Spätestens seit dem tragischen Vorfall in Magdeburg im vergangenen Jahr, bei dem ein Mann mit einem Auto in die Buden des Weihnachtsmarkts raste und sechs Menschen in den Tod riss, 300 Menschen verletzte, sind die Sicherheitsvorschriften für Veranstaltungen bundesweit verschärft worden.
„100 Prozent Sicherheit kann es nicht geben“, sagt Christine Meinecke-Wohlthat, Veranstalterin der Lichtenberger Winterwelt an der Landsberger Allee. „Das versprechen wir auch nicht. Aber wir tun alles, was möglich ist.“ Und das kostet.
Terror-Steuer auf dem Weihnachtsmarkt
Wer auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin Glühwein oder Mutzenmandeln kauft, zahlt gewissermaßen immer auch eine „Terror-Steuer“, wie kürzlich ein Kollege der Berliner Zeitung schrieb. So weit wollen es die Veranstalter in Lichtenberg jedoch nicht kommen lassen. „Seit dem vergangenen Jahr haben wir die Standmieten nicht erhöht“, betont Christine Meinecke-Wohlthat. „Es wäre ja niemandem geholfen, wenn der Glühwein so teuer wäre, dass ihn keiner mehr kauft.“ Und so bleibt das Glas Glühwein tief im Osten bei unter fünf Euro.

Neue Sicherheitsmaßnahmen auf dem Weihnachtsmarkt
Trotzdem müssen die Organisatoren die gestiegenen Ausgaben für neue und umfangreichere Sicherheitsmaßnahmen einplanen. In Lichtenberg wurden beispielsweise für den Preis eines Mittelklassewagens zertifizierte Zufahrtssperren angeschafft. Auch Sicherheitspersonal ist rund um die Uhr im Einsatz. „Wir haben 58 Tage geöffnet und immer etwa 12 bis 18 Sicherheitskräfte vor Ort“, erklärt die Veranstalterin. Am Einlass werden Taschenkontrollen durchgeführt.

Mit konkreten Zahlen hält sich die Branche zwar zurück; doch laut Michael Roden, Betreiber des Weihnachtsmarkts am Breitscheidplatz und Vorsitzender des Berliner Schaustellerverbands, belaufen sich die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen bei ihm mittlerweile auf eine sechsstellige Summe, wie er der Berliner Zeitung sagte. „Allein 100.000 Euro geben wir für Security-Personal aus“, sagt er. „Bei uns liegen die Ausgaben für Security sogar noch darüber“, so Oliver Hellwig, der Manager der Lichtenberger Winterwelt.
Es geht hier immer um Menschen
„Weil es hier immer um Menschen geht, entwickeln wir unser Sicherheitskonzept ständig weiter“, erklärt Hellwig weiter.
Um möglichen Attentaten mit Fahrzeugen vorzubeugen, müssen Veranstalter von Volksfesten und Weihnachtsmärkten inzwischen vollständig für Durchfahrtssperren sorgen. In Berlin werden Veranstaltungen nur genehmigt, wenn die Zufahrten abgesperrt sind – durch querstehende Lkw, Poller oder mobile Fahrzeugsperren, die schnell auf- und abgebaut werden können.

Nach dem Anschlag in Magdeburg 2024 hatten Hellwig und Meinecke-Wohlthat eine spontane Idee, die sie auch in diesem Jahr wieder umsetzen: Entlang der Landsberger Allee wurde in Absprache mit der Polizei eine Autospur gesperrt. Dort parken nun die Trailer der Schausteller, sodass Besucher sicher vor dem Eingang anstehen können. Zusätzlich wurden Betonelemente angemietet – Kostenpunkt: mehrere Tausend Euro. Auf dem Gelände selbst sorgen flächendeckend installierte Videokameras für einen besseren Überblick über Besucherströme. Bei Straftaten kann die Polizei auf die Aufnahmen zugreifen.
Sicherheitsmaßnahmen werden bleiben
„Diese Maßnahmen werden uns noch länger begleiten“, ist sich Christine Meinecke-Wohlthat sicher. Sie investiert also nicht nur in Sicherheit, sondern auch in Komfort.
Auf der einst schlammigen Brache an der Landsberger Allee wurden über 1000 gemietete Aluminiumschwerlastplatten verlegt. „Die machen das Gelände barrierefrei für Rollstühle und Kinderwagen – und sie kosten sogar mehr als die Sicherheitsmaßnahmen“, erklärt sie. Doch das lohne sich: „So können unsere Gäste entspannt zwischen Buden und Fahrgeschäften aus ganz Europa flanieren.“
Klage hat keine allgemeine Wirkung
Nicht alle Veranstalter sind mit der Kostenverteilung für mehr Sicherheit einverstanden. Schon 2017 klagte der Betreiber des Weihnachtsmarkts am Schloss Charlottenburg gegen die Verpflichtung, selbst für Anti-Terror-Maßnahmen aufzukommen – mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht urteilte, dass die Polizei grundsätzlich für die Sicherheit zuständig sei. Doch dieses Urteil hat keine allgemeine Bindung.
Vorsorglich stellte Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) im September daher in einem Brief an die Bezirke klar: „Der Schutz von Veranstaltungen vor unbefugtem Fahrzeugzugang (…) fällt grundsätzlich nicht in den Aufgabenbereich der Polizei Berlin. Vielmehr liegt dies in der Verantwortung der jeweiligen Veranstaltenden.“ Finanzielle Belastungen dürften nicht dazu führen, dass notwendige Sicherheitsmaßnahmen unterlassen werden, so der Staatssekretär laut Berliner Zeitung.

Absagen von Weihnachtsmärkten in Berlin gibt es in diesem Jahr zwar keine – doch die Branche steht unter Druck. „Wir sind am Limit“, sagt Michael Roden. „Wir Schausteller wollen, dass die Menschen Freude haben. Aber wenn sich niemand mehr den Glühwein leisten kann, bleiben die Besucher weg.“ Auch in Magdeburg steht der Weihnachtsmarkt noch wegen fehlender Sicherheitsfreigaben auf der Kippe.
Aufwendige Bürokratie für Weihnachtsrummel
Neben Sicherheitsauflagen machen auch Bürokratie und Genehmigungsverfahren den Veranstaltern zu schaffen. Wer einen Weihnachtsmarkt plant, muss zahlreiche Behörden einbeziehen – vom Tiefbauamt über das Veterinäramt, Umweltamt und Bauamt bis zur Polizei. Einzureichen sind unter anderem ein Brandschutzkonzept, ein Erste-Hilfe-Konzept und ein umfassendes Sicherheitskonzept.
Jeder Bescheid kostet Gebühren. „Der Tüv war drei Tage hier, um die Fahrgeschäfte zu prüfen“, berichtet Hellwig. Auch Lärm- und Lichtschutz sind an der Landsberger Allee ein großes Thema, da sich dort viele Wohnhäuser befinden.

Der Kompromiss: An 58 Tagen ist geöffnet, doch die Fahrzeiten der großen Karussells sind begrenzt – sonntags erst ab 14 Uhr, werktags bis 21 Uhr. Und wenn der Bezirk einen Abstellplatz für E-Scooter wünscht, wird er selbstverständlich eingerichtet.
Angesichts des enormen Aufwands grenzt es fast an ein Weihnachtswunder, dass der Glühwein auf der Lichtenberger Winterwelt noch immer für 4,50 Euro verkauft wird. Denn auch für die Schausteller und Imbissbetreiber, viele davon in dritter Generation, muss sich das Geschäft rechnen.




