Das Verwaltungsgericht hat im Eilverfahren geurteilt: Wegen Spatzen wird der Abriss des Jahnstadions in Berlin-Pankow gestoppt. Die Klatsche der Richter dürfte jetzt vor allem einem mächtig auf die Füße fallen – Bausenator Christian Gabler (SPD). Denn mit dem Stopp und den daraus folgenden Verzögerungen für den Neubau dürfte das 220 Millionen-Euro-Stadionprojekt noch teurer werden. Dabei hatte Gaebler zuvor noch vollmundig versichert, dass beim Abriss alle Auflagen zum Artenschutz berücksichtigt werden. Man sei ja nicht doof.
Am 7. Oktober startete der Abriss vor dem Tribüneneingang des einstigen DDR-Stadions. Bauzäune wurden errichtet, dann legte ein Bagger los, riss zunächst die Treppen ab. Nun ruhen die Arbeiten, mindestens bis Ende Februar 2025. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte am Montag die Zwangspause aufgrund eines Eilantrages von Naturschützern verfügt – den Spatzen sei Dank!

Denn auf dem Stadion-Areal haben sich im Laufe der Jahre 25 Brutvogelarten (neben Sperlinge auch Stare und Hausrotschwänze) und neun von 16 der in Berlin vorkommenden Fledermausarten angesiedelt. In einem Gutachten zum Stadion-Abriss heißt es, dass es „zum Verlust einer hohen Anzahl von Brutplätzen am Stadion, an der Westtribüne und den Nebengebäuden“ käme. Es müssten entsprechende Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden.
Doch derzeit würden 359 Nisthöhlen und Quartiere für Vögel und Fledermäuse fehlen, die rechtlich „bis spätestens 28. Februar 2024 als vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen zu realisieren waren“, sagt Uwe Hiksch vom Verein „Naturfreunde Berlin“, der über 1000 Mitglieder hat und nun mit einem Eilantrag vor Gericht den Abriss-Stopp erreichte.
Abriss-Stopp Jahnstadion: „Senat hat sich an seine eigenen Vorgaben nicht gehalten“
„Im Prinzip hat sich der Senat nicht an den Vorgaben gehalten, die in dem Gutachten stehen, das der Senat sogar selber in Auftrag gegeben hatte. So sieht es auch das Gericht“, sagt Vereins-Vize Hiksch dem KURIER. „Wir sind überglücklich, dass wir dieses Urteil erkämpft haben, das ein wichtiger Beitrag für den Artenschutz bei allen Bauvorhaben ist.“
Verantwortlich für das ganze Stadion-Drama, das dem Land Berlin in Zeiten des Sparzwanges noch teuer zu stehen kommen könnte, ist Bausenator Christian Gaebler und seine Behörde. Er kann jetzt nicht behaupten, dass ihn der Abriss-Stopp wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft. Denn Gabler war bereits im Vorfeld gewarnt.
Zum Beispiel am 13. September im Sportausschuss des Abgeordnetenhauses, als es um den bevorstehenden Jahnstadion-Abriss ging. Da pfiffen schon die Spatzen von den Stadion-Dächern, dass es Probleme mit dem Artenschutz geben könnte. Und so stellten die Abgeordneten entsprechende Fragen an Gaebler.

