Nach dem Sprengstoff-Fund in Berlin jagt die Polizei offenbar einen zweiten Verdächtigen. Planten die Männer einen Terror-Anschlag? Sicher ist: Berlin entging nur knapp einer Bomben-Katastrophe.
In Berlin Neukölln spielt sich am Mittwochnachmittag ein Szenario ab, das direkt aus einem Thriller stammen könnte. Ein Mann, etwa 30 Jahre alt, steht mit einem hellen Beutel am S-Bahnhof Neukölln, als Bundespolizisten auf ihn aufmerksam werden. Ein Routineeinsatz? Weit gefehlt! Denn als die Beamten den Mann kontrollieren wollen, läuft er panisch davon und lässt die Tasche mit einem hochexplosiven Sprengsatz einfach fallen.
Die Tasche, die der Mann in der Eile zurücklässt, ist kein gewöhnliches Gepäckstück. Was sich darin befindet, könnte verheerend sein: Ein halbes Kilo Triacetontriperoxid, kurz TATP, ein gefährlicher Sprengstoff, den Ermittler sonst vor allem bei Terroranschlägen finden. TATP ist instabil und nur schwer zu handhaben – eine Explosion hätte fatale Folgen haben können.
Ein Entschärfer der Berliner Polizei sagte der Bild: „TATP wird in der Regel bei Anschlägen eingesetzt und ist extrem riskant zu transportieren.“ Die Tatsache, dass die Bombe beim Sturz des Beutels nicht explodierte, war demnach also reines Glück. Berlin ist nur knapp einer Katastrophe entgangen.
Verfolgungsjagd und Flucht über die Gleise
Kaum hatten die Polizisten den Mann angesprochen, riss er sich los und rannte über die Bahngleise davon. Den Stoffbeutel mit dem gefährlichen Inhalt ließ er dabei zurück. Augenzeugen berichten von einer dramatischen Szene – der Mann schien panisch, als er die Tasche abwarf. Die Polizei folgte ihm zwar, verlor ihn jedoch nach kurzer Zeit aus den Augen. Die Tasche und deren bedrohlicher Inhalt wurden sichergestellt und in einem nahegelegenen Park kontrolliert gesprengt.
In der zurückgelassenen Tasche finden die Beamten außerdem einen Ausweis. Doch die Ermittler stehen vor einem Rätsel: Der Ausweis ist auf einen 30-jährigen polnischen Staatsbürger ausgestellt, der jedoch bereits im Januar 2022 als gestohlen gemeldet wurde. Ein erster Abgleich mit Überwachungsvideos bestätigt schnell, dass der Flüchtige offenbar nicht der rechtmäßige Besitzer des Ausweises ist. Das wirft Fragen auf: Wer ist der Mann, und was hatte er mit dem Sprengstoff vor?

Komplize auf der Flucht?
Doch es kommt noch dicker: Laut Informationen der Bild jagen die Ermittler möglicherweise nicht nur einen Täter, sondern einen zweiten Verdächtigen. Auch dieser soll sich am S-Bahnhof Neukölln aufgehalten und beim Eintreffen der Polizei das Weite gesucht haben. Die beiden Männer sind der Polizei mittlerweile zwar namentlich bekannt, aber ihre Hintergründe und Motive bleiben bislang unklar.
Die Berliner Staatsanwaltschaft gibt sich bislang zurückhaltend: „Ein terroristisches Motiv ist derzeit nicht bestätigt“, heißt es aus Kreisen der Ermittler. Zwar könnte der gefährliche Sprengstoff TATP durchaus auf einen Terrorakt hindeuten, doch in den letzten Jahren wurde TATP auch immer wieder bei kriminellen Banden für Automatensprengungen eingesetzt. Die Polizei prüft deshalb alle Möglichkeiten, schließt jedoch einen terroristischen Hintergrund nicht aus.
Gewerkschaft fordert moderne Überwachung an Bahnhöfen
Der Vorfall alarmiert auch die Polizeigewerkschaft. Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei für den Bereich Bundespolizei, warnt vor einer zunehmenden Terrorgefahr an Bahnhöfen. „Bahnhöfe geraten immer mehr ins Visier von Attentätern“, erklärt Roßkopf. Er fordert sowohl mehr Personal als auch eine intensivere Überwachung – moderne Gesichtserkennungstechnik könnte in solchen Situationen entscheidend sein. Aktuell fehlen der Bundespolizei laut Roßkopf etwa 3500 Beamte an Bahnhöfen in ganz Deutschland.
Fahndung auf Hochtouren
Die Polizei arbeitet unter Hochdruck daran, den Flüchtigen zu fassen. Die Berliner Staatsanwaltschaft plant eine Öffentlichkeitsfahndung und will in Kürze ein Foto des Verdächtigen veröffentlichen. Wer den etwa 1,85 bis 1,90 Meter großen Mann mit Bart und Kapuzenjacke erkennt, sollte sofort die Polizei alarmieren.
Der Schreck sitzt tief bei Reisenden und Anwohnern: Ein Mann, der am S-Bahnhof mit hochexplosivem Sprengstoff auftaucht, weckt schlimme Erinnerungen an vergangene Anschläge. Noch ist aber völlig unklar, welche Motive ihn angetrieben haben. ■