Polizei und Feuerwehr

Berlins Retter schlagen Alarm: Poller bremsen uns im Notfall aus!

Zugebaut und zugepollert: Immer öfter werden Rettungswagen und Löschfahrzeuge bei der Anfahrt behindert. Auf welchen Straßen es die größten Probleme gibt. 

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Die Durchfahrt für Autos an der Kreuzung August-, Ecke Tucholskystraße ist durch rot-weiße Stahlpoller verhindert, der Fall wird durch Gerichte entschieden.
Die Durchfahrt für Autos an der Kreuzung August-, Ecke Tucholskystraße ist durch rot-weiße Stahlpoller verhindert, der Fall wird durch Gerichte entschieden.Sabine Gudath

Immer mehr Kieze werden in Berlin zugepollert, neue Radspuren sorgen dafür, dass Fahrbahnen für Autos verschwinden. Was die einen freut, macht anderen Sorgen. Polizei und Rettungsdienste haben in Berlin zunehmend Probleme, rechtzeitig zum Einsatzort zu kommen. Im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses erklärten Polizei und Feuerwehr der Politik jetzt, wo es überall in der Stadt hakt.

„Es geht nicht, dass Bezirksverordnetenversammlungen und dann auch Bezirksämter unter Umständen das Leben von Menschen gefährden, weil wir wegen der Poller nicht mehr an die Einsatzorte so kommen, wie wir sie brauchen. Das Agieren einiger Bezirke ist nicht richtig. Da muss etwas passieren, dass das rückgängig gemacht wird“, sagte vor wenigen Tagen Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD), Dienstherrin von Polizei und Feuerwehr.

„Das kostet Zeit, die man im Notfall nicht hat“

Die Absperrungen sollen den Durchgangsverkehr aus den Straßen heraushalten, sorgen aber auch dafür, dass Rettungswagen und  Löschfahrzeuge bei der Anfahrt im Notfall behindert werden, wertvolle Zeit beim Aufschließen der vom Bezirksamt aufgestellten Poller verloren geht. Oft kommt es auf Sekunden, auf Minuten an, um ein Leben zu retten. 

„Wir sind in einer Stadt, in der Pop-up-Radwege entstehen und Poller gesetzt werden, um Verkehr aus Kiezen rauszuhalten. Das ist per se nichts Verwerfliches“, sagt der CDU-Abgeordnete Alexander Herrmann im Innenausschuss. „Aber diese Maßnahmen haben Auswirkungen auf Polizei und Rettungsdienst. Es gibt Straßen mit nur noch einer Fahrspur, wo der Rettungswagen nicht mehr durchkommt, weil die Kraftfahrer nicht nach links und rechts können.“

Es gebe Situationen, in denen Rettungskräfte lange Umwege fahren müssten, wo sie erst aussteigen müssten, um Poller umzuklappen, sagt Herrmann. „Das kostet Zeit, die man im Notfall nicht hat.“ Auch Kriminelle nutzen das aus. Es hätte schon Fälle gegeben, in denen Verdächtige auf Motorrollern flüchteten und der Streifenwagen der Polizei von Pollern ausgebremst wurde.

Bei der Planung wird zu wenig auf Polizei und Feuerwehr gehört: Polizeivizepräsident Marco Langner nennt nicht umklappbare Sperrpfosten an der Müllerstraße in Wedding. Ein Problem sei auch die Rudower Chaussee, Ecke Groß-Berliner Damm in Adlershof, wo der Radweg auf die Fahrbahn führe. Zu den installierten niedrigen Schrammborden habe es keine Anhörung der Polizei gegeben, wie die Berliner Zeitung schreibt. Ähnlich am Mariendorfer Damm: Hier habe die Nichteinhaltung der Polizeiempfehlungen bei Blaulichtfahrten schon zu Problemen geführt.

Teure Umplanungen nötig: In der Beusselstraße legte der Bezirk einen Radweg so an, dass in einigen Bereichen keine Drehleiter aufgestellt werden könne, erklärt Berlins Vizefeuerwehrchef Per Kleist. Ähnlich in der Kantstraße. „Dort erfolgt nun eine umfängliche und kostenintensive Umplanung“, erklärt Kleist. Man wünsche sich eine „strukturierte, regelhafte Einbindung“ in die Planungen der Bezirke, sagt Kleist. „Derzeit wird die Berliner Feuerwehr in den Bezirken unterschiedlich entweder um Stellungnahme gebeten, um reine Kenntnisnahme gebeten oder auch überhaupt nicht informiert.“ 

Neue Radwege behindern Anfahrt

Feuerwehr wird zu oft spät über neue Poller informiert: Die Feuerwehr habe in ihrem Einsatzleitsystem die kürzesten und schnellsten Fahrtrouten abgespeichert, erklärt Kleist. Deshalb müsse die Feuerwehr frühzeitig Kenntnis davon haben, wenn es Änderungen an den dort hinterlegten Fahrstrecken gebe. 

Zu wenig Platz für Löschfahrzeuge: Feuerwehrfahrzeuge haben meist eine starre Hinterachse und deshalb einen großen Kurvenradius, wie die Berliner Zeitung schreibt. „Im Richardkiez etwa hatten wir wegen der geringen Anzahl an umklappbaren Pollern nicht die Möglichkeit, im notwendigen Radius mit unserer Drehleiter durchzukommen“, sagt Per Kleist.

Defekte Poller: Immer wieder sind Umklapp-Poller defekt oder werden so manipuliert, dass sie nicht mehr umgelegt werden können. Doch das kontrollieren die Bezirke laut Feuerwehr nur unzureichend. Immer wieder kommt es so zu gefährlichen Verzögerungen.

In der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg gibt es nur noch eine Fahrspur für Autos: Rettungsdienste kommen nicht mehr durch, weil Autos nicht ausweichen können.
In der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg gibt es nur noch eine Fahrspur für Autos: Rettungsdienste kommen nicht mehr durch, weil Autos nicht ausweichen können.Markus Wächter

Neue Radwege behindern die Anfahrt: Durch die neuen Radverkehrsanlagen steht oft nur noch ein Fahrstreifen für Autos zur Verfügung. Ist die Straße voll, müssen Einsatzkräfte alternative Routen wählen. Doch das verlängere die Anfahrtszeiten, so Langner.

Zuletzt gab es gerade Streit um elf massive, rot-weiße Stahlpoller auf der Kreuzung August-/ Ecke Tucholskystraße in Mitte. Anwohner und Gewerbetreibende klagten gegen die vom Bezirksamt aufgestellten Barrieren – und gewannen. Das Verwaltungsgericht Berlin entschied am 12. Juli in einer Eilentscheidung, dass die Poller wieder weg müssen (Az.: VG 11 L 495/24). Der Bezirk habe keine Gefahrenlage nachweisen können, die einzig und allein eine solche Einschränkung des Verkehrs rechtfertige, so die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin.

Noch stehen die Poller, das Bezirksamt Mitte hat Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes eingelegt. Jetzt ist das Oberverwaltungsgericht am Zuge. Die Anwohner im Kiez sind gespalten, wie sich bei einer Diskussion Ende August zeigte. Die Poller seien Irrsinn, „es wird den Kiez zerstören“, sagte André Aimaq. Er ärgert sich über die rot-weißen Stahlpoller, die er von seiner Wohnung aus sieht. Anders sieht das Jörg Braunsdorf, Inhaber der Buchhandlung Tucholsky. „Der Durchgangsverkehr ist weg. Hören Sie, wie ruhig es ist?“ ■