Wie man auf YouTube im Internet nachsehen kann, reagierte der Bausenator recht sauer. Was denn die Nachfragerei zum Artenschutz solle, erklärte er. „Ja, unsere Bauleute sind doch nicht doof! Sie kennen die Gesetze und setzen sie auch um“, sagte damals Gaebler.
Abriss Jahnstadion: „Dass Gabler Fakten schaffen wollte, ist ein politischer Skandal“
Mit dem Abriss-Stopp ist jetzt das Land Berlin als Bauherr der Doofe. „Der Bausenator hat von den Problemen gewusst, er hätte noch vor Abrissbeginn handeln und nachbessern können“, sagt Kristian Ronneburg, Sportexperte der Linkspartei, dem KURIER. „Dass Gaebler sich über Verpflichtungen aus dem von seiner eigenen Verwaltung in Auftrag gegebenen Gutachten hinwegsetzen wollte, um mit der Brechstange das Jahnstadion abzureißen und in Zeiten knapper Kassen Fakten zu schaffen, ist ein politischer Skandal.“
Vor allem mit einer Sache hat der Bausenator nicht gerechnet: Dass auch ein Spatz vor Gericht Recht bekommen kann, dessen Lebensraum durch Baumaßnahmen ohnehin schon bedroht ist.
Die 24. Kammer des Verwaltungsgerichts hat daher dem Land Berlin die Abrissarbeiten für derjenigen Stadionteile vorläufig untersagt, an denen sich Brutstätten des Haussperlings befinden. Dies betrifft das östliche Tribünengebäude, die westliche Gegentribüne, Sanitär- und Trafogebäude.
Zwar habe der Bauherr Schutzmaßnahmen getroffen. Aber das Gericht argumentiert: „Es bestünden erhebliche Zweifel, dass der Verlust von insgesamt 94 Brutstätten durch die als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme vorgesehenen Sperlingshäuser ausreichend kompensiert werden könne. Denn es sei bereits nicht ersichtlich, dass deren Aufstellung rechtzeitig vor Beginn der Abrissarbeiten gewährleistet sei.“

Außerdem wäre „die Wirksamkeit der Sperlingshäuser nicht hinreichend gesichert“. Das Gericht erklärt: „Die Oberste Naturschutzbehörde habe bereits im Bebauungsplanverfahren mehrfach darauf hingewiesen, dass die Sperlingshäuser erfahrungsgemäß verhältnismäßig schlecht angenommen würden. Diese Zweifel habe der Antragsgegner im Eilverfahren nicht auszuräumen vermocht.“ Wieder eine Ohrfeige für den Bausenator.
Nun muss Gaebler und seine Behörde die Suppe auslöffeln, die sie sich eingebrockt haben. Der jetzige Abriss-Stopp gilt vorerst bis Ende Februar 2025. Damit hätte die Verwaltung Zeit, bis zum Beginn der Brutsaison (1. März) das Versäumte zum Schutz der Spatzen nachzuholen. Nachbessern, dann die Erlaubnis zum weiteren Abreißen beim Gericht einholen – das wird für Gaeblers Behörde recht sportlich.
Abriss-Stopp Jahnstadion: Bausenator will nachbessern
Denn bis zum Start der Brutsaison müssen alle Bedenken ausgeräumt sein. Ist das nicht der Fall, dürfen bis Anfang Oktober 2025, solange dauert die Schonzeit für Brutvögel, keine Abrissarbeiten erfolgen. Der Stadion-Neubau, der dann beginnen sollte, würde sich weiter verzögern.
Daher ist es auch nicht dienlich, wenn die Verwaltung des Bausenators gegen den Abriss-Stopp vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in Berufung geht. Das Verfahren würde viel Zeit kosten, die Gaebler nicht hat. Und so wie es aussieht, wird er offenbar auch auf juristische Mittel verzichten.
„Wir werden die kommenden 14 Tage nutzen, um Art und den Umfang der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für den Haussperling zu überarbeiten und damit die vom Gericht geäußerten Zweifel auszuräumen“, sagt ein Behördensprecher dem KURIER. „Wir greifen die Hinweise des Gerichtes auf und werden verbesserte Maßnahmen für den Haussperling umsetzen.“
Der Sprecher erklärt, dass sich die Bauverwaltung über die Artenschutzmaßnahmen für die Spatzen bereits vor dem Abrissbeginn mit der Unteren Naturschutzbehörde des Bezirks Pankow abgestimmt hatte. Demnach wurden für das Tribünengebäude, an dem vier Niststätten für Spatzen bestehen, als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bereits acht Nistkästen angebracht.
„Weitere Maßnahmen sollten noch vor Beginn der Brut- und Setzzeit umgesetzt werden. Im Zuge der weiteren Abrissmaßnahmen sollten sogenannte ‚Spatzentürme‘ die bereits angebrachten Nistkästen ergänzen und teilweise ersetzen“, sagt der Sprecher. Doch dann kam der Eilantrag und der Abriss-Stopp.






