Union-Kolumne

Kein Jammer-Ossi: Dirk Zingler will Gerechtigkeit für den 1. FC Union

Der Präsident kämpft nach dem Feuerzeug-Skandal so entschlossen, weil die Eisernen auch schon Opfer waren und keinerlei Ballyhoo veranstalteten.

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Dirk Zingler (60) war bei der Berufung vor dem DFB-Bundesgericht vor Ort. Mit dem Urteil ist der Präsident des 1. FC Union alles andere als einverstanden.
Dirk Zingler (60) war bei der Berufung vor dem DFB-Bundesgericht vor Ort. Mit dem Urteil ist der Präsident des 1. FC Union alles andere als einverstanden.Eibner/imago

Manchmal sagt man über nicht sonderlich angenehme Tage, dass sie zum Vergessen seien. Das kommt vor und ist nicht weiter schlimm. Der nächste Tag wird garantiert schöner. Dann scheint wieder die Sonne, die ganze Welt sieht gleich viel freundlicher aus und der Tag zum Vergessen ist tatsächlich in der hintersten Ecke des Kopfes verschwunden. So zumindest die Theorie.

Der 1. FC Union befindet sich in einer Zwickmühle

Was aber macht man, wie im Falle des 1. FC Union, mit einer ganzen Woche, die zum Vergessen ist? Ganz so leicht ist es nicht, das Geschehene in eine entlegene Schublade zu packen und am liebsten nicht mehr daran zu denken. Schließlich ist das 0:6 von Dortmund, die neuerliche Niederlage vor dem DFB-Sportgericht in Sachen Bochum-Spiel und dazu das 0:1 vom Sonntag gegen Holstein Kiel ein Klotz am Bein, der einen schnell stolpern lässt. Tag für Tag macht die Tabelle die wunde Stelle sichtbar: Platz 14 mit nur noch sechs Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz und sieben auf den ersten direkten Abstiegsplatz. Die Lage rund um das Stadion An der Alten Försterei war schon mal angenehmer.

Irgendwie ist der Eindruck entstanden, dass die Eisernen sich in der Zwickmühle befinden. Einerseits kämpft vor allem Präsident Dirk Zingler wie ein Löwe (kein Wunder, ist er doch vom Tierkreiszeichen einer) gegen die Ungerechtigkeit, dass ein vom Schiedsrichter sportlich zu Ende gebrachtes Spiel am grünen Tisch umgewertet wird, was es in der Bundesliga nie gegeben hat. Andererseits hat das Team von Trainer Steffen Baumgart arge Schwierigkeiten, Kurs zu halten.

1. FC Union: Torsten Mattuschka warf sich nicht zu Boden

Zum einen wurde mir, kaum war das Urteil am Freitag bekannt, ein Video zugeschickt, das folgenden Vorfall vom 22. Januar 2010 zeigt: Es ist die 19. Minute im Zweitligaspiel des 1. FC Union bei Fortuna Düsseldorf. Chinedu Ede steht an der Eckfahne, wartet auf Torsten Mattuschka, der einen Eckball ausführen möchte. Kaum ist Tusche im Bild, zuckt er auch schon zusammen. Getroffen im Gesicht von einem aus dem Fortuna-Fanblock geworfenen roten – genau – Feuerzeug. Thomas Frank, neben dem heutigen Bundesliga-Referee Harm Osmers Linienrichter, hebt das Feuerzeug auf und steckt es ein. Weiter geht’s, als sei nichts geschehen.

Gemeinsam mit Union-Anwalt Dr. Michael Müller erschien Zingler zur mündliche Verhandlung vor dem DFB-Bundesgericht.
Gemeinsam mit Union-Anwalt Dr. Michael Müller erschien Zingler zur mündliche Verhandlung vor dem DFB-Bundesgericht.Matthias Koch/imago

Dass Mattuschka getroffen wird, scheint niemanden zu interessieren. Auch weil Tusche, Sportsmann durch und durch, weiterspielt und anders als andere – wie war das noch mal mit dem Abitur hier in zwölf, da in 13 Schuljahren, ach ja, ein Jahr Schauspielunterricht – keinerlei Gewese um die Sache macht. Von Ballyhoo und sich vor Schmerzen auf den Boden werfen keine Spur. Schiedsrichter Michael Weiner sieht keinen Anlass, das Spiel auch nur für einen Moment zu unterbrechen. Auch dass Fortuna 1:0 gewinnt, nehmen die Eisernen sportlich. Dabei hätten sie allen Grund, auf die Palme zu steigen, immerhin liegen sie in Schlagweite zu Tabellenplatz 3 und wären bei einem erfolgreichen Protest auf zwei Punkte an diesen herangerückt.

Totschlag-Argument des Jammer-Ossis zählt nicht

Wahrscheinlich ist es auch die Erinnerung an diese Szene, die Zingler, er ist da als Vereinspräsident gerade das sechste Jahr im Amt, und die gesamte Union-Familie so wütend macht, von Ungerechtigkeit und von einem politischen Urteil sprechen lässt. Mir zumindest muss spätestens seitdem niemand mehr mit dem Totschlag-Argument des Jammer-Ossis kommen.

Die Vergangenheit jedoch hat (zu) oft gezeigt, dass sich derjenige, der sich mit dem Deutschen Fußball-Bund anlegt, in der Rolle des Don Quichotte auf einen Kampf gegen Windmühlen einlässt. Aussichtslos. Eigentlich. Das ähnelt fast schon einem Märtyrer, zumal der gegnerische Anwalt, der in der Branche nicht unbekannte Christoph Schickhardt, bei der Replik auf Argumente der Eisernen gar das Wort „Sauerei“ in den Mund nahm und den Sportrichtern Honig ums Maul schmierte. Was soll man von einem Verband und dessen Auffassung auch halten, der lautstark mündige Profis fordert, kritische Meinungen im Gegenzug aber in meist fünfstelliger Euro-Höhe sanktioniert. Da strahlt der Januskopf.

1. FC Union: Feuerzeug-Skandal wird niemals vergessen

Und dann wagt es der in ihren Augen aufmüpfige Herr Zingler, stellt einiges in Frage, bringt den trägen Koloss, der zudem Einlassungen von Holstein Kiel und St. Pauli als nicht zulässig vom Tisch fegt (warum eigentlich?), aus der Ruhe und mischt ihn auf. Majestätsbeleidigung, wie böse und undankbar.

Wie die Sache auch ausgeht, es wird, im Gegensatz zu der vorigen Woche, auf keinen Fall eine zum Vergessen. ■