Der Protest verhallt vom Bezirk ungehört, der grüne Bezirksstadtrat setzt seinen Willen durch: Entlang der Kleingartenanlage Napoleon in Wedding verschwinden fast alle Parkplätze – für den Umbau der schmalen Gasse in eine Fahrradstraße. Seit Montag stehen hier Verbotsschilder, ist das Halten verboten.
„Ich hatte fast einen Ohnmachtsanfall“, sagte Alexandra Quetting (54), Sprecherin des Kleingartenvereins, zur B.Z. „Eine Information aus dem Bezirksamt gab es nicht. Wir sind total traurig, fühlen uns ohnmächtig.“ Seit über einem Jahr kämpfen die Kleingärtner mit drei weiteren betroffenen Kleingartenkolonien gegen die Pläne des Bezirks. „Die Arbeiten haben noch nicht begonnen, die Umgestaltung zur Fahrradstraße ist seitens der beauftragten Firma jedoch in Vorbereitung“, berichtet Kleingärtner Michael Wilk dem KURIER.
Viele ältere Kleingärtner sind aufs Auto angewiesen
Vier Kleingartenanlagen mit rund 800 Parzellen reihen sich entlang des 2,4 Kilometer langen Charles-Corcelle-Rings neben der Julius-Leber-Kaserne auf – die Anlagen Quartier Napoleon, Plötzensee, Steinwinkel und Rehberge. Für die neue Fahrradstraße werden 282 der hier dringend benötigen Parkplätze rasiert. Viele ältere und kranke Berliner haben hier ihr Gärtchen und brauchen ihr Auto, um überhaupt herzukommen, ihre Einkäufe in den Garten zu bringen.
„Seit fast zehn Jahren haben mein Mann und ich hier unser Gärtchen“, erzählte Maybritt Kirchbaum (65) bei einem KURIER-Besuch. „Ich habe fünf Schrauben in der Wirbelsäule, bin zu 50 Prozent schwerbehindert. Ohne Auto schaffe ich es nicht mehr hierher.“
Viele verstehen den Sinn der Fahrradstraße an dieser Stelle nicht. Parallel zum Charles-Corcelle-Ring verläuft schon der Radfernweg Berlin-Kopenhagen. Die Kleingärtner haben selbst nachgezählt. 120 Radfahrer nutzen in acht Stunden den Charles-Corcelle-Ring, aber 1200 den glatt asphaltierten Radfernweg entlang der Bäume.
Fahrradstraße: Gründe, die keiner versteht
Für die Kleingärtner zum Kopfschütteln ist die Begründung des Bezirks, hier eine Fahrradstraße anzulegen. Sie soll unter anderem den Urban Tech Park auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel besser an den (Fahrrad-) Verkehr anbinden.
Aber: Der Baubeginn des Urban Tech Parks wurde bereits mehrmals verschoben. Es gibt ihn nicht – und das wird sich auch auf absehbare Zeit auch nicht ändern. Doch das ficht den zuständigen Stadtrat Christopher Schriner (Grüne) nicht an, der auch einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung mit Bitte um Aufschub der Pläne ignorierte.

Was auch nicht durchdacht ist: Wie der KURIER berichtete, wird der vordere Teil des Charles-Corcelle-Rings, ein 270 Meter langes Teilstück keine Fahrradstraße. Nach Protesten von Anwohnern, die in ehemaligen Gebäuden der französischen Allierten wohnen – doch das ist genau der Teil der Straße, der dem Urban Tech Park am nächsten liegen wird ...