Fast verpokert

Josip Juranovic schrammt beim 1. FC Union knapp am Karriereknick vorbei

Beim 1. FC Union hat Josip Juranovic alles andere als eine berauschende Saison gespielt. In Kroatiens EM-Team ist er jedoch gesetzt.

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Josip Juranovic dirigiert im Dress des 1. FC Union. Trotz durchwachsener Saison ist er in Kroatiens EM-Team gesetzt.
Josip Juranovic dirigiert im Dress des 1. FC Union. Trotz durchwachsener Saison ist er in Kroatiens EM-Team gesetzt.Tom Weller/dpa

Hätten die Spieler des 1. FC Union vor gut einem Jahr ihre sportlichen Lebensläufe skizzieren sollen, wäre eine wichtige Rubrik frei geblieben. Bei den meisten jedenfalls. Und zwar diese: Einsätze in der Champions League. Einige hätten weit ausholen können. Allen voran Leonardo Bonucci, der italienische Europameister und Mehrfach-Titelträger auf dem Stiefel. Auch Robin Gosens, der deutsche Nationalspieler, hätte eine 28 eintragen können. Ebenso wäre Kevin Volland dabei gewesen, der es mit Leverkusen dorthin gebracht hatte, und Diogo Leite mit dem FC Porto. Aber sonst?

Das hätte Josip Juranovic lediglich ein müdes Lächeln abgerungen. Auch der Kroate hatte, als er im Januar vorigen Jahres nach Köpenick kam, eine Vergangenheit im prestigeträchtigsten europäischen Klubwettbewerb. Im Herbst 2022 war er für Celtic Glasgow zu insgesamt sechs Einsätzen gegen Real Madrid (er kannte sich also schon aus im Estadio Bernabeu), Schachtjar Donezk und RB Leipzig gekommen. Zudem hatten die Eisernen ihn mit diesem Fakt begrüßt: „Josip hat bereits 27 Spiele für die kroatische Nationalmannschaft absolviert, unter anderem zwei bei der EM 2021 und sechs über die volle Distanz bei der WM 2022, die Kroatien auf Platz 3 beendete.“

Die Verpflichtung von Juranovic machte den 1. FC Union einst wertvoller

Auch seinerseits war die Vorfreude groß. Nach Engagements in Polen bei Legia Warschau und eben in Schottland ist der Sprung nach Deutschland noch einmal eine ganz andere Kategorie. „Mit dem Wechsel zu Union erfüllt sich für mich ein Traum, in einer der besten Fußballligen der Welt spielen zu dürfen“, lauteten damals seine Begrüßungsworte. Zugleich gab er, obwohl er mit einer Größe von 1,73 m nicht unbedingt zu den körperlichen Riesen zählt, ein Versprechen ab, das von gesundem Selbstbewusstsein zeugt: „Die Bundesliga ist intensiv und robust und kommt so meinem Spiel zugute.“

Josip Juranovic (r.) in einer Trainingspause des kroatischen Teams in der EM-Vorbereitung mit Co-Trainer Mario Mandzukic (l.) und Luka Sucic.
Josip Juranovic (r.) in einer Trainingspause des kroatischen Teams in der EM-Vorbereitung mit Co-Trainer Mario Mandzukic (l.) und Luka Sucic.Pixsell/Imago

Juranovic gab im Nationalteam damals an der Seite von Luka Modric von Real Madrid, Ivan Perisic von Tottenham Hotspur, Josko Gvardiol von RB Leipzig, Mateo Kovacic vom FC Chelsea und Marcelo Brozovic von Inter Mailand eine gute Figur ab – das sorgte durchaus für Aufmerksamkeit. In der Bundesliga und erst recht im Berliner Südosten. Er ist einer, der in die großen Kreise des Fußballs schon mehr als nur hineingeschnuppert hat. So einen haben sie, alle Achtung, nach Köpenick geholt. Für Oliver Ruhnert, den damaligen Geschäftsführer Profifußball Männer, war klar: „Josip wird mit seinem Tempo, seiner Erfahrung und seinen Fähigkeiten gut zu uns passen.“

Wenn einer zum Stamm eines WM-Dritten gehört, dann sollte es mit seinen Fähigkeiten bestens bestellt sein. Auch über Erfahrung verfügt der inzwischen 28-jährige Defensivspieler, ist er doch sowohl mit Legia als auch mit Celtic jeweils Landesmeister geworden. Das mit dem Tempo hat er ebenso nachgewiesen. In der zurückliegenden Spielzeit gehörte er zu den Top-Sprintern der Bundesliga. Mit einem Top-Speed von 34,62 km/h war er nach dem Weggang von Sheraldo Becker und David Datro Fofana knapp vor Benedict Hollerbach der neue Usain Bolt der Köpenicker.

