Schock für Autofahrer

City-Maut in Berlin: Verkehrsforscher fordern bis zu 500 Euro pro Monat

Im Schnitt 58 Stunden steht jeder Berliner Autofahrer im Stau. Die Hauptstadt platzt aus allen Nähten. Jetzt wird wieder über eine City-Maut diskutiert.

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Auch der ständig zugestaute Mühlendamm würde innerhalb der City-Maut-Zone liegen.
Auch der ständig zugestaute Mühlendamm würde innerhalb der City-Maut-Zone liegen.Sabine Gudath/Imago

Heute gibt es in Berlin zehn Prozent mehr Pkw als noch vor zehn Jahren, 1,24 Millionen waren es Anfang vergangenen Jahres. Gleichzeitig ist der Platz für Autos in der Stadt gesunken. Mehr Radwege, weniger Parkplätze. Poller, Kiezblocks und Durchfahrtsverbote. Verkehrsexperten fordern jetzt eine teure Pkw-Maut, um Autos aus den Innenstädten zu vertreiben.

„Die City-Maut ist der Zauberstab der Kommunalpolitik. Damit hat man eine unglaubliche Steuerungswirkung auf den Verkehr“, sagt Andreas Knie, Verkehrsforscher vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, dem Tagesspiegel. Er würde eine Maut abhängig machen von Fahrzeuggröße und gefahrenen Kilometern. „Wenn man weniger fährt, wird es billiger“, sagt er.

Liest man die Preise, die der Verkehrsforscher für eine City-Maut fordert, erkennt man, dass er vor allem das Nutzen größerer Autos unbezahlbar machen möchte. Rund 40 bis 50 Euro im Monat, inklusive Parken, könnte laut den Vorstellungen von Andreas Knie ein Kleinwagenbesitzer zahlen.

City-Maut: Bis zu 500 Euro für große Verbrenner-Autos

Aber: „Das Fahren und Abstellen eines großen Verbrenner-Autos sollte dagegen schon 400 bis 500 Euro kosten“, erklärt Knie gegenüber dem Tagesspiegel. Das wären pro Jahr bis zu 6000 Euro – das könnten sich nur noch Großverdiener leisten. Taxis, Mietwagen und Carsharing sollten aber von der City-Maut befreit werden. „Das wäre dann eine riesige Unterstützung für neue Mobilitätsformen.“

Immer mehr Städte weltweit verlangen von Autofahren eine City-Maut. Singapur, Oslo, Bologna oder London. Kürzlich kam New York dazu. Das hat zwei Gründe: Man will Autofahrer abkassieren – und die Staus in den Innenstädten verringern. Auch Berlin ist staugeplagt. Erst vor wenigen Tagen berichteten wir über die weltweite Stau-Analyse des Verkehrsdaten-Dienstleisters Inrix. Demnach stand der Berliner Autofahrer im vergangenen Jahr rund 58 Stunden im Stau – Platz 2 in Deutschland, kurz hinter Düsseldorf.

„Berlin ist zunehmend als eine verstaute Metropole bekannt“, sagt Gernot Liedtke, Leiter des Instituts für Verkehr des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt im Tagesspiegel. Auch er plädiert für eine City-Maut in Berlin. „Wenn die Verstauung weiter zunimmt, dann ist eine City-Maut momentan das einzige Instrument, um Herr der Lage zu werden.“

Liedtke schlägt eine City-Maut innerhalb des S-Bahn-Rings vor – er würde die Autofahrer aber nicht so krass wie sein Kollege Knie abkassieren. „Damit es verkehrlich eine Wirkung erzielt, muss der Tagespreis mindestens in Höhe eines BVG-Einzeltickets liegen“, sagte er. Das wären derzeit 3,80 Euro. Noch lieber wäre ihm aber eine kilometerabhängige Maut. „In der Regel fahren Menschen mit höherem Einkommen mehr Auto“, sagt er im Tagesspiegel. Gutverdiener würden also mehr zahlen.

In Berlins Randbezirken sind viele auf Pkw angewiesen

Pkw sind in Berlin laut dem Amt für Statistik ungleich verteilt. In der Innenstadt sind die wenigsten zugelassen – gerade mal gut 50.000 in Friedrichshain-Kreuzberg und 72.000 in Mitte. Ganz klar: Innerhalb des S-Bahnrings stimmen die Verkehrsanbindungen mit den Öffis, man braucht nicht unbedingt ein Auto.

Anders sieht es in den Randbezirken aus: 115.000 Autos in Steglitz-Zehlendorf, 111.000 in Pankow, 97.000 in Treptow-Köpenick, 94.000 in Marzahn. Hier braucht man das Auto, ist das Öffi-Netz, vor allen Dingen spätabends, nicht gut genug ausgebaut. Und viele, die in den preiswerteren Wohnungen am Rand oder im Speckgürtel wohnen, aber in der Innenstadt arbeiten, müssten blechen.

Immerhin: Bisher gibt es für eine City-Maut in Berlin keine rechtliche Grundlage. Doch mit einer Ausnahmegenehmigung, die das  Bundesverkehrsministerium erteilen müsste, könnte Berlin den Versuch wagen, meint Verkehrsforscher Knie im Tagesspiegel. ■