor allem an Radwegen. Auch aus optischen Gründen. Poller an Radwegen erhöhten zwar die Sicherheit für Radfahrer. „Diese Vorteile dürfen aber nicht zu einer dauerhaften Störung des Straßenbildes führen“, heißt es in den Ausführungen des „Gestaltungsbeirats öffentliche Räume Berlin“. Alternativ-Vorschläge des Beirats: mehr Tempo-30-Zonen und weniger Parkplätze für Autos, um den Verkehr zu reduzieren. Poller sollten nur noch provisorisch eingesetzt werden. ■