Grenzenloser Jubel bei Josip Juranovic nach dem geschafften Klassenerhalt mit dem 1. FC Union.
Grenzenloser Jubel bei Josip Juranovic nach dem geschafften Klassenerhalt mit dem 1. FC Union.Matthias Koch/Imago

Fehlschuss von Juranovic im Abstiegsfinale des 1. FC Union gegen Freiburg blieb ohne Folgen

All das wäre allerdings in einem völlig anderen Licht erschienen, hätte das Klassenerhalts-„Finale“ gegen Freiburg am Ende der Saison nicht in buchstäblich letzter Minute ein doch noch glückliches Ende genommen. Juranovic, der auf der Position von Legende Christopher Trimmel dem Kapitän im Laufe der Zeit den Rang abzulaufen schien, sich wie der als Meister der ruhenden Bälle erwies, hätte um ein Haar die Rolle des tragischen Helden eingenommen. Mit dem Handelfmeter, den er im so wichtigen Moment nicht an Freiburgs Keeper Noah Atubolu vorbeigebracht hatte. Na ja, ist gerade noch gut gegangen …

Dabei hat Juranovic auch mit Elfmetern längst seine Erfahrungen gemacht. Zunächst nicht als Hauptdarsteller, aber als Zuschauer bei den Besten ihres Fachs. Als vor gut einem Jahr im Finale der Nations League gegen Spanien nach torlosen 120 Minuten die Entscheidung vom Punkt fallen musste, ging es mit 4:5 zwar schief, aber erst nach jeweils sechs Schützen. Im Spätherbst 2022 jedoch, bei der Weltmeisterschaft in Katar, hatten sich die Kroaten im Viertelfinale gegen Brasilien behauptet. Auch vom Punkt. „Das“, sagt Juranovic, „war für mich der bisher spektakulärste Tag im Nationaltrikot.“

Josip Juranovic verschießt am letzten Spieltag der vergangenen Saison im Spiel des 1. FC Union gegen Freiburg einen Elfmeter.
Josip Juranovic verschießt am letzten Spieltag der vergangenen Saison im Spiel des 1. FC Union gegen Freiburg einen Elfmeter.nordphoto/Imago

Elfmeter will der Kroate vom 1. FC Union keine mehr schießen müssen

Als er dann aber doch im Nationalteam mal zum Elfmeter musste, weil erst vor zwei Monaten ein Spiel gegen Tunesien (hier übrigens war Aissa Laidouni, sein Mitspieler in Köpenick, Kapitän) keinen Sieger fand, bei einem freundschaftlichen Viererturnier dennoch einen brauchte und nach fünf Schützen Gleichstand herrschte, traute auch Juranovic sich – und scheiterte am tunesischen Schlussmann. Das Gefühl gegen Freiburg also war für ihn nicht ganz neu. Und: Elfmeter? Nein, danke!

Wenn auch nicht als Elfmeterschütze, doch als rechter Verteidiger ist Juranovic beim aktuellen WM-Dritten gesetzt. Nationalcoach Zlatko Dalic setzt in den Gruppenspielen gegen Mitfavorit Spanien, Turnierneuling Albanien und Titelverteidiger Italien jedoch nicht nur auf die defensiven Qualitäten seines Schützlings. Der sieht seine Rolle im Team der „Kockasti“, der Karierten, so: „In erster Linie liegt mein Fokus auf der Abwehr. Dort stabil zu stehen, das wird in dieser sehr schweren Gruppe wichtig sein. Zufrieden aber bin ich erst, wenn ich mich nach vorn einschalten und ein paar gute Flanken schlagen kann.“

In der zurückliegenden Saison ist ihm das für den 1. FC Union kaum gelungen. Bei Toren und Torbeteiligungen steht bei 21 Einsätzen die Null. Zeit, das zu verbessern, hat Juranovic noch. Selbst wenn Verträge in der modernen Zeit längst nicht immer das halten, wofür jemand seine Unterschrift gegeben hat, der des 36-maligen Nationalspielers ist bis 2027 (!) datiert. Genügend gute Flanken und das eine oder andere Tor sollten da noch möglich sein. Vielleicht auch mal ein Elfmeter, der den Weg am gegnerischen Torhüter vorbei in den Kasten findet …