Wut in Berlin-Wedding

Grüner Stadtrat drückt es durch: Parkplätze für Kleingärtner verschwinden

Seit Montag stehen im Charles-Corcelle-Ring Verbotsschilder, ist das Halten verboten. Die Gasse wird zu einer Fahrradstraße umgebaut.

Author - Stefan Henseke
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Die schwerbehinderte Maybrit Kirchbaum (65) ist auf ihre Krücken angewiesen: Ohne Auto kommen sie und ihr Mann Ralf (80) nicht in ihren Garten.
Die schwerbehinderte Maybrit Kirchbaum (65) ist auf ihre Krücken angewiesen: Ohne Auto kommen sie und ihr Mann Ralf (80) nicht in ihren Garten.Stefan Henseke

Der Protest verhallt vom Bezirk ungehört, der grüne Bezirksstadtrat setzt seinen Willen durch: Entlang der Kleingartenanlage Napoleon in Wedding verschwinden fast alle Parkplätze – für den Umbau der schmalen Gasse in eine Fahrradstraße. Seit Montag stehen hier Verbotsschilder, ist das Halten verboten.

„Ich hatte fast einen Ohnmachtsanfall“, sagte Alexandra Quetting (54), Sprecherin des Kleingartenvereins, zur B.Z. „Eine Information aus dem Bezirksamt gab es nicht. Wir sind total traurig, fühlen uns ohnmächtig.“ Seit über einem Jahr kämpfen die Kleingärtner mit drei weiteren betroffenen Kleingartenkolonien gegen die Pläne des Bezirks. „Die Arbeiten haben noch nicht begonnen, die Umgestaltung zur Fahrradstraße ist seitens der beauftragten Firma jedoch in Vorbereitung“, berichtet Kleingärtner Michael Wilk dem KURIER.

Viele ältere Kleingärtner sind aufs Auto angewiesen

Vier Kleingartenanlagen mit rund 800 Parzellen reihen sich entlang des 2,4 Kilometer langen Charles-Corcelle-Rings neben der Julius-Leber-Kaserne auf – die Anlagen Quartier Napoleon, Plötzensee, Steinwinkel und Rehberge. Für die neue Fahrradstraße werden 282 der hier dringend benötigen Parkplätze rasiert. Viele ältere und kranke Berliner haben hier ihr Gärtchen und brauchen ihr Auto, um überhaupt herzukommen, ihre Einkäufe in den Garten zu bringen.

„Seit fast zehn Jahren haben mein Mann und ich hier unser Gärtchen“, erzählte Maybritt Kirchbaum (65) bei einem KURIER-Besuch. „Ich habe fünf Schrauben in der Wirbelsäule, bin zu 50 Prozent schwerbehindert. Ohne Auto schaffe ich es nicht mehr hierher.“

Viele verstehen den Sinn der Fahrradstraße an dieser Stelle nicht. Parallel zum Charles-Corcelle-Ring verläuft schon der Radfernweg Berlin-Kopenhagen. Die Kleingärtner haben selbst nachgezählt. 120 Radfahrer nutzen in acht Stunden den Charles-Corcelle-Ring, aber 1200 den glatt asphaltierten Radfernweg entlang der Bäume.

Fahrradstraße: Gründe, die keiner versteht

Für die Kleingärtner zum Kopfschütteln ist die Begründung des Bezirks, hier eine Fahrradstraße anzulegen. Sie soll unter anderem den Urban Tech Park auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel besser an den (Fahrrad-) Verkehr anbinden.

Aber: Der Baubeginn des Urban Tech Parks wurde bereits mehrmals verschoben. Es gibt ihn nicht – und das wird sich auch auf absehbare Zeit auch nicht ändern. Doch das ficht den zuständigen Stadtrat Christopher Schriner (Grüne) nicht an, der auch einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung mit Bitte um Aufschub der Pläne ignorierte.

Christine Holm und Michael Wilke sind Anwohner und Kleingärtner. Sie stehen dort, wo die Straße geteilt wird: Das Ende des grünen Streifens zeigt das Ende der Fahrradstraße an, dahinter werden Autos auch in Zukunft fahren und parken. Aber für die Kleingärtner ist dort kein Platz.
Christine Holm und Michael Wilke sind Anwohner und Kleingärtner. Sie stehen dort, wo die Straße geteilt wird: Das Ende des grünen Streifens zeigt das Ende der Fahrradstraße an, dahinter werden Autos auch in Zukunft fahren und parken. Aber für die Kleingärtner ist dort kein Platz.Stefan Henseke

Was auch nicht durchdacht ist: Wie der KURIER berichtete, wird der vordere Teil des Charles-Corcelle-Rings, ein 270 Meter langes Teilstück keine Fahrradstraße. Nach Protesten von Anwohnern, die in ehemaligen Gebäuden der französischen Allierten wohnen – doch das ist genau der Teil der Straße, der dem Urban Tech Park am nächsten liegen wird ...