Irrer Zoff um „Kfz-Filter“

Poller-Rabatz in Lichtenberg: Anwohner bekriegen sich wegen Durchfahrtsperre

Anwohner in Berlin-Lichtenberg möchten ihre Ruhe haben. Sie ließen einen Poller errichten. Der aber wird immer wieder von Unbekannten abgebaut.

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Um diesen Poller in der Stadthausstraße in Berlin-Lichtenberg gibt es Streit.
Um diesen Poller in der Stadthausstraße in Berlin-Lichtenberg gibt es Streit.Mahmoud

Poller-Rabatz im Kaskelkiez. In Berlin-Lichtenberg tobt ein Krieg wegen eines Pollers in der Stadthausstraße. Die Pollersperre soll eigentlich den Verkehr beruhigen, führt aber zu langen Staus auf der Markt- und Karlshorster Straße. Dadurch wird auch die Tramlinie 21, die dort verkehrt, regelmäßig ausgebremst. Und der verkehrsberuhigte Kaskelkiez – der ist seit der Poller-Offensive so gut wie tot.

Viele Geschäftsleute fürchten um ihre Existenz, weil kaum noch einer an ihren Läden vorbeifährt. Wütende Bürger aus der Nachbarschaft reißen seitdem den rot-weiß markierten Poller immer wieder raus. Schon zum siebten Mal musste der Poller in der Lichtenberger Stadthausstraße erneuert werden. Dabei ist völlig unklar, wer ihn immer wieder entfernt.

Die Maßnahme zur Verkehrsberuhigung direkt unterhalb der S-Bahnbrücken wurde 2023 auf Antrag der Initiative Kaskel-Kiezblock in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschlossen. Und das, obwohl nach Aussagen vieler Bewohner die Straßen im Kiez nie stark belastet waren, außer zu den Stoßzeiten.

Die Aktivisten der Kiezblock-Initiative selbst sprechen nicht von Durchfahrtsperre, sondern von „Kfz-Filter“. Angekündigt wurde bereits, dass diese erste Maßnahme längst nicht alle Herausforderungen löse und deshalb auch nur ein erster Schritt in Richtung eines wirklichen Kiezblocks sein könne.

Aktivisten nennen den Poller „Kfz-Filter“

Hinter der Kiezblock-Initiative im Kaskelkiez steckt Changing Cities, der Aktivisten-Verein, der den Volksentscheid Fahrrad durchgeführt hat und für lebenswerte Städte kämpft. Allerdings macht er das als eine Art außerparlamentarische Opposition, was viele Parteien kritisch sehen.

Ralph Binger lebt in dem Kiez und ist gegen den Poller.
Ralph Binger lebt in dem Kiez und ist gegen den Poller.Mahmoud

Ralph Binger, der die Durchfahrtsperre in der Stadthausstraße ablehnt, sagte dem Berliner KURIER: Die Leute wollten offenbar nur noch ihre Ruhe haben. Es seien zu viele Autos im Kiez unterwegs, Mütter hätten Angst um ihre Kinder, so das Argument für den umstrittenen Poller. Aber das führe nur dazu, dass immer mehr Geschäftsleute im Kiez keine Kundschaft mehr haben.

Tatsächlich ist die Stadthausstraße eine beliebte Alternative zur Marktstraße. Wer dort nicht im Ampelstau stehen möchte, fährt über die Türrschmidt- und die Stadthausstraße Richtung Nöldnerstraße. Fuhr, muss man sagen, denn jetzt steht der Poller im Weg.

Poller lässt Tram und Autos im Stau stehen

Verkehrsplaner, die diese Durchfahrtsperre im Bezirk abgenickt haben, lassen Autofahrer, aber auch die Tram 21, somit bewusst im Stau stehen. Möglicherweise, so wird gemunkelt, stecke dahinter auch der Plan, die Tram von der Boxhagener Straße in die nahe Friedrichshainer Sonntagstraße zu verlegen: damit der Autoverkehr auf der Marktstraße besser fließen kann.

Das aber ist keine gute Idee. Die Anwohner der Sonntagstraße wollen klagen, wenn die Straßenbahnstrecke bei ihnen vor der Tür gebaut wird.  Es wäre ja auch aberwitzig, wenn andere Kieze zur Lärmzone werden, nur weil der Kaskel-Kiez verkehrsberuhigt wird.

Der rote Kreis zeigt den Standort des umstrittenen Pollers.
Der rote Kreis zeigt den Standort des umstrittenen Pollers.zVg

Unbestritten ist, dass immer mehr Zugezogene in Berlin versuchen, über die Errichtung von Pollern in ihren Straßen, Ruhe zu erzwingen und ihre gekauften Immobilien aufzuwerten. Denn ist erst mal ein Kiezblock errichtet und ist eine Straße verkehrsberuhigt, steigt auch der Preis der Immobilien vor Ort. Zum Nachteil aller Liegenschaften in den Nebenstraßen.

Im Internet haben sich inzwischen Gruppen gebildet, die den Poller in der Stadthausstraße wieder weg haben wollen. Ein Nutzer warnte auf Facebook: „Die können den noch so oft wieder aufbauen, man kann keine Politik an den Menschen vorbei betreiben.“

Ralph Binger, der seit Ewigkeiten in dem Kiez lebt, und den Niedergang der Nöldnerstraße miterlebte, fasst seine gemischten Gefühle so zusammen: „Die Leute, die jetzt ihre Ruhe bekommen, werden irgendwann mal alt. Aber dann haben sie nichts mehr vor ihrer Tür, wo sie noch hinlaufen könnten: keine Post, keinen Blumen- und auch keinen Zeitungsladen.“ Sie würden es spätestens dann, so Binger zum KURIER, bitter bereuen.

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