Ein gefallener König

Von zwei Spielern, die auszogen, über den  1.FC Union zur EM zu kommen

Alex Kral steht für die EM auf der tschechischen Warteliste, Tymoteusz Puchacz ist bei den Polen trotz seiner wiederholten Ausleihe einen Schritt weiter.

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Alex Kral vom 1. FC Union kommt gegen Augsburgs Pep Biel Mas Jaume zum Schuss.
Alex Kral vom 1. FC Union kommt gegen Augsburgs Pep Biel Mas Jaume zum Schuss.Merk/Imago

Es klingt ein wenig nach einer Geschichte von König und Bettelmann. Teils wörtlich, teils etwa freizügig interpretiert. Denn der eine, Alex Kral, ist der Bedeutung seines Nachnamens nach tatsächlich ein Herrscher. Ein König. Tymoteusz Puchacz seinerseits ist kein Bettelmann, ganz und gar nicht. Aber als König geht er auch nicht durch. Puchacz ist im polnischen Tierreich beheimatet und bedeutet nichts anderes als Uhu.

Die beiden, der eher defensivere Pole Puchacz sowie der eher offensivere Tscheche Kral, traten beim 1. FC Union an, um den nächsten Karriereschritt zu machen. Ihr vorrangiges Ziel war, sich in der Bundesliga zu etablieren. Ihr zweites, noch höheres, mit entsprechenden Leistungen ihren Nationaltrainern zu imponieren und sich für die Europameisterschaft zu bewerben. So weit, so gut.

Kral hatte bei dem Unterfangen einen kleinen Vorsprung, hatte er doch beim FC Schalke schon hineingeschnuppert in den deutschen Erstligafußball. Zwar war er mit den Königsblauen nach der Saison 2022/23 abgestiegen, aber er hatte Spuren hinterlassen. Stammspieler war er geworden und nach dem Absturz der Knappen von anderen Vereinen begehrt. Das wohl auch, weil er seit September 2019 mit Fünf-Jahres-Vertrag bei Spartak Moskau unter Vertrag stand, von den Russen zu West Ham United verliehen wurde, in London jedoch nicht Fuß fasste, unter dem dortigen Trainer David Moyes so gut wie nie zum Einsatz kam, aber, so die veränderten Regularien des Fußball-Weltverbandes Fifa nach Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine, nicht in die Premjer-Liga zurückmusste und ablösefrei anderswo andocken durfte.

Viel schlechtere Karten besaß dagegen Puchacz. Als ziemlich großes Versprechen kam er bereits im Sommer 2021 von Lech Poznan nach Köpenick. Gerade hatte er, zuvor von Lech an die Zweitligisten Zaglebie Sosnowiec und GKS Katowice ausgeliehen, ein heißes Frühjahr und einen noch heißeren Sommer verbracht. Wenige Wochen nur vor seinem Wechsel zum 1. FC Union hatte er sich, gerade 22-jährig, gleich mehrere Träume erfüllt: Länderspieldebüt in Wroclaw beim 1:1 gegen Russland; Berufung durch den portugiesischen Trainer Paulo Sousa ins Aufgebot für das EM-Turnier 2021; dort in den drei Gruppenspielen gegen die Slowakei (1:2), Spanien (1:1) und Schweden (2:3) dabei. Für den linken Außenbahnspieler hing der Himmel voller Geigen.

Tymoteusz Puchacz (r.) plaudert beim Training der polnischen Nationalmannschaft mit Trainer Michal Probierz.
Tymoteusz Puchacz (r.) plaudert beim Training der polnischen Nationalmannschaft mit Trainer Michal Probierz.Piotr Kucza/Imago

Unter Urs Fischer spielte Puchacz beim 1. FC Union keine Rolle

Nur spielte er bei Urs Fischer, dem damaligen Trainer der Eisernen, kaum eine Rolle. Allein in der Europa Conference League kam er zum Einsatz. In der Bundesliga lediglich einmal, eine gute Stunde gegen Mönchengladbach. Zuvor (zum türkischen Erstligisten Trabzonspor) und danach (zu Panathinaikos Athen, verpasste in Griechenland nur knapp die Meisterschaft) wurde er verliehen und im Sommer 2023 noch einmal – zum 1. FC Kaiserslautern. Wie immer hieß es von Vereins- wie von Spielerseite, dass er sich „einer neuen Herausforderung“ stelle. Nur: Nach diesem Nicht-Ankommen in der Bundesliga ließen sowohl Czeslaw Michniewicz als auch Fernando Santos (er hatte Portugal 2016 zum EM-Titel geführt), Nach- und Nach-Nachfolger von Paulo Sousa im Amt des polnischen Nationaltrainers, Puchacz links liegen.

