Das U-Bahn-Drama am Alexanderplatz ist den Berlinern noch gut in Erinnerung. Der Bau des Covivio-Wolkenkratzers hatte 2022 dafür gesorgt, dass der Tunnel der U2 absackte. 300 Tage dauerte die Schadensbeseitigung am Alex, die Folge war für BVG-Nutzer eine nervige Pendelei. Nun könnte ein ähnliches Drama in Lichtenberg drohen. Denn dort planen Investoren, dass an der Straße Am Tierpark ein Hochhaus ganz nah an dem U-Bahntunnel der U5 gebaut werden soll.
Bisher steht an dieser Stelle noch ein Getränkemarkt mit Parkplatz. Dieser Bau soll verschwinden, teilte das Bezirksamt Lichtenberg im Frühjahr mit. Denn die Behörde erteilte einen Bauvorbescheid für den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses. 18 Stockwerke sind geplant, in dem Gebäude soll auch der Getränkeladen einziehen, heißt es auf KURIER-Nachfrage. Über die Kosten und den Investor teilt das Bezirksamt nichts mit. Einen Bautermin gibt es noch nicht.

Die Nähe der möglichen Hochhaus-Baustelle zur U-Bahn-Linie U5 ließ nun die Abgeordnete der Linkspartei, Hendrikje Klein, aufhorchen. Auch sie hat die damaligen Geschehnisse am U2-Tunnel am Alex gut in Erinnerung. Um so ein Bau-Drama schon von Anfang an in Lichtenberg an der U5 auszuschließen, stellte sie eine Anfrage an den Senat, ob eine Gefährdung der U-Bahn durch das Hochhaus-Projekt an der Straße Am Tierpark besteht.
Zunächst wollte die Politikerin wissen, wie groß der Abstand der vorgesehenen Baugrube zum Tunnelbauwerk der U5 ist. Der Senat ließ dazu das Bezirksamt Lichtenberg antworten. Die Behörde erklärte, dass der Abstand einer künftigen Baugrube zum U-Bahntunnel „nicht exakt benannt werden“ kann, da sich „in dem Antrag auf Vorbescheid eingereichten Bauvorlagen keine Angaben dazu“ finden.
Aber was dann das Bezirksamt weiter erklärt, lässt Befürchtungen aufkommen: „Unter den Annahmen, dass die künftige Baugrube im vorliegenden Fall, aufgrund der Größe des Grundstücks, bis etwa an die Grundstücksgrenzen heranreicht, und die Eintragungen der Grundstücksgrenzen und der Trassenführung im vorliegenden Architektenlageplan in etwa richtig sind, beträgt der Abstand an der schmalsten Stelle etwa 1,30 Meter (Abstand zwischen eingezeichnete Grundstücksgrenze und eingezeichnetem Trassenverlauf der U-Bahn).“
Geplantes Hochhaus am Tierpark: Mit 1,30 Meter ganz nah am U-Bahntunnel
Nur 1,30 Meter, das ist verdammt ganz nah an der U-Bahn dran. Nicht auszudenken, wenn dann bei den Tiefbauarbeiten etwas schiefläuft.
Daher fragt Linke-Abgeordnete Klein rein vorsorglich beim Senat an, wie dieser „das Gefährdungspotenzial des Bauvorhabens für den Betrieb und die Sicherheit der U5“ in dem Bereich der Straße Am Tierpark sieht. Und wie wolle die zuständige Senatsbauverwaltung verhindern, dass es bei der U5 nicht zu einer Situation kommt, so wie es bei dem Bauvorhaben der französischen Unternehmensgruppe Covivio bei der U2 am Alexanderplatz zu beobachten war?

Die Antwort der Senatsbauverwaltung fällt recht pauschal aus. „Für die Beurteilung der bauordnungsrechtlichen Genehmigungsfähigkeit tragen die zuständigen Bauordnungsämter die letztendliche Verantwortung. Die Technische Aufsichtsbehörde beurteilt bei Beteiligung durch die Bauordnungsämter die Unterlagen und formuliert in diesem Rahmen erforderliche Auflagen und Bedingungen, die eine Gefährdung der baulichen Anlagen der BVG ausschließen“, heißt es.
Hochhaus an U5: Erinnerungen an dem U-Bahn-Drama am Alexanderplatz
Wenn das so ist, wieso kam es dann vor zwei Jahren zu dem Tunnel-Drama am Alex? Der Grund dafür war schließlich eine Baugrube. Aus dieser liefen die Arbeiten für ein 130-Meter-Hochhaus mit 33 Etagen, das der französische Immobilienkonzern Covivio neben dem Park-Inn-Hotel errichtet. Unmittelbar daneben befindet sich der U-Bahnhof der U2.

Die Buddelei hatte Folgen. Sie sorgte offenbar dafür, dass sich die Tunnelröhre um einige Zentimeter absenkte. Deshalb musste ab 7. Oktober 2022 der U-Bahn-Betrieb der U2 am Alex eingeschränkt werden. Die Bahnen durften nur noch eingleisig alle 15 Minuten durch die Röhre zwischen Senefelderplatz und Klosterstraße nach Pankow beziehungsweise in Richtung Ruhleben pendeln. Eine Nerverei, die 300 Tage dauerte und die die Berliner nicht noch einmal erleben wollen. Schon gar nicht auf der U5. Die eine der wichtigsten U-Bahnstrecken Berlins ist.

U-Bahntunnel am Alex: Warum er absackte, ist offiziell noch immer nicht geklärt
Welche Ursache nun beim Bau des Hochhauses am Alexanderplatz zum Absenken des Tunnels geführt hatte, ist offiziell noch immer nicht geklärt, teilt der Senat der Linkspartei-Abgeordneten Klein mit. „Dies ist noch Bestandteil von Untersuchungen. Anzeichen für mangelnde Sicherheits- und Schutzauflagen durch die Technische Aufsichtsbehörde sind dabei nicht erkennbar und stehen nicht im Fokus dieser Untersuchungen.“ Bei dem Bauvorhaben am Alex würden die Prüfungen „mit gleicher Sorgfalt“ laufen wie bisher. Ein Gefährdungspotential wäre „hierdurch ausgeschlossen“.
Doch wenn so gut geprüft wurde und wird, wie konnte es dann am Alex zu dem Tunnel-Drama kommen, hakt Linke-Abgeordnete Klein im Hinblick auf das Bauvorhaben in Lichtenberg nahe des U5-Tunnels beim Senat nach. Die Antwort des Senats: „Jede noch so umfassende Prüfung und Vorgabe von Sicherheitsanforderungen kann nicht ausschließen, dass bei der Bauausführung Fehler unterlaufen.“

Umso wichtiger ist es, bei dem Hochhaus-Vorhaben in Lichtenberg, das in sehr dichter Nähe zu U-Bahnanlagen irgendwann stattfinden soll, sich schon jetzt im Vorfeld der Planungen und des Genehmigungsverfahrens um die Sicherheit der Bauausführungen zu kümmern. Zumal offenbar noch keine Gespräche mit der BVG dazu stattgefunden haben sollen.
So sieht es nicht nur die Linkspartei. „Aufgrund der Geschehnisse am Alexanderplatz muss das Bauprojekt in Lichtenberg schon jetzt sehr sorgfältig auf Machbarkeit und Sicherheit geprüft werden“, sagt CDU-Verkehrsexperte Martin Pätzold. ■