Seit sechseinhalb Jahren sorgt ein Bauvorhaben der Gesobau im Pankower Schloßpark-Kiez für Diskussionen. Schon dreimal standen sich Gesobau und Bezirk Pankow vor Gericht gegenüber. Nun muss die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft eine weitere Niederlage vor Gericht einstecken. Wann endlich endet dieses geldverbrennende Trauerspiel?
Mit der Holzhammer-Methode versuchen Gesobau und Senat seit langem ein Projekt durchzudrücken, das vor Ort in Pankow auf heftigen Widerstand stößt. Die Gesobau zog in der neuesten Volte vor Gericht, weil sie unverzüglich mit dem Bau zweier Häuser für Geflüchtete in den grünen Innenhöfen beginnen will. Doch die vorgenommenen Artenschutzmaßnahmen sind bisher nicht ausreichend, entschied nun das Gericht.
„Der Baubeginn zweier Unterkunftsgebäude für etwa 420 Flüchtlinge muss vorerst verschoben werden. Eine für das Bauvorhaben erteilte artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung erweist sich als nicht hinreichend bestimmt und deshalb rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren entschieden“, so eine Mitteilung des Gerichts.
Ausnahmegenehmigung grundsätzlich rechtswidrig?
Und es kommt noch dicker für die Gesobau: Nach Aussage des BUND Berlin befand das Verwaltungsgericht, dass die vom Bezirksamt Pankow erteilte artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Gesobau grundsätzlich „voraussichtlich rechtswidrig“ ist. „Die Ausnahmegenehmigung sei schon deshalb rechtswidrig, weil nicht hinreichend deutlich werde, für welche geschützten Tierarten sie gelte und auf welche genehmigungspflichtigen Beeinträchtigungen sie sich beziehe“, erläutert das Verwaltungsgericht. „In ihrer jetzigen Form erwecke sie vielmehr den Eindruck einer unzulässigen naturschutzrechtlichen Blankoermächtigung.“
Wackelt jetzt das ganze Gesobau-Projekt?
Wackelt jetzt etwa das ganze Vorhaben? Schließlich ist die Ausnahmegenehmigung in Sachen Artenschutz die Grundvoraussetzung für den Bau der Flüchtlingsunterkünfte, die nur per Sonderbaurecht überhaupt genehmigungsfähig waren. Von der Gesobau heißt es auf KURIER-Anfrage: „Wir haben den genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts erst am vergangenen Freitag erhalten und prüfen diesen derzeit. Anschließend treffen wir eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen.“
Gesobau plant Häuser für 422 Flüchtlinge
Hintergrund: Das landeseigene Unternehmen will in den zwei neuen Gebäuden, die die Bestandsbauten überragen sollen, insgesamt 99 Wohnungen für 422 geflüchtete Menschen errichten. Die Nachverdichtung in den Höfen war zunächst als reguläre Wohnhäuser geplant. Doch Anwohner und Bezirkspolitik stellten sich gegen das in ihren Augen zu massive Vorhaben.
Senat und Gesobau zogen daraufhin den Joker und deklarierten das Bauvorhaben kurzerhand zum Bau für Geflüchtete. Doch auch die Naturschutzverbände haben bei derlei Projekten ein Wort mitzureden. Sie halten nach wie vor an ihrem Widerspruch fest, der bereits Anfang August gegen die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme durch das Bezirksamt Pankow eingereicht worden war. „Der Bescheid verstößt gegen das Bundesnaturschutzgesetz“, heißt es in einer Mitteilung des BUND.
Das Problem: Schon die Artenschutzbelange sind fehlerhaft ermittelt worden, urteilen die Naturschutzverbände. Aktuelle Daten über Vogel- und Fledermauspopulationen von 2024 seien nicht berücksichtigt worden. Die errichteten Ausweichquartiere sind nicht ausreichen und können von den Tieren nicht genutzt werden. „Die bisher umgesetzten eingriffsvermeidenden Maßnahmen sind noch nicht funktional und somit nicht anerkennbar und befinden sich zum Teil unzulässig auf privaten Flächen Dritter“, so der BUND.

Ausnahme nur, wenn es keine Alternativen gibt
Außerdem darf eine artenschutzrechtliche Ausnahme nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. Diese gibt es aber in Pankow sehr wohl: „Mit dem Entwurf des bezirklichen Bebauungsplans 3-88B, der eine an die Umgebung angepasste Bebauung vorsieht und artenschutzrechtliche Eingriffe überwiegend verhindert, ist aber eine in diesem Einzelfall zumutbare Alternative gegeben“, so der BUND. In diesem Entwurf, den auch die Anwohner, die sich in Bürgerinitiativen organisiert haben, befürworten, könnte ein Großteil der Bäume in den Höfen erhalten werden, während nur etwa 20 der 99 Wohnungen wegfielen.
Grüner Kiez soll Modellquartier werden
„Wir im Grünen Kiez Pankow setzen uns weiter dafür ein, gemeinsam und beispielhaft ein zukunftsfähiges Modellquartier zu entwickeln, indem die wichtigen Belange unserer Zeit, wie Wohnraumschaffung, Klimaanpassung, Integration und Artenschutz angemessen berücksichtigt werden, statt mit der Brechstange alles Lebensfreundliche niederzureißen, als gäbe es kein Morgen mehr“, sagt Britta Krehl, die Sprecherin der Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow.

Die Gesobau habe bis heute nicht begriffen, dass es naturschutzfachlich und naturschutzrechtlich höchst bedenklich, schwierig und komplex sei, von geschützten Arten dicht besiedelte Gebiete zu bebauen – erst recht, wenn es eine Alternative gibt, die die Artenschutz-Konflikte weitestgehend vermeidet, so Manfred Schubert, Geschäftsführer der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz. „Ihre Strategie des ‚mit dem Kopf durch die Wand‘ überfordert die Gesobau selbst, ihre Anwälte und die untere Naturschutzbehörde.“
Dirk Schäuble, Referent für Naturschutz BUND Berlin, lädt die Gesobau erneut ein, konstruktiv zu beraten: „Es ist äußerst bedauerlich, dass die Gesobau immer wieder den Konflikt mit Naturschutzverbänden und Bezirk sucht und Gesprächsangebote ablehnt. Solange es eine zumutbare Alternative der Bebauung gibt, bei der viel weniger grüne Flächen und Bäume gerodet oder vernichtet werden, gibt es keinen Grund, die derzeitigen Planungen der Gesobau weiterzuverfolgen.“


