Neues Gerichtsurteil

Fliegen jetzt die letzten DDR-Mieter aus ihren Wohnungen?

DDR-Mietverträge genießen keinen besonderen Schutz mehr. Das hat der Bundesgerichtshof in einem beispiellosen Urteil entschieden.

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Wohnungen in Berlin. In einigen wohnen noch Menschen mit DDR-Mietverträgen.
Wohnungen in Berlin. In einigen wohnen noch Menschen mit DDR-Mietverträgen.Olaf Schuelke/imago

In einem beispiellosen Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass DDR-Mietverträge keinen besonderen Schutz mehr genießen, wenn der Vermieter Eigenbedarf anmeldet. Damit kippt das höchste deutsche Zivilgericht jahrzehntelang geltende Regeln, die Mieter im Osten der Republik vor willkürlicher Kündigung schützten. Fliegen jetzt die letzten DDR-Mieter aus ihren Wohnungen?

Im konkreten Fall wollte ein Vermieter eine Wohnung in Ost-Berlin räumen lassen, um selbst einzuziehen. Die Mieter pochten auf ihren Vertrag aus DDR-Zeiten, der eine Kündigung eigentlich nur unter strengen Bedingungen erlaubte.

Doch der BGH stellte klar: Das Zivilgesetzbuch der DDR ist Geschichte – und mit ihm die strengeren Vorschriften, die Kündigungen erschwerten. Nun gelten allein die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Das Landgericht Berlin hatte den Mietern in der Vorinstanz noch recht gegeben. Es hielt den alten Vertrag für bindend und argumentierte, dass Eigenbedarf nur bei dringendem und gesellschaftlich gerechtfertigtem Bedarf geltend gemacht werden könne – genau wie es das DDR-Recht vorsah. Doch diese Position wurde in Karlsruhe in aller Deutlichkeit abgewatscht.

DDR-Mietern kann ab sofort gekündigt werden

Die Richter des BGH entschieden, dass das BGB klare und abschließende Regeln zur Eigenbedarfskündigung vorgibt. Ein DDR-Vertrag? Makulatur. Mieterrechte aus der Vergangenheit? Einfach ausradiert. Ab sofort können Vermieter auch solche Altverträge kündigen, wenn sie die Wohnung für sich oder ihre Angehörigen benötigen.

Ein DDR-Mietvertrag. Er schützt den Mieter ab jetzt nicht mehr.
Ein DDR-Mietvertrag. Er schützt den Mieter ab jetzt nicht mehr.DDR-Museum

Dieser Richterspruch hat es natürlich in sich. Mit einem Federstrich werden Mieter im Osten der Republik auf das Niveau des gesamtdeutschen Mietrechts zurückgestuft – ohne Rücksicht auf historische Schutzklauseln. Für viele Betroffene bedeutet das eine unsichere Zukunft. Wer eine Wohnung mit einem DDR-Vertrag bewohnt, könnte sich also schon bald auf der Straße wiederfinden.

Triumphiert hier das Eigentum auf Kosten jahrzehntelanger Mietersolidarität? Sowieso. Die Entscheidung aus Karlsruhe dürfte für Zündstoff sorgen und den Osten weiter gegen den Westen aufbringen.

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