Der großflächige Stromausfall auf der Iberischen Halbinsel hat eine unangenehme Realität aufgezeigt: Auch Deutschland ist nicht immun gegen einen solchen Ernstfall. Auf Berlin kommen einige Herausforderungen zu.
Fällt der Strom flächendeckend aus, steht das öffentliche Leben still. Benzin fließt nicht mehr aus der Zapfsäule, das Wasser bleibt in den Leitungen, Geldautomaten verweigern den Dienst. Im Sommer funktioniert keine Kühlung, im Winter keine Heizung. Elektronische Türschlösser bleiben verriegelt, Mobiltelefone sind nutzlos.
Sicherheitsbehörden schlagen Alarm: Die Bevölkerung ist auf einen längeren Stromausfall nur unzureichend vorbereitet, berichtet die Berliner Zeitung. Zwar betont die Bundesnetzagentur, dass das deutsche Stromnetz durch Redundanzen gut abgesichert sei – jede Leitung könne ausfallen, ohne dass sofort ein Blackout drohe. Kraftwerke mit Schwarzstartfähigkeit sollen das Netz im Notfall wieder hochfahren können. Doch viele Experten sehen das weniger optimistisch.
Denn die Energiewende bringt nicht nur Fortschritt, sondern auch neue Risiken. Solar- und Windenergie sind wetterabhängig – bei einer sogenannten Dunkelflaute im Winter, wenn weder Wind weht noch Sonne scheint, geraten die Netze schnell unter Druck.
Kritische Frequenzabfälle unter 49,8 Hertz hat es bereits mehrfach gegeben, das europäische Verbundnetz war in der Vergangenheit nur knapp an einem Totalausfall vorbeigeschrammt, so die Berliner Zeitung. Die Gefahr wächst zudem durch mögliche Hackerangriffe oder gezielte Sabotage. Was genau den jüngsten Stromausfall in Spanien und Portugal ausgelöst hat, ist noch unklar.
Für Albrecht Broemme, den früheren Leiter der Berliner Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks, ist die Sorglosigkeit vieler Entscheidungsträger gefährlich. Er erinnert in der Berliner Zeitung an den Vorfall von 2006, als die Durchfahrt eines Kreuzfahrtschiffs zur Abschaltung einer Stromleitung führte – ein Dominoeffekt legte damals Teile Europas lahm. Zehn Millionen Menschen waren betroffen.
Ein Zusammenschluss aus Sicherheitsexperten warnt in einem Positionspapier eindringlich: Strom muss in Echtzeit erzeugt und verbraucht werden. Bereits kleinste Störungen können große Lastschwankungen auslösen, die binnen Sekunden das gesamte Netz ins Wanken bringen. Je größer der Schaden, desto schwerer wird es, das System wieder zu stabilisieren.
Stromausfall in Köpenick 2019 dauerte über 30 Stunden
Immerhin, es gibt erste Fortschritte. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz empfiehlt mittlerweile Vorräte für mindestens drei, besser zehn Tage. In Berlin reagierte man nach dem Stromausfall in Köpenick 2019, der über 30 Stunden andauerte.
Seitdem wird an sogenannten Katastrophenschutz-Leuchttürmen gearbeitet – Notfall-Anlaufstellen mit eigener Stromversorgung, Funknetz, Informationsangeboten und Wlan. Doch der Ausbau stockt, nicht alle Bezirke sind ausreichend vorbereitet.

Auch Brandenburg setzt verstärkt auf Vorsorge und plant über 300 solcher Anlaufstellen. Mehr als 40 Millionen Euro wurden dafür bereitgestellt, erste Leuchttürme sind bereits in Betrieb – unter anderem in Cottbus.
Bei einem Blackout funktionieren Tankstellen in der Regel nicht
Kritisch bleibt die Situation bei der Kraftstoffversorgung. Bei einem Blackout funktionieren Tankstellen in der Regel nicht, da sie auf Internetverbindung und Strom angewiesen sind. Berlin verfügt aktuell nur über zwei Tankstellen, an denen im Notfall manuell oder per Notstrom getankt werden kann.

Projekte wie Tank-Notstrom sollen die Einsatzfähigkeit von Polizei und Feuerwehr sichern – mit Funksensoren, die den Kraftstoffvorrat überwachen, und einem unabhängigen Kommunikationsnetz. Auch Tanklager in verschiedenen Berliner Stadtteilen wurden nachgerüstet.
Trotzdem warnt Broemme: Die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus. Er fordert, mindestens jede zehnte Dienststelle der Sicherheitsbehörden müsse vollständig autark arbeiten können – mit eigener Energie-, Wasser- und Lebensmittelversorgung. Noch sei das Zukunftsmusik, aber der Anfang sei gemacht. Wer jedoch weiterdenkt, gilt schnell als Schwarzmaler. Dabei könnte ein solcher Realismus im Ernstfall Leben retten.