Drei weitere Kadaver

Warum sterben die Robben auf Rügen? Neuer, schrecklicher Verdacht!

An der Küste Rügens sorgt die mysteriöse Serie toter Robben weiter für große Besorgnis. Umweltschützer fürchten, dass die Tiere qualvoll erstickt sind. 

Author - Michael Heun
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Warum sterben die Robben auf Rügen?
Warum sterben die Robben auf Rügen?Biosphärenreservatsamt/dpa

An der Küste Rügens sorgt die mysteriöse Serie toter Robben weiter für große Besorgnis. Am Mittwoch wurden erneut drei verendete Tiere entdeckt. Seit Anfang Oktober sind es bereits mindestens 34 angeschwemmt Kadaver – die Dunkelziffer könnte laut Umweltministerium aber noch höher liegen.

Das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund bestätigt, dass viele Tiere im Südosten der Insel gefunden wurden. Umweltminister Till Backhaus zeigt sich alarmiert und versichert: „Wir nehmen die Ereignisse sehr ernst.“ Die bisherigen Untersuchungen werfen jedoch mehr Fragen auf, als sie beantworten. Es gibt aber einen schrecklichen Verdacht. 

Keine Hinweise auf Krankheiten – was ist die Todesursache?

Die toten Robben werden seziert, um die Ursache zu klären, bislang jedoch ohne Erfolg. Die Tiere waren zum Zeitpunkt ihres Todes gesund und gut genährt, was eine natürliche Todesursache weitgehend ausschließt. Auch die Vogelgrippe, die in Dänemark ähnliche Fälle verursacht hat, konnte laut Ministerium ausgeschlossen werden.

Erste Obduktionsergebnisse zeigen, dass die Robben möglicherweise ertrunken sein könnten. Doch dieser Verdacht ist schwer zu beweisen, da die Spuren für ein Ertrinken auch auf ein Herz-Kreislauf-Versagen hindeuten könnten.

An der Küste Mecklenburg-Vorpommerns leben schätzungsweise 300 bis 400 Kegelrobben.
An der Küste Mecklenburg-Vorpommerns leben schätzungsweise 300 bis 400 Kegelrobben.Daniel Bockwoldt/dpa

Hinweise auf einen Zusammenhang mit menschlichen Aktivitäten wie Bauprojekten oder Fischerei sind bisher zumindest nicht belegt. Aber Toerschützer wissen: Kegelrobben können zwar eine halbe Stunde unter Wasser bleiben. Verfangen Sie sich aber in einer schlauchartigen Reuse können sie sich nicht mehr umdrehen und auftauchen. Sie ersticken qualvoll.

Solche Reusen gibt es rund um Rügen... Eine davon in der Nähe von Thiessow wurde per Unterwasserkamera überprüft – ohne Anhaltspunkte. „Bislang fehlen uns alle nötigen Nachweise“, erklärte Backhaus, der weitere Untersuchungen ankündigte.

Ertrinken in Fanggeräten? WWF fordert sofortiges Handeln

Die Umweltstiftung WWF fordert, sämtliche Reusen in der Region vorübergehend zu schließen, bis die Ursache geklärt ist. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, was hier wirklich vor sich geht“, sagt Finn Viehberg, Leiter des Ostsee-Büros des WWF. Schließlich könne eine einfache Schutzmaßnahme wie das Schließen der Reusen das Risiko für die Robben deutlich senken. Ein präventiver Schritt, der zumindest zeitweise weitere Todesfälle verhindern könnte.

In der Vergangenheit gab es bereits ähnliche Vorfälle. Bereits 2017 wurden im Greifswalder Bodden 23 tote Kegelrobben gefunden. Auch damals fiel der Verdacht auf Fischereigeräte. Eine Anzeige gegen einen Fischer führte jedoch nie zur Anklage. Dennoch wurden seither Maßnahmen getroffen, um zu verhindern, dass Robben in Reusen gefangen werden. Trotz dieser Vorkehrungen ist die genaue Todesursache der Tiere bis heute nicht bekannt.

Mysteriöse Todesfälle: Die Geister der Vergangenheit

Für die Experten und die Küstenbewohner erinnert der aktuelle Fall an die Tragödie vor sieben Jahren. Die Robbenpopulation, die im 20. Jahrhundert beinahe vollständig aus der Ostsee verschwunden war, konnte sich in den letzten Jahren endlich erholen. Dank Schutzmaßnahmen leben heute wieder etwa 300 bis 400 Kegelrobben an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns. Der plötzliche Verlust so vieler Tiere stellt die Wissenschaft jedoch vor ein Rätsel. „Unser Ziel ist es, so bald wie möglich eine Antwort zu finden“, sagt Judith Denkinger, Kuratorin für Meeressäugetiere am Meeresmuseum.

Der derzeitige Robbenfund weckt düstere Erinnerungen und neue Ängste. Wissenschaftler am Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) in Büsum untersuchen nun auch eingehend, ob möglicherweise andere Faktoren wie Lärm oder unerkannte menschliche Eingriffe für die Todesfälle verantwortlich sein könnten. Erste Strömungsmodelle des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie sollen klären, ob Umweltbedingungen oder eine unbekannte Verschmutzungsquelle eine Rolle spielen könnten. Auch ein Überflug der Wasserschutzpolizei brachte jedoch keine neuen Erkenntnisse.

Kampf um Aufklärung und neue Hoffnung für die Küste

Für die Umweltorganisationen und Behörden bleibt die Mission klar: Die Todesursache der Robben muss gefunden werden, bevor weitere Tiere verenden. Aktuell wird ein weiterer Kadaver untersucht – hoffentlich mit neuen Hinweisen. Backhaus betont, dass die Küstenregion nicht nur für Robben, sondern auch für die Menschen in der Umgebung einen schützenswerten Lebensraum darstellt: „Die Robben gehören zur Ostsee wie die Seeadler an die Küste – wir schulden ihnen, dass wir alles tun, um sie zu schützen.“

Ob mysteriöse Einflüsse oder unentdeckte Gefahren – die Antwort bleibt vorerst aus. Doch die Hoffnung auf eine Lösung und Schutz für die Kegelrobben ist lebendig wie nie. ■