Im Jahr 2010 kauften die Eheleute W. in Rangsdorf ein Grundstück bei einer Zwangsversteigerung. Auf dem Grundstück bauten sie ihr Traumhaus und lebten seitdem mit den zwei Kindern dort. Das dritte Kind, mit dem die Eigentümerin hochschwanger ist, soll ebenfalls in dem Haus groß werden, das ist der sehnlichste Wunsch der Familie. Doch ob die W.s in dem Haus eine Zukunft haben, ist weiter ungewiss. Heute wurde in Karlsruhe am höchsten Gericht darüber verhandelt. Eine Entscheidung wollen die obersten Richter erst am 14. März treffen, wie die Berliner Zeitung berichtet.
Behördenfehler sorgt für Haus-Drama in Rangsdorf
Der Familie droht nach einem Behördenfehler, ihr Haus zu verlieren. Denn der ursprüngliche Eigentümer hat sich gemeldet und forderte das Grundstück zurück. Gerichte gaben dem Mann, ein US-Amerikaner, der mittlerweile in der Schweiz lebt, recht. Seit über einem Jahrzehnt befinden sich die Parteien in einem Rechtsstreit.
Knackpunkt: Der Mann hat erst nach dem Zuschlag überhaupt von der Zwangsversteigerung seines Grundstücks erfahren, weil das Amtsgericht Luckenwalde nicht ausreichend nach dem Eigentümer suchte. Die Versteigerung sei daher nicht rechtens und der Kläger weiterhin Eigentümer des Grundstücks, das er 1991 von seiner verstorbenen Tante geerbt hatte, urteilte das Landgericht Potsdam.

Familie soll binnen eines Jahres ihr Haus räumen
Der Eigentümer zog anschließend gegen die Eheleute vor Gericht. Das Oberlandesgericht Brandenburg gab seiner Klage im Juni 2023 weitgehend statt. Es verurteilte Familie W. dazu, binnen eines Jahres ihr Haus abzureißen und das Grundstück zu räumen. Außerdem soll sie eine Grundschuld über 280.000 Euro plus Zinsen für die Baukosten löschen und dem Eigentümer rund 6.000 Euro für die Nutzung des Grundstücks zahlen.
Das OLG hatte zunächst keine Revision gegen dieses Urteil zugelassen. Eine Beschwerde der Eheleute dagegen hatte aber wiederum Erfolg, sodass der Fall schließlich doch beim höchsten deutschen Zivilgericht landete. Die Frist für Räumung und Abriss wurde verlängert. Am Freitag verhandelt nun der BGH zu der Sache in Karlsruhe. Ob auch schon ein Urteil fällt, ist unklar. (Az. V ZR 153/23)
„Gefangen im eigenen Heim“
Familie W. hat Zweifel daran, ob hier wirklich der Fehler beim Amtsgericht lag. Aus ihrer Sicht hat die Behörde sehr wohl im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach dem eigentlichen Besitzer gesucht, erklärt Hausbesitzerin W. im Gespräch mit der dpa. Für die Familie steht ein „vermeintlicher Justizfehler“ noch im Raum. So sei der Beschluss zur Aufhebung des Zuschlags gefasst worden, ohne die Eheleute zu hören und sei trotz von ihnen im Nachgang vorgetragener Mängel rechtskräftig, kritisiert W.
Die Sorge um ihr Haus bereite ihr schlaflose Nächte, sagt sie. Seit Jahren würde das Paar Arbeiten am Haus nach hinten schieben, weil ihnen ihr Zuhause womöglich entzogen werde. Einiges befinde sich noch im Rohbau. „Ich bin ein Stück weit gefangen im eigenen Heim“, sagt W. Einfach hinschmeißen könne sie nicht. Sie stehe im Grundbuch, verkaufen könne sie das Haus aber nicht. Sie müsse einen Kredit bedienen, ein erneuter Hausbau sei also nicht drin.
Muss das Land den Schaden ersetzen?
Sollten die Karlsruher Richterinnen und Richter die Entscheidung des OLG bestätigen, wäre das Urteil damit rechtskräftig. Die Familie könnte dann Anspruch darauf haben, dass das Land Brandenburg ihnen den entstandenen Schaden ersetzt. Denn nach der sogenannten Amtshaftung muss in bestimmten Fällen, in denen ein Beamter eine ihm obliegende Amtspflicht verletzt, das Land als Dienstherr für den entstehenden Schaden aufkommen.
„Das Land Brandenburg steht in der Verantwortung, die durch den Fehler bei der Zwangsversteigerung verursachten materiellen Schäden zu ersetzen“, erklärt ein Sprecher des brandenburgischen Justizministeriums auf dpa-Nachfrage. In welcher Höhe ein Amtshaftungsanspruch bestehen wird, hänge von dem Ausgang des Zivilrechtsverfahrens am BGH ab. Das Ministerium stehe mit Familie W. im kontinuierlichen Austausch und strebe eine außergerichtliche Einigung mit ihr an.
Nach vorläufiger Einschätzung geht auch der Fünfte Zivilsenat des BGH davon aus, dass die Familie durch die Aufhebung des Zuschlags 2014 das Grundstück endgültig verloren habe, sagte die Vorsitzende Richterin, Bettina Brückner, in der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe. Da dieser Beschluss rechtskräftig sei, komme es auch nicht darauf an, ob der Zuschlag damals zurecht aufgehoben wurde - woran Familie W. zweifelt.
In zwei Punkten waren die Richterinnen und Richter aber anderer Ansicht als ihre Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg. So könnte der Kläger wohl keinen Anspruch darauf haben, dass Familie W. ihr Haus auf eigene Kosten abreißt, sowie auf Löschung der Grundschuld. Das Paar müsse das Eigentum herausgeben - aber „so, wie es jetzt ist“, fasste deren Anwalt zusammen. Der Kläger müsste ihnen dann womöglich sogenannten Verwendungsersatz für das Haus zahlen. ■