In den grünen Höfen in der Pankower Ossietzkystraße herrscht derzeit Ruhe. Unnatürliche Ruhe. Hier, wo eigentlich zwei Häuser mit Platz für 500 Geflüchtete entstehen sollen, nimmt sich derzeit hinter hohen Zäunen die Wildnis ihren Raum. Ein Kinderspielplatz ist verwaist, in den eingesperrten Hochbeeten wuchert es wild. Anstatt Picknick auf dem Rasen zu machen, schleichen die Anwohner um Metallzäune herum, nur der Weg zu den Mülltonnen ist ihnen offen.
Seit Oktober 2023 sind die beiden grünen Höfe in Pankow nun eingezäunt und - zuerst mit einem Rund-um-die-Uhr-Wachschutz samt Kampfhund und bis heute durch Überwachungskameras - überwacht. „Hier werden nicht nur landeseigene finanzielle Ressourcen in Millionenhöhe verschwendet, sondern auch die Anwohner seit anderthalb Jahren von der Nutzung ihrer Wohngrünflächen ausgegrenzt und diskriminiert“ kritisieren die Anwohner in einem offenen Brief an den Senat und an die Gesobau. Eine-Million-Euro-Zaun nennen die Anwohner das ungeliebte Bauwerk vor ihren Nasen. Sie nehmen es mit Galgenhumor.
Seit vielen Jahren schwelt hier ein Konflikt, der exemplarisch für ganz Berlin und seinen Umgang mit Wohnungsbau, Bürgerbeteiligung, Migration und Umweltschutz ist. Wie nimmt Berlin die Berliner mit, beim dringend gebrauchten Wohnungsbau? Baut es gegen die Nachbarschaft, mit Tricks? Oder mit Augenmaß in Bezug auf Mensch und Natur? In Pankow zeigt sich, dass Bauen mit der Brechstange am Ende teurer ist, als Bauen mit echtem Dialog.
Unabhängig von dem geplanten Bauvorhaben erachte man den noch immer währenden Zustand als absolut untragbar, sagen die Anwohner und fordern, endlich vom Zaun befreit zu werden.

Und doch haben die Anwohner ihre Hoffnung auf die Umsetzung einer hart errungenen Kompromisslösung nicht aufgegeben. „Unser ernstgemeintes Ziel ist es, dass wir miteinander ins Gespräch kommen“, schreiben sie in dem offenen Brief weiter.
Das Thema Klima- und Umweltschutz sei schließlich nicht abwählbar. Daher habe die „Bewahrung eines gesunden und ökologischen Stadtklimas mit ausreichender Vegetation, einem funktionierenden Baum- und Gehölzbestand“ in ihren Augen oberste Priorität. Gleichzeitig sei allen schmerzhaft bewusst, wie wichtig es ist, neue Wohnungen zu bauen, um das Grundbedürfnis der Menschen nach bezahlbarem Wohnraum erfüllen zu können.
Pankower hoffen auf Kompromiss an der Ossietzkystraße
„Vor mehr als vier Jahren hat der Bezirk Pankow seinen baulichen Kompromiss mit ca. 70 Wohnungen vorgestellt, bei dem der Großteil der stark begrünten Innenhöfe und auch der Spielplatz erhalten bleiben würden und der sowohl bei der Anwohnerschaft und dem Bezirk, als auch bei den Umweltverbänden Zustimmung findet. Es könnten schon neue Menschen in diesen Wohnungen wohnen“, schreiben die Anwohner. Stattdessen Konfrontation und Stillstand und das Gefühl es werde über die Menschen hinwegregiert, lieber kaputt gemacht, als bewahrt. Lieber angeordnet als gemeinsam um die beste Lösung gerungen.
Von der Gesobau gibt es derzeit keine Bestrebungen, die Zäune wieder abzubauen: Die GESOBAU befindet sich derzeit mit dem Bezirksamt Pankow in engem Austausch und geht anschließend von einem kurzfristigen Baubeginn aus. Die beiden Baugrundstücke sind aus Gründen der Verkehrssicherung und der bevorstehenden Baumaßnahmen daher bereits mit Bauzäunen gesichert, heißt es auf KURIER-Anfrage.