Was läuft da bei den Grünen?

Belästigungsvorwürfe gegen Grünen-Politiker erfunden? Erster Rücktritt!

Zweifel: Der RBB hat Teile seiner Berichterstattung über Belästigungsvorwürfe gegen den Berliner Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar gelöscht.

Author - Michael Heun
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Stefan Gelbhaar bezeichnet die Vorwürfe als „gelogen“.
Stefan Gelbhaar bezeichnet die Vorwürfe als „gelogen“.Julian Weber/dpa

Sexuelle Belästigung, K.O.-Tropfen, erzwungene Küsse – schwere Anschuldigungen hatten den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar (48) in die Schlagzeilen gebracht. Jetzt stellt sich heraus: Eine Hauptzeugin existiert womöglich gar nicht!

Der öffentlich-rechtliche Sender RBB hat die Berichterstattung über die Vorwürfe gegen Gelbhaar teilweise zurückgezogen. Intensive Recherchen ergaben, dass eine der zentralen Anklägerinnen, die unter dem Namen „Anne K.“ auftrat, offenbar nicht die Person war, für die sie sich ausgab. Laut RBB führte die Spur zu einer Grünen-Politikerin, die sich als „Anne K.“ ausgegeben und sogar eine eidesstattliche Erklärung abgegeben haben soll. Die Politikerin bestreitet dies jedoch vehement.

Am Sonnabend gab es dann laut dem Tagesspiegel personelle Konsequenzen bei den Grünen in Berlin. Shirin Kreße, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte legte danach ihr Mandat nieder. Gründe für ihren Schritt nannte sie nicht. Auch aus der Partei trat sie aus.

Am Sonntag meldete sich die Shirin Kreße dann erstmals öffentlich zu Wort: „Ich bin am Samstag aus der Partei Bündnis90/Die Grünen ausgetreten, habe alle parteiinternen Ämter niedergelegt, mein Mandat in der BVV Mitte niedergelegt und meinen Job in einem Grünen-Abgeordnetenbüro gekündigt“, teilte sie der Deutschen Presse-Agentur mit.

„Grund dafür ist, dass während ich mich mit den Vorwürfen, die gegen mich erhoben wurden, auseinandersetze, ich möglichen Schaden von der Partei, aber auch Betroffenen sexualisierter Gewalt abwenden möchte.“ Zu weiteren Details machte sie keine Angaben.

Ein zentraler Vorwurf bricht zusammen

Gelbhaar hatte die Anschuldigungen stets als „gelogen“ bezeichnet. Jetzt sagte Markus Goldbach zu den Enthüllungen gegenüber der Bild: „Es wird immer deutlicher, dass es sich um eine reine Diffamierungskampagne handelt.“ Gelbhaar selbst äußerte sich gegenüber der Berliner Zeitung: „Das Ganze ist ein unfassbarer Vorgang“, sagte er.

Doch wie glaubwürdig sind die verbleibenden Anschuldigungen? Der RBB, der ursprünglich auf Basis anonymer Hinweise und eidesstattlicher Erklärungen berichtet hatte, hat sämtliche Beiträge zu den konkreten Vorwürfen offline genommen. Die Grünen-Ombudsstelle prüft derzeit, ob weitere Hinweise ebenfalls von der falschen „Anne K.“ stammen könnten.

Krisensitzungen bei den Grünen

Der Fall sorgt nicht nur für Schlagzeilen, sondern auch für Krisensitzungen bei den Grünen. Während Gelbhaar seine Kandidatur zurückzog, profitierte der Parteilinke Andreas Audretsch, ein Vertrauter von Robert Habeck, von der Situation. Audretsch rückte auf den begehrten Platz 2 der Berliner Landesliste vor – ein Vorgang, der bei vielen für Verschwörungstheorien sorgte. Wenn Gelbhaar nicht zurückgezogen hätte, wäre es zu einer Kampfabstimmung zwischen beiden gekommen.

Wird der Fall zur Belastung für den Grünen-Wahlkampf?
Wird der Fall zur Belastung für den Grünen-Wahlkampf?Christian Grube/Grüne

Gelbhaar: „Ich werde an mir arbeiten“

Stefan Gelbhaar selbst sieht sich als Opfer einer gezielten Rufmordkampagne. Zwar räumte er ein, dass ihm signalisiert worden sei, sich „nicht immer adäquat“ verhalten zu haben, doch er betonte: „Ihr kennt mich – ich werde an mir arbeiten und das weiter reflektieren.“

Obwohl der Grünen-Politiker seit 2017 im Bundestag sitzt und bei der letzten Wahl ein Direktmandat gewann, scheint seine politische Karriere schwer beschädigt. Die endgültige Wahrheit über die Vorwürfe bleibt vorerst unklar – doch der Fall zeigt, wie zerstörerisch anonyme Anschuldigungen im politischen Betrieb sein können.

Und eine Frage steht im Raum: War das alles eine Intrige?

Parteiintern wächst die Sorge, dass die Affäre zu einer Wahlkampf-Belastung für die Grünen wird. Kritiker werfen der Partei vor, die Vorwürfe nicht gründlich genug geprüft zu haben, bevor sie öffentlich gemacht wurden. ■