Union-Kolumne

Feuerzeug-Wurf und die Folgen: Es geht noch irrer als beim 1. FC Union!

In der vorigen Saison wurden die Köpenicker Opfer von Gerichten. Beim Handball treiben sie es mit einem Wiederholungsspiel noch viel mehr auf die Spitze.

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Bochums Keeper Patrick Drewes (32) wurde beim Spiel gegen den 1. FC Union von einem Feuerzeug getroffen. Der Skandal beschäftigte danach mehr als vier Monate die Gerichte.
Bochums Keeper Patrick Drewes (32) wurde beim Spiel gegen den 1. FC Union von einem Feuerzeug getroffen. Der Skandal beschäftigte danach mehr als vier Monate die Gerichte.Andreas Gora/dpa

Es gibt im Sport nichts, das es nicht gibt. Ausnahmsweise soll nicht die Rede sein von Favoritenstürzen und Außenseitersiegen, Disqualifikationen wegen oftmaligen Übertretens der Absprungzone und Überlaufens der Wechselmarke. Es geht nicht einmal um eine Partie, in der ein Feuerzeug eine Rolle spielt, die 1:1 ausgegangen ist und Monate später nach allen möglichen Instanzen aus kaum nachvollziehbaren Gründen mit 0:2 gewertet worden ist.

VfL Bochum steigt nach Feuerzeug-Skandal trotzdem ab

Das ist aus Sicht des 1. FC Union und anderer beteiligter Vereine noch immer schwer verdaulich bis ungenießbar. Ein Glück, dass die ganze Sache nur eines zur Folge hatte: Die Eisernen haben sich aus dem Schlamassel gezogen und der VfL Bochum ist trotzdem Letzter geworden. Dafür haben ihm alle Teams aus dem unteren Tabellendrittel auch kräftig die Daumen gedrückt.

Was der Fußball kann, können andere Sportarten allerdings noch viel besser. Prominent produziert sich derzeit der Handball. Ganz im Schatten der ersten deutschen Meisterschaft für die Füchse Berlin und des neuerlichen Triumphs des SC Magdeburg in der Champions League schreibt er in der 2. Bundesliga der Männer eine Geschichte aus dem Tollhaus. Eine mit womöglich weitreichenden Konsequenzen, und der Amtsschimmel kommt aus dem Wiehern nicht heraus.

Anders als beim 1. FC Union: Handballspiel wird wiederholt

Seit 7. Juni ist die Saison beendet. Am letzten Spieltag ging es unten nur noch um den zweiten Absteiger. Wenige Tage danach ist dennoch nichts mehr, wie es war. Alles könnte auf den Kopf gestellt werden. Die Partie zwischen TUSEM Essen und dem Dessau-Roßlauer HV muss wiederholt werden. So jedenfalls will es das Bundesgericht des Deutschen Handball-Bundes (DHB).

Folgendes ist passiert: Am 29. von 34 Spieltagen, ausgetragen am 27. April (!), verliert Essen sein Heimspiel gegen Dessau mit 27:28, legt danach aber Protest ein. Nach einer Zeitstrafe in Minute 58:02 hätten die Gäste aus Sachsen-Anhalt das Spiel in Unterzahl beenden müssen. Drei Sekunden vor Schluss nehmen die Dessauer, da in Ballbesitz, eine Auszeit. Weil aber Zeitnehmer (er überwacht die Uhr und die Auszeiten) und Sekretär (führt das Spielprotokoll und dokumentiert Strafen) kurz nicht auf der Höhe sind, setzen sie das Spiel nicht in Unterzahl fort.

Guck mal, DFB: DHB-Bundesgericht ändert Entscheidung

Noch einmal gaaanz laaangsam: Es geht, bei eigenem (!) Ballbesitz, um drei (!!) Sekunden (!!!).

Union-Manager Horst Heldt war bei der Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht persönlich anwesend.
Union-Manager Horst Heldt war bei der Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht persönlich anwesend.Eibner/imago

Das Bundessportgericht urteilt am 12. Mai: Der vermeintliche Regelverstoß sei nicht spielentscheidend und es habe keine hohe Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Torerfolg der unterlegenen Mannschaft gegeben. Alles vernünftig. Alles plausibel. Nicht aber für das DHB-Bundesgericht. Vier Wochen später vertritt es eine komplett andere Auffassung als das Bundessportgericht. Bis zum 30. Juni muss die Partie neu ausgetragen werden. Eine neuerliche Revision, auch der 1. FC Union hat das erfahren müssen, ist nicht zulässig.

Handballspiel zwischen Dessau und Essen wird wiederholt

All das ist insofern brisant, als es am Tabellenende zugeht wie in einer Sardinenbüchse. Den Neunten und den Vorletzten (den zweiten Absteiger), trennen ganze zwei Punkte. Verlieren die Dessauer das Spiel, steigen sie nachträglich ab. Gewinnen sie, klettern sie auf Rang 10. Essen ist raus, kann höchstens von Rang 11 auf 9 hoch. Läppisch angesichts dessen, was für den Gegner auf dem Spiel steht.

Zu früh gefreut: Dessau bejubelt den Sieg in Essen. Jetzt kommt es zu einem Wiederholungsspiel.
Zu früh gefreut: Dessau bejubelt den Sieg in Essen. Jetzt kommt es zu einem Wiederholungsspiel.RHR-Foto/imago

Es kommt noch verrückter. Beide Teams sind im Urlaub und haben einige Spieler bereits verabschiedet. Essens Top-Torjäger Nils Homscheid hat sich Anfang Juni einen Kreuzbandriss zugezogen. Je ein Spieler beider Vereine, bei Essen Felix Göttler und bei Dessau Fritz-Leon Haake, sind bei der U21-WM, die für Deutschlands Nachwuchs am heutigen Mittwoch in Polen mit dem Spiel gegen Serbien mit der Mission Titelverteidigung beginnt.

DFB und Co.: Gerichts-Irrsinn geht Fans auf den Senkel

Also: Geht’s noch? Was, bitte, hat all das mit normalem Menschenverstand zu tun? Es könnte, um aus dem Dilemma zu kommen, so gehen: Ausnahmsweise gibt es nur einen Absteiger, der mit der HSG Konstanz seit Monaten feststand, dafür in der neuen Saison 19 Teams und am Ende drei Absteiger. Oder ist das für sture Prinzipienreiter zu einfach, zu normal, um nicht zu sagen: zu fair?

Diese Paragrafenreiterei, egal ob im Fuß- oder im Handball, die teils mutwillige Verdrehung der Ansichten, soll dem Fan noch Spaß machen? Ganz anders. Ihm geht sie auf den Senkel.