In der Zwischenzeit wähnte Kral, größtenteils im Nachwuchs von Slavia Prag ausgebildet, sich auf der Überholspur. Noch keine 21 war er, als der damalige Trainer Jaroslav Silhavy ihn im März 2019 zur Nationalelf einlud. Die Gegner waren erste Sahne: England in der EM-Qualifikation (hier kam Kral noch nicht zum Einsatz) und Brasilien. Sein 21-Minuten-Debüt gegen den Rekordweltmeister bleibt für ihn unvergesslich. „Auch wenn ich in Wembley nur auf der Bank gesessen habe“, sagt er, „war das etwas ganz Besonderes. Und Brasilien war erst recht ein spannender Gegner.“

Alex Kral kommt im EM-Qualifikationssspiel von Tschechien gegen Albanien unbedrängt zum Flanken.
Alex Kral kommt im EM-Qualifikationssspiel von Tschechien gegen Albanien unbedrängt zum Flanken.Laci Perenyi/Imago

Alex Kral war bei der vergangenen EM fester Teil des Teams von Tschechien

Fortan gehörte Kral zum Team. Auch bei der EM vor drei Jahren spielte er, so in den Gruppenspielen gegen Schottland (2:0), Kroatien (1:1) und England (0:1), dazu im Viertelfinale, als die Tschechen dank eines 2:0 gegen die Niederlande ins Viertelfinale einzogen, dort gegen Dänemark (1:2, ohne ihn) jedoch Endstation war. Kral war immer als Spieler zwischen den Strafräumen gefragt. Als Ballschlepper und als Ballverteiler, als Zerstörer wie als Aufbauer. So wie beim 1. FC Union, als er anfangs des zu Ende gegangenen Spieljahres in dieser Rolle den verletzten Rani Khedira vertrat. Noch besser, als er im abschließenden Gruppenspiel in der Champions League gegen Real Madrid ein Tor erzielte, das die Eisernen kurz sogar vom Überwintern in Europa träumen ließ.

Mit 39 Länderspielen und dazu vier Einsätzen in Europas Königsklasse schienen die Weichen gestellt für einen Platz im tschechischen EM-Kader. Zumal Kral selbst davon ausgehen durfte und im jüngsten Eisern-Magazin über die Bedeutung eines Länderspieles sagte: „Es ist ein Traum, der wahr wird, wenn ich mein Land vertreten darf. Davon habe ich schon als Kind geträumt und es ist immer wieder etwas Besonderes. Ich bin jetzt seit ein paar Jahren dabei und es ist wirklich großartig, dass ich Teil dieser Mannschaft bin.“ Nur war Jaroslav Silhavy plötzlich nicht mehr Nationaltrainer.

 Tymoteusz Puchacz (l.) bbehauptet im Dress von Kaiserslautern im Pokalfinale gegen Leverkusens Jeremie Frimpong den Ball.
Tymoteusz Puchacz (l.) bbehauptet im Dress von Kaiserslautern im Pokalfinale gegen Leverkusens Jeremie Frimpong den Ball.MIS/Imago

Abstiegskampf brachte Puchacz ganz dicht ans EM-Team

Für Puchacz ging es weiter – nur eben nicht in Köpenick und erst recht nicht international, sondern in der Pfalz und da nur in der Zweitklassigkeit. Doch wie das Leben eines Fußballers manchmal spielt und der Ball ab und an Effet annimmt: Puchacz machte das Beste aus seiner eigentlich wenig hoffnungsvollen Lage. Zwar kämpften die Lauterer lange gegen den Abstieg, dafür sorgten sie im DFB-Pokal mit dem Einzug ins Endspiel für Furore. Dort, beim 0:1 gegen Leverkusen, bewies Puchacz Steherqualitäten und machte vielleicht den entscheidenden Schritt ins zunächst 29-köpfige EM-Aufgebot seines Heimatlandes. Michal Probierz, seit September vorigen Jahres Trainer des „Klub Polska“, jedenfalls steht auf den Noch- oder Schon-wieder-Unioner. Der hofft, da das Aufgebot bis eine Woche vor Turnierbeginn noch um mindestens drei Spieler verkleinert werden muss, auf seine endgültige Nominierung.

Alex Kral hingegen steht nur noch auf der Warteliste. Ivan Hasek, der neue Nationaltrainer der Tschechen, hat auf den „König“ verzichtet. Der kommt erst wieder ins Spiel, sollte sich in den kommenden Tagen jemand verletzen.